Der Redakteur | 21.10.2024 260.000 für einen Fahrradständer: Darum kritisiert der Bund der Steuerzahler die Stadt Weimar
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21. Oktober 2024, 17:29 Uhr
Weimar wehrt sich. Mit dem Eintrag ins Schwarzbuch vom Bund der Steuerzahler ist die Stadt Weimar nicht einverstanden. Das hat eine Diskussion ausgelöst, wie der Steuerzahlerbund eigentlich zu seinen Erkenntnissen kommt - und wer der Steuerzahlerbund überhaupt ist.
Seit 75 Jahren gibt es den Bund der Steuerzahler. Angefangen hat es mit einem Regionalverein im Schwabenländle, heute haben alle Bundesländer einen Landesverband (Bremen und Niedersachsen haben einen gemeinsamen). Und diese sind es auch, die sich um die Fälle im berühmten "Schwarzbuch des Bundes der Steuerzahlers" kümmern.
Recherche, Konfrontation und Stellungnahme
Eigentlich seien die Abläufe ziemlich journalistisch, bestätigt auch Präsident Reiner Holznagel. Man bekommt Hinweise von außerhalb, recherchiert die Hintergründe, bittet die betroffenen Verwaltungen um Stellungnahmen. Am Ende trifft man eine Entscheidung, ob die Geschichte "rund" und "stark" genug ist, um es ins Buch zu schaffen.
Fahrradständer für 260.000 Euro in Weimar?
Im Fall Weimar ist bei vielen hängengeblieben, dass die Fahrradabstellmöglichkeit am Rathaus Kosten in Höhe von 260.000 Euro verursacht hat. Dem sei nicht so, sagt die Stadt und verweist auf die Außenanlagen des Rathaushofes, die mit diesem Geld bei der denkmalgerechten Gesamtsanierung des Gebäudes mitgestaltet wurden.
Ich glaube, niemand zweifelt daran, dass das erforderlich war. Man kann ein Rathaus ja nicht in der Schlammwüste stehen lassen.
So wie immer in diesen Fällen hat der Steuerzahlerbund die Stadt um eine Stellungnahme gebeten. Dies passierte schriftlich und Weimar ging davon aus, damit alle Fragen beantwortet zu haben. Claudia Kolb, Beigeordnete für Verkehr und Bau bei der Stadt, und ihre Kollegen waren dann sehr überrascht, als sie trotzdem im 2024er Schwarzbuch auftauchten - als einzige aus Thüringen übrigens, was man durchaus auch positiv sehen kann.
Reiner Holznagel vom Bund der Steuerzahler betonte im Interview mit MDR THÜRINGEN, dass man auch nicht von "Verschwendung" gesprochen habe, die Dimensionen der Kosten erschienen nur etwas groß im Zusammenhang mit der Überschrift "Fahrradgarage".
Ich will nicht sagen, dass das Verschwendung ist, will aber deutlich machen, dass da mit viel Geld etwas erbaut wurde, wo man kritisch hinterfragen muss, ob nicht übers Ziel hinausgeschossen wurde.
Motto: Wäre es nicht auch eine Nummer kleiner gegangen? Die Diskussion darüber geht in die nächste Runde. Der Thüringer Landesverband des Steuerzahlerbundes hat einen Gesprächstermin mit der Stadt Weimar angekündigt.
Wieso berichtet der Steuerzahlerbund darüber?
Juristisch gesehen ist der Steuerzahlerbund ein gemeinnütziger Verein. Jeder Steuerzahler kann Mitglied werden, betont Präsident Reiner Holznagel. Die Gründer 1949 waren ein Finanzwissenschaftler, ein Steuerberater und ein Wirtschaftsredakteur der Stuttgarter Zeitung.
