Dichter Verkehr in Weimar an der Ostumfahrung
Zu Stoßzeiten kommt es hier immer wieder zu Staus. Inklusive Lärm und Abgase. Bildrechte: MDR/Grit Hasselmann

FAQ Bürgerbegehren zur Ostumfahrung Weimar: Die wichtigsten Fragen und Antworten

06. September 2024, 15:55 Uhr

Die "Ostumfahrung" ist in Weimar seit vielen Jahrzehnten ein Thema. Jetzt muss sich der Weimarer Stadtrat mit einem Bürgerbegehren dazu auseinandersetzen. Hier finden Sie die wichtigsten Fragen und Antworten.

Worum geht es bei dem Bürgerbegehren zur Ostumfahrung in Weimar?

Initiiert hat das Bürgerbegehren der Weimarer CDU-Stadtrat und Politikwissenschaftler Martin Röckert. Ziel ist, dass die sogenannte Variante 1 der Ostumfahrung "unverzüglich realisiert" wird. Sie sieht vor, die B7 im Norden und Osten von Weimar durch eine neue Trasse zu verbinden, um die Innenstadt von Durchgangsverkehr zu entlasten.

Menschen an einem Informationsstand
Im Juli konnte Martin Röckert die Unterschriften an den Weimarer Bürgermneister Ralf Kirsten übergeben. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Da genug Unterschriften zusammenkamen, muss sich der Stadtrat binnen drei Monaten mit dem Thema befassen. Lehnt er die Forderung ab, folgt ein Bürgerentscheid. Die Bürger würden dann verbindlich abstimmen, ob die Umgehungsstraße gebaut werden soll.

Welche Pläne gab und gibt es für die Ostumgehung?

Im Bundesverkehrswegeplan 2030, der im Dezember 2016 vom Bundestag beschlossen wurde, ist die Ostumfahrung als "vordringlicher Bedarf" eingestuft. Für das Projekt steht seitdem die Finanzierung von gut 26 Millionen Euro bereit. Dazu teilte das Bundesverkehrsministerium auf MDR-Anfrage mit, dass diese Kosten den Preisstand 2014 spiegeln. Heißt: Es könnte noch teurer werden.

Dichter Verkehr in Weimar an der Ostumfahrung
Durch Baustellen an anderen Stellen der Stadt läuft derzeit noch mehr Verkehr über die Buttelstedter Straße. Bildrechte: MDR/Grit Hasselmann

"Aufgrund der ablehnenden Haltung der Stadt Weimar erfolgte bislang keine weitere Bearbeitung der Planung durch den Freistaat Thüringen", berichtet das Ministerium. Aber erst, wenn weitergeplant wird, werden die Kosten vom Bund neu berechnet und wird die Wirtschaftlichkeit neu beurteilt.

Ende März 2009 hatte der Weimarer Stadtrat nicht für die Variante 1 der Umgehungsstraßeübr Tiefurt, sondern für die votiert, die einen Tunnel unter dem Webicht enthält. Gefordert wurde, diese in den Bundesverkehrswegeplan als vordringlichen Bedarf einzustufen.

Diese Variante galt aber immer als zu teuer. Laut Martin Röckert gab es außerdem bereits im Jahr 2000 einen Stadtratsbeschluss zur Variante 1, also für die Straße nordöstlich an Weimar vorbei.

Dichter Verkehr in Weimar an der Ostumfahrung
Für die Befürworter spricht vor allem das Verkehrsaufkommen für eine neue Umgehungsstraße. Bildrechte: MDR/Grit Hasselmann

Schließlich wurde die besagte Variante 1 im März 2016 im Arbeitsentwurf des Bundesverkehrswegeplans 2030 in der Kategorie "vordringlicher Bedarf" eingeordnet. Die Trassenführung gilt aber bis heute im Weimarer Stadtrat nicht als mehrheitsfähig. Dies vor allem wegen der Belastung für Tiefurt.

Was sagen die Gegner der Straße?

Derzeit steht der Bau an sich bei vielen Kritikern infrage, vor allem mit Blick auf die Veränderungen bei der Verkehrsbelastung der Anwohner an den drei betroffenen Straßen. Laut Stadt gibt es keine belastbaren aktuellen Verkehrsdaten. Die würden derzeit erhoben.

Ein Langzeitvergleich der Verkehrsbelastung allerdings zeigt: Friedensbrücke, Buttelstedter Straße und der Lindenberg an der Bahnbrücke wurden nach Angaben aus dem Tiefbauamt 2023 deutlich weniger befahren als noch im Jahr 2000.

