
Straßenbau FAQ: Worum es beim Bürgerentscheid zur Ostumfahrung Weimar geht
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17. Februar 2025, 16:31 Uhr
Der Weimarer Stadtrat lehnte im Dezember 2024 ein Bürgerbegehren für den Bau der Ostumfahrung ab. Damit sind jetzt die Bürger am Bundestagswahl-Sonntag gefragt. Alle Fragen und Antworten - mit interaktiver Karte.
Inhalt des Artikels:
- Was ist die Ostumfahrung?
- Warum stimmen die Weimarer darüber am 23. Februar ab?
- Welche Strecke steht zur Abstimmung?
- Was sagen die Befürworter der Straße?
- Welche Argumente werden gegen die Straße vorgebracht?
- Welche Position nehmen Stadtverwaltung und Stadtrat ein?
- Welche Hürden gelten für den Bürgerentscheid?
- Welche Konsequenzen hätte ein gültiges Ja?
Hinweis der Redaktion: Dieser Text wurde vor dem Bürgerentscheid veröffentlicht. Zum Ausgang der Abstimmung haben wir diesen Beitrag veröffentlicht:
Was ist die Ostumfahrung?
Die "Ortsumfahrung Weimar-Ost" - so der offizielle Titel - ist ein Straßenbauprojekt, das die Bundesstraße 7 nordöstlich an Weimar vorbeiführen soll. Bisher gibt es für die Ost-West-Verbindung eine unvollendete Umgehungsstraße, die westlich des Stadtgebiets beginnt und in einem Viertelkreis in den nördlichen Vorort Schöndorf führt. Von dort aus soll die Ostumfahrung in einem weiteren Viertelkreis bis vor den östlichen Stadtausgang geführt werden. Die Befürworter versprechen sich davon, dass das Stadtzentrum und die Anwohner der heute innerstädtisch verlaufenden B7 entlastet werden.
Das Projekt ist im Bundesverkehrswegeplan als Projekt mit "vordringlichem Bedarf" eingestuft. Der Bundesverkehrswegeplan wurde im Dezember 2016 vom Bundestag beschlossen und ist ein Konzept für den Ausbau des Bundestraßennetzes bis 2030. Zur Finanzierung der Ostumgehung sieht der Plan 26 Millionen Euro vor. Fast zehn Jahre später gehen die Gegner des Projekts, die Stadtverwaltung und Befürworter von deutlich höheren Baukosten aus.
Den Großteil der Kosten für das Projekt würde der Bund tragen, der zahlt jedoch nur die Bundesstraße. Die Kreuzungen an den Zubringerstraßen müssten durch die Stadt Weimar finanziert werden. Der Freistaat Thüringen würde das Projekt im Auftrag des Bundes planen und mit Baufirmen realisieren. Weil Stadtverwaltung und Stadtrat das Projekt bisher ablehnen, wurde noch nicht mit den Planungen begonnen. Erst dann aber würden die Kosten und die Wirtschaftlichkeit vom Bund neu beurteilt.
Das Projekt beschäftigt die Stadt schon seit Jahrzehnten. Den ersten Vorschlag gab es in den 90er Jahren. Anfang der 2000er gab es die ersten Planungen, dabei wurden verschiedene Varianten der Streckenführung vorgeschlagen. Im Stadtrat fand aber nur eine der Varianten eine Mehrheit. 2009 stimmte der Stadtrat für die sogenannte Variante 4a, die auch einen Tunnel unter dem Waldgebiet Webicht enthält. Doch diese Variante ist dem Bund zu teuer. Die nun zur Abstimmung stehende "Variante 1" ist laut Bund die mit dem besten Kosten-Nutzen-Verhältnis. Aber sie fand nie eine Mehrheit im Stadtrat, zuletzt scheiterte sie dort im Dezember 2024.
Warum stimmen die Weimarer darüber am 23. Februar ab?
Die Wähler und Wählerinnen der Stadt Weimar stimmen am 23. Februar über die Haltung der Stadt zu der Ortsumfahrung in der „Variante 1“ ab. Der Bürgerentscheid geht auf Bürgerbegehren zurück, bei dem der CDU-Stadtrat Martin Röckert 5.500 Unterschriften gesammelt hatte. Das Bürgerbegehren fordert, die Variante 1 der Ostumfahrung "unverzüglich zu realisieren". Da genug Unterschriften für ein Bürgerbegehren zusammenkamen, musste sich der Stadtrat innerhalb von drei Monaten mit dem Thema beschäftigen.