In der Vereinspublikation "Der Steuerzahler" Ausgabe 1/1950 war bezogen auf die entstandene Steuerlast von einer "maßlosen Überspannung" die Rede, weshalb Bürger und vor allem auch Unternehmen nach legalen und illegalen Auswegen suchen würden. Irgendwie hat sich das in den 75 Jahren des Bestehens nicht geändert. In dieser Zeit wurden neben dem Schwarzbuch auch die Schuldenuhr und der Steuerzahlergedenktag erfunden, die auf sehr plakative Weise Probleme öffentlich machen. Das wirkt natürlich oft ziemlich amtlich, soll aber nur ein Anstoß sein für eine öffentliche Diskussion.
Wir erheben nicht den Anspruch, dass wir mit unseren Publikationen ein amtliches Blatt sind, sondern wir sind eine Diskussionsplattform.
In einer Studie der Hans-Böckler-Stiftung des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) wird die "Vertretungsberechtigung" des Steuerzahlerbundes kritisiert. Begründung: "Die" Gruppe der Steuerzahler als homogene Masse kann es gar nicht geben.
… die Gruppe der Steuerzahler ist so diffus und heterogen, dass sie sich nicht wehren kann, wenn irgendjemand in ihrem Namen spricht.
Nun dürfte der DGB ein ähnliches Problem haben, die Gewerkschaftsmitglieder sind auch mit unterschiedlichen Meinungen ausgestattet. Eine ähnliche Diskussion über die Deutungshoheit erleben wir gerade bei denen, die der Meinung sind, "das Volk" zu sein, aber eben auch nicht alle vertreten. Umso wichtiger ist der Hinweis, dass jeder überall mitmachen und mitgestalten kann, statt von außen zu kritisieren.
Besonderheit: Musterprozesse
Die Verbraucherzentralen dürfen es, Umweltverbände auch und auch der Steuerzahlerbund darf Musterprozesse führen, von denen dann viele betroffene Bürger profitieren können, ohne selbst vor Gericht ziehen zu müssen. Aktuell geht es in einem Musterprozess um die Grundsteuer, wo nicht nur der Bund der Steuerzahler, sondern auch andere Experten die Frage geklärt haben wollen, ob die neue Art, Grundstücke zu bewerten, mit der Verfassung vereinbar ist. Hier bittet der Steuerzahlerbund beispielsweise Verfassungsrechtler um ihre Einschätzung, was typisch ist für die Arbeit des Vereins.
Interne und externe Experten werden herangezogen und gerade in Sachen Kommunalfinanzen sei der Verband sehr gefragt, betont Reiner Holznagel und verweist auf den hauseigenen Ratgeber für Regionalparlamentarier. Man sei Partner der Verwaltungen, auch wenn die Partnerschaft mit Weimar gerade in einer Beziehungskrise steckt.
Denkanstöße des Steuerzahlerbundes
Reiner Holznagel verweist unter anderem darauf, dass es der Steuerzahlerbund war, der uns die Entfernungspauschale gerettet hat. Ansonsten würden aber keine Privatprobleme der Mitglieder gelöst, dafür gebe es Steuerberater.
Aber der zusammenfassende Blick auf alle Töpfe, die wir Steuerzahler so füllen, ist mitunter ganz hilfreich. Stichwort Fördermittel. Hier scheint es nämlich häufiger Verständnisschwierigkeiten zu geben, wenn Bürgermeister und Gemeinderat mit "nur" 20 Prozent an der Gesamtsumme beteiligt sind und der Rest kommt aus einem güldenen Brüsseler oder Berliner Füllhorn.
Wir gehen an die Sache anders heran. Auch Fördermittel von der Bundesebene und der EU sind das Geld des Steuerzahlers.
Der Steuerzahlerbund versteht sich nicht als Rechnungsprüfungsbehörde, sondern stellt zur Diskussion, ob es denn nicht auch einen kostengünstigeren Weg gegeben hätte, verbunden mit der provokanten Frage: Wäre die Entscheidung im privaten Umfeld genauso gefallen?
MDR (ifl)
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Ramm am Nachmittag | 21. Oktober 2024 | 15:20 Uhr
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