Blick auf das rot angeleuchtete Theater Erfurt zur Blauen Stunde.
Im Theater Erfurt werden gerade alle Finanzen und Ausgaben geprüft. Bildrechte: imago/Bild13

Theaterstreit Erfurt Stadtrat kritisiert Aufarbeitung und fehlende Transparenz

02. April 2024, 10:54 Uhr

Die Kritik rund um das Theater Erfurt reißt nicht ab: Mehrere Stadtratsfraktionen bemängeln, dass die Finanzlöcher des Theaterbetriebs nicht transparent aufgearbeitet werden. Die Stadtverwaltung hält dagegen, dass aktuell alles geprüft werde und verspricht Ergebnisse bis Ende April. Zuvor wird weiter der Fall der Gleichstellungsbeauftragten Mary-Ellen Witzmann verhandelt. Sie wurde im Zuge des Erfurter Theater-Streits entlassen, während Intendant Guy Montavon lediglich freigestellt wurde.

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Es ist Wahlkampf in Erfurt - und das wirkt sich auch auf die Aufarbeitung der Krise am Theater aus. Im Mai wird die Spitze der Stadt neu gewählt und Oberbürgermeister Andreas Bausewein ist Spitzenkandidat seiner Partei, der SPD. Und ihn trifft nun seit Wochen die Kritik rund um das Theater.

Seine Verwaltung, so die Kritik der anderen Stadtratsfraktionen, habe nicht exakt gearbeitet und die ehemalige Gleichstellungsbeauftragte Mary-Ellen Witzmann sei vorschnell entlassen worden. Der Kulturbeigeordnete der Stadt, Tobias Knoblich, weist diese Kritik immer wieder zurück. Es seinen massive Verstöße gewesen, denen sich die ehemalige Mitarbeiterin, schuldig gemacht habe.

Geschädigte Gleichstellung in Erfurt

Am 12. April 2024 verhandelt das Arbeitsgericht Erfurt den Fall. Viele Augen dürften gespannt auf den Prozess blicken – auch, weil die Bundesarbeitsgemeinschaft (BAG) von Gleichstellungsbeauftragten der entlassenen Kollegin demonstrativ und öffentlich den Rücken stärkt. Währenddessen meidet die Thüringer Landesgleichstellungsbeauftragte jegliche öffentliche Stellungnahme.

Der Fall schlägt bundesweit Wogen, denn "das Signal ist: Ich kann als Betroffene nicht im Vertrauen einer Gleichstellungsbeauftragten schreiben, zumindest nicht in Erfurt", meint Stadträtin Katja Maurer (Die Linke) bei MDR KULTUR. Sie ist in Erfurt nur eine Stimme von vielen, die den Umgang der Stadt mit der ehemaligen Gleichstellungsbeauftragten bemängelt.

"Ich finde, dass es ein Skandal ist, dass man auf die E-Mails von Frau Witzmann im Nachhinein zugegriffen hat", so Maurer, "E-Mails, die ihr persönlich im Vertrauen geschickt worden sind." Sie wolle vom Datenschutzbeauftragten wissen, ob das rechtens ist. "Und ich möchte gerne für die Zukunft geklärt haben, dass das nicht nochmal passieren kann."

Es ist nur ein Aspekt in der großen Gemengelage, obwohl genau dieser Anstoß vieles ins Rollen brachte – nämlich auch den Blick auf Abrechnungen, Verwaltung und Kontoführung des Theaters. "Andreas Bausewein und Tobias Knoblich haben selber gesagt: Hätte Frau Witzmann das nicht in dieser Art und Weise nach vorne gebracht, hätten sie niemals diesen Aufklärungswillen gehabt, den sie heute haben", berichtet Linken-Stadträtin Katja Maurer.

Undurchsichtige Finanzen am Theater Erfurt

Spricht man mit Stadträten, so bemängeln viele die fehlenden Dokumente, die zur Aufklärung beitragen würden. Unterdessen klärt das Rechnungsprüfungsamt der Stadt, wie es zum Millionendefizit am Theater Erfurt kam – Schätzungen gehen derzeit von drei Millionen Euro aus. Ende April sollen Ergebnisse vorliegen.

Externe Wirtschaftsprüfer widmen sich derselben Frage, ohne jedoch den Vorwurf der Veruntreuung zu klären. Das wiederum kritisieren einige Stadträte hinter vorgehaltener Hand. Die SPD-Fraktion hält sich dabei etwas bedeckter. Stefan Schade formuliert es so: "Es geht um die lückenlose Aufklärung und den Schutz der Betroffenen." Gemeint sind jene, die im Zusammenhang mit den Vorwürfen des Machtmissbrauchs der Theaterspitze genannt worden sind.