Die Mehrheit der gewählten Vertreter im Stadtrat lehnte das Bürgerbegehren im Dezember 2024 ab. Das Recht sieht vor, dass bei einer ablehnenden Haltung des Stadtrats zu einem Bürgerbegehren der nächste Schritt der Bürgerentscheid ist.
Welche Strecke steht zur Abstimmung?
Die nun zur Abstimmung stehende "Variante 1" soll auf einer Strecke von fünf Kilometern vom Kreisverkehr Schöndorf zum Gewerbegebiet Süßenborn führen. Die Trasse führt zunächst vom Kreisverkehr in südöstlicher Richtung über das Feld, aufgrund des Geländes wird hier ein extra Damm aufgeschüttet.
Noch vor dem Hotel Dorotheenhof orientiert sich die Trasse entlang eines Feldweges nach Süden, in der Nähe des Recyclinghofes soll die Straße Dürrenbacher Hütte mit einer Brücke über die geplante Ortsumgehung geführt werden. An dieser Stelle wird auch die Bahnstrecke nach Apolda von der B 7 unterquert. Zum Schutz der Anwohner im Ortsteil Dürrenbacher Hütte soll eine Lärmschutzwand errichtet werden.
Hinter dem Bahndamm verläuft die Trasse südwestlich. Etwa an der Bushaltestelle Dürrer Bach soll die Bundesstraße auf einer 300 Meter langen und 18 Meter hohen Brücke über die Ilm und das Klärwerk auf die andere Seite des Ilmtals führen.
Auf der südlichen Seite der Ilm kreuzt die "Variante 1" dann die Robert-Blum-Straße, auch hierfür wird eine neue Brücke gebaut. Die Trasse orientiert sich dann weiter nach Osten und läuft in einem Bogen um den Webicht herum, dabei schneidet sie den von Süßenborn ins Webicht führenden asphaltierten Radweg und mündet am Gewerbegebiet Süßenborn wieder in die Jenaer Straße.
Zur Auf- und Abfahrt sollen entlang der Strecke drei Verkehrsknotenpunkte entstehen, einer an der Straße Dürrenbacher Hütte, einer an der Rosenthal-Straße und einer an der Robert-Blum-Straße.
Was sagen die Befürworter der Straße?
Die Umgehungsstraße sei ein notwendiges Projekt, um eine Lücke im Weimarer Verkehrsnetz zu schließen, argumentieren die Befürworter. Sie entlaste die Anwohner und fördere die Stadtentwicklung. Ziel sei es, den Durchgangsverkehr an den Stadtrand zu verlagern und so die Innenstadt zu entlasten. Durch die Ostumgehung werde die Innenstadt ruhiger und sicherer für Fußgänger und Fahrradfahrer, meint Stadtrat Röckert.
Röckert betont, die Stadt wachse im Norden, auch die Zahl der zugelassenen PKW in Weimar steige seit Jahren. Daher brauche Weimar die Ostumgehung. Auch aufgrund des in Jena-Isserstedt entstehenden Zeiss-Standorts erwartet er ein höheres Verkehrsaufkommen.
Je schneller die Realisierung kommt, je niedriger sind die Kosten
Die Befürworter meinen zudem, die Umgehungsstraße biete viele Vorteile für die Wirtschaft und sei für das geplante Post-Verteilzentrum und die Feuerwache in Weimar-Nord wichtig. Die Deutsche Post widerspricht dem. Ein Sprecher sagte MDR THÜRINGEN, die Post brauche keine neuen Straßen und Wege in dem Gebiet.
Auch für die Natur sieht Röckert eine Chance in der Umgehungsstraße. Die geplanten Ausgleichsmaßnahmen seien ein Gewinn für die Natur, sagte er MDR THÜRINGEN.
Aber Röckert räumt auch Kosten ein. "Wenn vieles gut läuft, dann wird es in der Größenordnung von 48.753.324 Euro bleiben können". Die Landwirtschaft könnte mit "geringen" Mehrkosten belastet werden. Auch die entstehenden Kosten durch die Zufahrtsstraßen sieht Röckert, er wolle aber versuchen dass andere Investitionsprojekte nicht beeinträchtigt würden. Zu möglichen Streichungen, etwa bei den Sozial- und Kulturausgaben, wollte sich Röckert nicht äußern.
Welche Argumente werden gegen die Straße vorgebracht?