So waren 2023 auf der Friedensbrücke täglich rund 5.700 Fahrzeuge weniger unterwegs, nämlich knapp 17.300. Auf der Buttelstedter Straße ging die Belastung im selben Zeitraum von knapp 15.000 auf gut 12.300 zurück, vor der baubedingten Sperrung der Ettersburger Straße lagen die Zahlen noch niedriger. Die Bahnbrücke am Lindenberg wurde 2023 täglich von rund 10.300 Fahrzeugen passiert, im Jahr 2000 waren es noch knapp 17.000.

Zum Aufklappen: Was sagen die Weimarer Stadtratsfraktionen?


Die Weimarer SPD lehnt das Projekt ab. Dirk Slawinsky: "Aufgrund der unveränderten Fakten- und Datenlage, die gegen einen Bau einer Ostumfahrung sprechen, bleibt die SPD-Fraktion bei ihrer bisherigen Haltung, eine Ostumfahrung in jeglicher Variante abzulehnen." Bürgerentscheide begrüßt Slawinsky, allerdings müssten die Bürgerinnen und Bürger in diesem Prozess "umfänglich und nicht nur einseitig zu dem abzustimmenden Thema" informiert werden. "Eine Aufklärung über die aktuelle Daten- und Faktenlage ist dabei Grundvoraussetzung."

Die Linke-Fraktion lehnt die Ostumfahrung ab. Hubert Krüger: "Die ortsnahe Variante, wie von Herrn Röckert gefordert, kann nicht unterstützt werden, da es das Unesco-Welterbe des Parks in Tiefurt gefährden würde und die Lärmbelastung durch eine Hochstraße über die Kläranlage durch die Tiefurter Bevölkerung vehement abgelehnt wird. Andere Varianten werden durch den Bund nicht gefördert und sind durch den kommunalen Haushalt nicht finanzierbar." Als alternative Entlastungen der Anwohner wären für Krüger ein Nachtfahrverbot für Lkw und Tempo 30 ab Ortseingang, um die Geräuschkulisse deutlich zu mindern.

Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen sieht "keinerlei Notwendigkeit" für den Bau einer weiteren Straße. Andreas Leps: "Allerdings sehen wir die Notwendigkeit von Maßnahmen insbesondere zur Lärmvermeidung und Maßnahmen zur Verkehrsberuhigung auch aus Sicherheitsgründen." Mindestens 85 Prozent des Verkehrs in Weimar, so Leps, sei Quell- und Zielverkehr, er beginnt oder endet im Stadtgebiet. "Diese Fahrten werden durch eine weitere Umfahrung nicht weniger werden, sondern nur länger." Für Leps ist die Umsetzung einer Ostumfahrung "äußerst unrealistisch, wäre sehr teuer und langwierig". Eine Realisierung vor 2040 hält er darüber hinaus für unwahrscheinlich.

Die AfD-Fraktion unterstützt den Bau der Ortsumfahrung. Brigitte Stahl: "Es ist für uns wichtig, dass die Menschen, welche derzeit unter der fehlenden Umgehungsstraße leiden, endlich entlastet werden. Dies betrift sowohl die geplagten Anwohner, als auch die Autofahrer, welche sich jeden Tag, und besonders zu den Stoßzeiten, über die völlig überfüllte Jenaer Straße, Friedrich-Ebert-Straße und Buttelstätter Straße stauen." Allerdings, so Stahl, sollten auch die Bedenken der Tiefurter Bürger beachtet werden. Hier müsse man dafür Sorge tragen, dass die Lärmbelästigung so gering wie möglich ausfällt.

Das Weimarwerk will sich in den nächsten Wochen detailliert zum Thema beraten und dann ein Statement zur Ostumfahrung abgeben.

Die CDU-Fraktion hat sich auf MDR-Anfrage nicht geäußert.

Eine Abstimmung im Stadtrat Weimar.
Der Weimarer Stadtrat muss sich innerhalb der kommenden drei Monate mit einem dem Bürgerbegehren auseinandersetzen. (Archivbild) Bildrechte: MDR/Cornelia Mauroner

Für viele Bewohner in Tiefurt ist die "ortsnahe" Variante der Ostumfahrung keine Option. Durch den Bau der Straße und der Brücke, die am Klärwerk entlang verlaufen soll, wird der Tiefurter Park belastet und könnte seinen Unesco-Weltkulturerbe-Titel verlieren, lautet eine Befürchtung.

Was spricht für die Straße?

Für Martin Röckert spricht vor allem das Verkehrsaufkommen für eine neue Umgehungsstraße. Er geht davon aus, dass sich dieses steigern wird, da Weimar wächst. So entstanden zum Beispiel in der Eduard-Rosenthal-Straße 500 neue Wohnungen. Das sind 500 neue Haushalte, die dann vermutlich auch eine gewisse Anzahl von Autos in den Bereich mitbringen.