"Wir hätten uns eine andere Lösung gewünscht", so Schade mit Blick auf den Aufhebungsvertrag mit dem Montavon. "Diese hat der Stadtrat abgelehnt", so Schade. Eine erste Version des Aufhebungsvertrages ist abgelehnt worden. Nun wird neu verhandelt.

Es gehe um die Reputation des Theaters und eine Lösung für beide Seiten, die zumindest für die Stadt teuer werden dürfte. Noch ist der Intendant beurlaubt. Sein Jahresgehalt beträgt 180.000 Euro. Außerdem hat er laut Vertrag die Möglichkeit sich Geld dazu zu verdienen, indem er an anderen Häusern inszeniert - die Rede ist von mehr als 20.000 Euro pro Spielzeit. "Es war für alle Seiten nicht mehr zumutbar, dass Herr Montavon das Theater so führt", erklärt SPD-Stadtrat Stefan Schade MDR KULTUR. "Was medial passiert ist und unter seiner Führung – da konnte niemand mehr sagen, dass es so weitergehen darf."

Theaterszene aus Rheingold: Mehrere Personen stehen vor einer zerklüfteten Felsenwand und werden von Spots angestrahlt.
Das Finanzloch hat schon Auswirkungen auf den Spielplan: Statt den ganzen "Ring" gibt es lediglich das "Rheingold" in Erfurt. Bildrechte: Lutz Edelhoff

Kritik aus allen Erfurter Stadtratsfraktionen

Die AfD-Fraktion hatte unterdessen sogar Strafanzeige gegen den Erfurter Theaterintendaten gestellt. Man sei, so Stefan Möller, unzufrieden mit der Art der Aufklärung bislang.

Auch die Fraktion Mehrwertstadt äußerte sich unzufrieden - unter anderem, weil ausgerechnet ein kritisches Statement von Sebastian Perdelwitz in der Aufzeichnung nach einer Stadtratsitzung nicht mehr zu finden war. Technische Gründe seien die Ursache, hieß es seitens der Stadtverwaltung.

"Ob es weiter geht, ob es überhaupt Gespräche gibt, dazu haben wir keinerlei offizielle Informationen“, bedauert Niklas Waßmann (CDU). Er bemängelt, dass man vor allem hinterfragen möchte, warum es angeblich keine Kostenstellen in der Kontoführung des Theaters gibt. Somit könne man nicht konkret nachvollziehen, welche Kosten für welche Produktion entstanden sind.

Auch wenn unterdessen die Werkleitung, das Kontrollgremium des Theaters, neu besetzt wurde, bleiben doch weiter Fragen offen. Die Linksfraktion formuliert das im Gespräch im MDR KULTUR so: "Diese Zögerlichkeit der Stadtverwaltung ärgert mich immer ein bisschen, weil die aktuelle Werkleitung in der Öffentlichkeit sehr deutlich gesagt hat: 'Das finanzielle Loch ist wirklich groß und wir müssen uns darum bemühen, auch die zur Verantwortung zu ziehen und abzumahnen.' Auch das ist eine Konsequenz", meint Stadträtin Katja Maurer.

Menschen sitzen im Stadtrat von Erfurt.
Aus allen Fraktionen im Erfurter Stadtrat ist Kritik am Umgang mit dem Theater zu hören. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Klare Konsequenzen gefordert

Auch die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Erfurter Stadtrat ist eher unzufrieden mit dem Stand der Dinge. Laura Wahl sagte MDR KULTUR: "Der eklatante Missstand bleibt bestehen. Während der Oberbürgermeister mit dem Generalintendanten einen Abfindungsvertrag aushandeln wollte, wurde Frau Witzmann fristlos gekündigt. Wir fordern, dass sie auf die Position als Gleichstellungsbeauftragte zurückkehren kann und rehabilitiert wird."

Die Stadträtin und Landtagsabgeordnete fordert zudem, dass im Zuge einer Novellierung des Thüringer Gleichstellungsgesetzes der Passus zu den Rechten von Gleichstellungsbeauftragten novelliert wird. Das stelle sicher, dass diese im Sinne von Betroffenen bei mutmaßlicher Diskriminierung handeln können und sollen.

Für einige stellt sich zusätzlich die Frage, ob tatsächlich alle Unterlagen vorhanden sind, die der Aufklärung dienen. "Sollte es wirklich so sein, dass relevante Dokumente und Akten nicht mehr auffindbar sind, wäre das ein Verstoß gegen die ordnungsgemäße Buchführung", bemängelt Laura Wahl. "Wir erwarten, dass der Oberbürgermeister – sollte sich das bewahrheiten – eine Abmahnung gegen den Generalintendanten ausspricht und auch prüft, ob das ein Grund für eine fristlose Kündigung sein könnte."

Quelle: MDR KULTUR (Blanka Weber)
Redaktionelle Bearbeitung: tsa, bh

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | MDR KULTUR am Morgen | 02. April 2024 | 07:15 Uhr

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