Unter den Weimarern gibt es viele Kritiker des Projekts. Sie verweisen darauf, dass die Ostumfahrung zwar der Bund zahle, auf die Stadt Weimar aber hohe Kosten zukommen würden. So müsste die Stadt die Zubringerstraßen wie die Dürrenbacher Hütte und die Eduard-Rosenthal-Straße unterhalten und ausbauen.
Zusätzlich fürchten die Gegner Kosten durch die heutige B7 durch die Innenstadt an, die nach dem Bau der Ortsumgehung umgewidmet würde und dann von der Stadt zu unterhalten wäre. Mit etwa einer Million Euro an Kosten pro Jahr müsse die Stadt für diese Straßen rechnen, so die Kritiker. Das Problem dabei: 90 Prozent des Haushalts der Stadt seien feste Ausgaben. Zusätzliche Kosten für den Straßenunterhalt müssten aus den restlichen zehn Prozent kommen. Die Kritiker befürchten Kürzungen bei Kultur- und Sozialausgaben sowie keinen Freiraum für nötige Investitionen.
Auch am Nutzen der "Variante 1" zweifeln die Gegner. Sie verweisen darauf, dass die Post auf die neue Umgehungsstraße für ihr neues Verteilzentrum im Weimarer Norden nicht angwiesen ist. Ein Sprecher der Post sagte dazu, dass das Unternehmen mit dem vorhandenen Straßennetz sehr gut auskomme.
Weitere Kritik richtet sich gegen die Berechnungen des Bundes, diese seien veraltet. Während der Bundesverkehrsplan mit einem Anstieg der Verkehrszahlen rechnet, sinke die Zahl der Fahrzeuge auf der B7 tatsächlich, argumentieren die Gegner. Sie verweisen auf Zahlen der Stadt Weimar, aus denen hervorgeht, dass der Verkehr auf der innerorts verlaufenden B7 rückläufig ist. So wurden im Jahr 2000 noch 23.000 Fahrzeuge pro Tag auf der Friedensbrücke gezählt, während es 2023 17.300 pro Tag waren. Dies entspricht einem Rückgang von 25 Prozent.
Die Gegner verweisen auch darauf, dass aktuell nur vier Prozent der Fahrzeuge auf der B7 Durchgangsverkehr seien, also Verkehr der nur durch Weimar durch bzw. an der Stadt vorbei fährt. Das würde bedeuten, die anderen 96 Prozent der Fahrzeuge würden auch mit der Umgehungsstraße weiter durch die Innenstadt fahren. Hierbei handelt es sich um den sogenannten Quell- und Zielverkehr, sprich die Fahrzeuge, die in Weimar los fahren oder in die Stadt wollen. Röckert äußerte bei MDR THÜRINGEN Zweifel an diesen Zahlen. Er meint, die aktuellsten Zahlen würden unter Verschluss gehalten, da sie für die Umgehungsstraße sprächen. Auch herrsche aufgrund der Corona-Pandemie und verschiedener Baustellen ein "Chaos" bei den Verkehrszahlen.
Die Kritiker verweisen auch auf den Lärm, der durch die Umgehungsstraße für eine Reihe von Haushalten entstehe. Der Ortsteil Tiefurt liege nahe der geplanten Trasse, Teile des Ortes liegen im Ilmtal. Diese "trichterförmige Ortslage" würde eine besondere Lärmbelastung für die Einwohner des Ortes bedeuten.
In Tiefurt verweisen Anwohner auf den abrutschgefährdeten Ilm-Hang. Dies zeige sich an den Rissen in der Oberfläche der Straße "Am Ilmhang". Deswegen sei die Straße nur für eine Belastung von 7,5 Tonnen zugelassen. Die Anwohner vermuten, dass diese bauliche Herausforderung die Baukosten noch weiter in die Höhe treiben würde.
Auf der anderen Seite des Tals liegt der Webicht, ein Waldgebiet mit reichem Wildbestand. Mit dem Bau der Umgehungsstraße würde das Waldgebiet von allen Seiten eingeschlossen. Die Kritiker verweisen darauf, das Wild habe dann keine Möglichkeit mehr, aus dem Waldstück heraus zu kommen, ohne eine Straße, Bahnstrecke oder Häuser passieren zu müssen. Der Bundesverkehrswegeplan sieht in seiner jetzigen Form keine Wildbrücken vor, es sind weitere Kosten zu erwarten.
Welche Position nehmen Stadtverwaltung und Stadtrat ein?