Dichter Verkehr in Weimar an der Ostumfahrung
Viele LKW fahren tatsächlich hier nur durch Weimar in Richtung Jena. Bildrechte: MDR/Grit Hasselmann

Die Befürworter sehen nur durch die rund fünf Kilometer lange Straße die Möglichkeit, die vom Verkehr am stärksten betroffenen Anwohner der Jenaer-, Ebert- und Buttelstedter Straße zu entlasten. Der Bund schreibt in einer Projektinformation, dass durch den Bau 937 Einwohner mehr oder neu belastet werden - aber 2.866 Einwohner entlastet. Die zusätzliche Belastung träfe wohl vor allem den Bereich Tiefurt.

Welche Chancen hat der Bau der Straße noch?

Wenn der Bürgerentscheid positiv für die Variante 1 ausgeht, können das Land Thüringen und der Bund mit der Planung und Realisierung der Umgehungsstraße beginnen. Aber: Will der Bund sie überhaupt noch bauen? Reichen die vor vielen Jahren geplanten 26 Millionen Euro heute noch aus? Diese Fragen lassen sich derzeit seriös nicht beantworten.

Nimmt die Stadt eine ablehnende Haltung zu einem Bedarfsplanprojekt ein, kann vom Land die Entscheidung getroffen werden, dass aufgrund der zu erwartenden großen Widerstände bis auf Weiteres die Planungen nicht gegen den Willen der Stadt weiterverfolgt werden.

Bundesverkehrsministerium

Aktuell überarbeitet der Bund den Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen. So soll auch die Prognose aktualisiert werden, wie viel Verkehr bis ins Jahr 2040 erwartet wird. Wenn sich zwischenzeitlich Verkehr und Wirtschaft anders entwickeln als bisher angenommen, könnte das auch im Bundesverkehrswegeplan 2030 zu einer Neubewertung der Projekte führen, heißt es von der Stadt Weimar.

Laut Bundesverkehrsministerium haben Stadtratsbeschlüsse beziehungsweise Bürgerentscheide allerdings keine Auswirkung auf die Ausweisung oder die Einstufung der Projekte im Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen.

Dichter Verkehr in Weimar an der Ostumfahrung
Ein großer Teil ist aber auch "Quell- und Zielverkehr", er beginnt oder endet im Stadtgebiet. Bildrechte: MDR/Grit Hasselmann

"Nimmt die Stadt eine ablehnende Haltung zu einem Bedarfsplanprojekt ein, kann vom Land die Entscheidung getroffen werden, dass aufgrund der zu erwartenden großen Widerstände bis auf Weiteres die Planungen nicht gegen den Willen der Stadt weiterverfolgt werden beziehungsweise erst nach einem neuen Stadtratsbeschluss die Planungen für die Ortsumgehung wieder aufzunehmen." Und genau diesen neuen Stadtratsbeschluss will Martin Röckert mit seinem Bürgerentscheid jetzt herbeiführen.

Wie funktioniert ein Bürgerbegehren genau?

Das Verfahren um ein Bürgerbegehren besteht aus mehreren Schritten. Als erstes muss ein Antrag bei der Gemeindeverwaltung gestellt werden. Wird dieser genehmigt, kann das Sammeln von Unterschriften beginnen.

Damit ein Bürgerbegehren zustande kommen kann, müssen mindestens sieben Prozent der stimmberechtigten Bürger unterschreiben. Für die Unterschriftensammlung gibt es eine Frist von vier Monaten. Am 22. Juli hatten die Organisatoren 5.500 Unterschriften zusammen, deutlich mehr als die notwendigen 3.622 Unterschriften. Übrigens: Unterschreibt man ein solches Begehren, stimmt man dem inhaltlichen Anliegen noch nicht zu - sondern befürwortet zunächst nur, dass die Bürger darüber entscheiden sollen.

Der Stadt- oder Gemeinderat kann das Anliegen des Bürgerbegehrens danach direkt selbst beschließen und umsetzen. Tut er das nicht, kommt es zum Bürgerentscheid. Dann entscheiden die stimmberechtigten Bürger über das Anliegen - also in Weimar darüber, ob die Ostumfahrung gebaut werden soll oder nicht.

Die Gemeinde ist an das Ergebnis gebunden. Voraussetzung: Gemäß § 23 ThürEBBG müssen am Ende zehn Prozent der Stimmberechtigten dem Vorschlag der Initiative zustimmen.

Mehr zur direkten Demokratie

MDR (gh/pc/maf)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Regionalnachrichten | 06. September 2024 | 06:30 Uhr

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