Vom Invaliden zum Sportmanager
Wer sich mit Lutz Lessmann über die Erfolgsgeschichte der Elxlebener Rollstuhlbasketballer unterhält, erlebt einen Mann, der andere in den Mittelpunkt stellt: Der 66-Jährige redet von der hervorragenden Einstellung seiner Spieler, den großartigen Ideen seines Trainers und von einem hingebungsvollen Betreuerstab. Der Manager der RSB Thüringer Bulls, der das Herzstück dieses Vereins ist, spricht über den eigenen Erfolg immer als Teamleistung. Und das ist die vielleicht herausragendste Eigenschaft dieses Mannes: Er lebt vor, was er von anderen einfordert. Sei es Respekt, Gleichberechtigung, harte Arbeit oder den Leitspruch des Vereins: "Wir sind ein Team!"
Dennoch lässt sich die Geschichte des Vereins nicht erzählen, ohne Lessmann in den Vordergrund zu rücken. Seine persönliche Geschichte ist ein Spiegelbild vieler seiner Schützlinge, denn im Jahr 2000 machte ein Knieschaden den ehemaligen Fußballer zum Schwerbehinderten. Bestürzt musste er feststellen, dass Rehasport in Thüringen damals eine Seltenheit war. Nach seiner Genesung - heute kann er unter Schmerzen wieder laufen - schickte sich Lessmann an, diesen Missstand zu beheben. 2001 gründete er deshalb den Reha Sport Bildung e.V. in Elxleben. Bis heute steht das RSB im Namen der RSB Thuringia Bulls für seinen Trägerverein.
Reha-Sport-Bildung hat eine eigene Erfolgsgeschichte: Heute ist der Verein einer der führenden Rehabilitationssport-Anbieter in Deutschland. An 180 Außenstellen führt er Rehasport-Maßnahmen in ganz Deutschland durch und hat einen Jahresumsatz von acht Millionen Euro - wohlgemerkt als gemeinnütziger Verein. Schon bald erwarb Reha-Sport-Bildung das zuvor kommerziell genutzte Fit-In in Elxleben. 2008 wurde die Freizeitsporthalle in das Thüringer Behindertensportzentrum umgebaut, in dem die RSB Thuringia Bulls noch heute ihr Training absolvieren und ihre Ligaspiele vor rund 400 Zuschauern austragen.
Im selben Jahr kamen die ersten Rollstuhlbasketballer nach Elxleben. Lessmann war sofort fasziniert von diesem Sport, der gern als paralympische Sportart Nummer Eins beschrieben wird, weil er sich vom "normalen" Basketball (fast) nur durch den Rollstuhl unterscheidet. "Rollercoaster-Basketball" witzeln die Sportler manchmal selbst darüber, wenn sie Fußgängern ihren Sport erklären. Für Lessmann jedenfalls wurde dieser Sport bald zu einer Herzensangelegenheit und so dauerte es nicht lange, bis er das 2009 gegründete Oettinger RSB Team Thüringen e.V. selbst managte. Und auch hier zeigte sich; was Lutz Lessman anfasst, verwandelt sich zu Gold.
Die Besonderheiten des Rollstuhlbasketballs
Spielzeit, Punkte, Spielfeldgröße, Teamstärke und diverse Regeln sind identisch zum Fußgänger-Basketball. Im Wesentlichen ist der Rollstuhlbasketball aber freier, da sowohl Sportler mit Behinderung als auch Nichtbehinderte mitspielen dürfen und Frauen und Männer im gleichen Team spielen können.
Der wesentliche Unterschied ist ein Klassifizierungssystem, dass die Spieler je nach Grad ihrer Behinderung zwischen 1,0 und 4,5 einstuft. Eine Klassifizierung von 4,5 entspricht der geringstmöglichen Behinderung. Nicht beeinträchtige Menschen werden also mit 4,5 Punkten bewertet. Diese Klassifizierung ist insofern spannend, da die fünf Spieler, die jedes Team aufs Feld schickt, gemeinsam nur eine Klassifizierung von insgesamt 14 Punkten haben dürfen. Dadurch bekommen die sogenannten "Lowpointer" (1,0 oder 1,5 Punkte) eine besondere Bedeutung für das Team.
Der Grundstein des Erfolgs
Bereits 2011 gelang dem RSB Team der Aufstieg in die erste Bundesliga (RBBL1). Ein Schritt der für die junge, eher zusammengewürfelte Mannschaft eigentlich zu früh kam. Lessmann sah nur eine Möglichkeit, die Klasse zu halten: Er musste mit wenig Geld große Qualität ins Team holen. Doch abgesehen davon, dass das Geld ohnehin nicht vorhanden war, funktioniert der Transfermarkt im Rollstuhlbasketball nicht etwa wie im Fußball, wo reiche Clubs die besten Spieler kaufen. Natürlich gibt es auch Vereine, die ihren Spieler ein relativ üppiges Monatsgehalt zahlen (zwischen 1.000 und 5.000 Euro), doch gewöhnlich entscheiden sich die besten Spieler für den Verein mit den besten Spielern, weil sie an ihrer eigenen Entwicklung und dem sportlichen Erfolg interessiert sind.
Auf der Welt gibt es viele gute und sogar sehr gute Rollstuhlbasketballer. Aber um Titel zu gewinnen, brauchst du Spieler, die nicht von dieser Welt sind. Ich nenne sie gern 'Außerirdische'. Heute haben wir mehr als einen Außerirdischen in der Mannschaft.
Doch bis 2011 gab es weder einen außerirdischen Spieler im RSB Team noch den großen Erfolg und auch üppige Gehaltszahlungen standen überhaupt nicht zur Debatte. Womit hätte man die guten Spieler also ködern sollen? Für Lessmann war klar, der Verein müsste aus der Not eine Tugend machen. Er wollte jungen Spielern eine Chance geben und statt Geld, bot er ihnen eine berufliche Perspektive. Bis heute erhält keiner der Rollstuhlbasketballer in Elxleben ein Gehalt als Sportler, aber der Verein kümmert sich um einen Ausbildungsplatz, finanziert das Studium oder vermittelt einen Arbeitgeber. Darüber hinaus kümmert sich der Verein um sämtliche Belange, bietet den Spieler Verpflegung und stellt bei Bedarf sogar eine Unterkunft. Das Einzige worum sich die Spieler der RSB Thuringia Bulls kümmern müssen, ist ihre sportliche und berufliche Entwicklung.
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