Die Stadtverwaltung gab im Januar 2024 ein Amtsblatt heraus, in dem der Oberbürgermeister und die Stadtverwaltung zu der Ortsumgehung Stellung bezogen. Die Befürworter des Projekts klagten dagegen. Das Verwaltungtsgericht urteilte, dass die Stadt gegen das Gebot der Fairness verstoßen hat. Darauhin gab die Stadt ein Sonderamtsblatt heraus, in dem die Position der Befürworter zu Wort kam. Mit dem Urteil wurde der Stadt auch auferlegt, strikte Neutralität zu dem Thema Ostumgehung zu wahren.

In dem zu Beginn des Jahres herausgegebenen Amtsblatt verweist die Stadt Weimar darauf, dass der Verkehr auf der Bundesstraße 7 in den letzten Jahrzehnten kontinuierlich zurückgegangen ist. Auch mit Baustellensperrungen an anderen Stellen in der Stadt und Umleitungen über die Buttelsstedter Straße sei das Verkehrsaufkommen dort im Vergleich zum Jahr 2000 um zwanzig Prozent gesunken. Die Stadt verweist darauf, dass die Prognosen aus dem Jahr 2008 falsch lagen.
Die Stadt kritisierte auch die geplante Trassenführung durch die Kulturlandschaft Tiefurt. Mit der Baustelle und durch die versiegelte Fläche seine Natur und Kultur in Gefahr. Die Versiegelung der Fläche müsse zudem aufgrund von Gesetzen an anderer Stelle ausgeglichen werden. Wo entsiegelt werden kann und welche Kosten dafür entstehen können, beantwortet die Stadt nicht.
In der vom Gericht beanstandeten Ausgabe des Rathauskurieres brachten auch die Fraktionen von SPD, weimarwerk und den Grünen ihre Argumente gegen die Ostumfahrung vor.
Welche Hürden gelten für den Bürgerentscheid?
Wie Bürgerentscheide durchgeführt werden, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen und welche Formalia zu beachten sind, regelt in Thüringen ein Landesgesetz.
Für das Ergebnis schreibt das Gesetz vor, dass der Bürgerentscheid von der "gültigen Mehrheit" angenommen werden muss. Das bedeutet, dass mindestens zehn Prozent der Wahlberechtigten in Weimar mit "Ja" stimmen müssen. Laut Wahlleiter der Stadt Weimar sind 50.442 Personen wahlberechtigt. Es müssen also mindestens 5.044 Leute für die Ortsumgehung stimmen. Falls es zur Stimmgleicheit oder einer Mehrheit kommt, die nicht mindestens zehn Prozent der Wahlberechtigten entspricht, ist das Ergebnis ein "Nein" zur Ostumgehung.
Welche Konsequenzen hätte ein gültiges Ja?
Wenn die Bürger der Stadt Weimar am 23. Februar dem Bürgerentscheid zustimmen, muss die Stadtverwaltung den planenden Behörden auf Bundes- und Landesebene die Empfehlung für den Bau der Ostumfahrung aussprechen. Bund und Land können dann mit Planung und Bau beginnen. Das Thüringer Ministerium für Digitales und Infrastruktur sagte gegenüber MDR THÜRINGEN, im Falle einer Empfehlung der Stadt für den Bau würde man sich mit den Planungen "unter Berücksichtigung der zur Verfügung stehenden finanziellen und personellen Kapazitäten" befassen. Jedenfalls nicht "unverzüglich".
"Nimmt die Stadt eine ablehnende Haltung zu einem Bedarfsplanprojekt ein, kann vom Land die Entscheidung getroffen werden, dass aufgrund der zu erwartenden großen Widerstände bis auf Weiteres die Planungen nicht gegen den Willen der Stadt weiterverfolgt werden, beziehungsweise erst nach einem neuen Stadtratsbeschluss die Planungen für die Ortsumgehung wieder aufzunehmen", erklärte das Bundesverkehrministerium im September bei MDR THÜRINGEN.
Aktuell überarbeitet der Bund den Bundesverkehrswegeplan. Auch die Prognose darüber, wie viel Verkehr bis ins Jahr 2040 erwartet wird, wird aktualisiert. Wenn sich Verkehr und Wirtschaft anders entwickeln als bisher angenommen, könnte das auch im Bundesverkehrswegeplan 2030 zu einer Neubewertung der Projekte führen.
Laut Bundesverkehrsministerium haben Bürgerentscheide allerdings keine Auswirkung auf die Ausweisung oder die Einstufung der Projekte im Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen.
MDR (lh)
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 16. Februar 2025 | 19:00 Uhr
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