Ausstellung "On a Night Trip" Kunst gegen Drogen in Erfurt
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20. Oktober 2023, 17:25 Uhr
Drogen und Kunst gehören für viele Menschen gedanklich zusammen. Dieses Wechselspiel hat eine lange Geschichte. Die neue Ausstellung "On a Night Trip" in der Defensionskaserne Erfurt greift das nun auf - mit einem ungewöhnlichen Ansatz: Kunstwerke sollen hier zum Nachdenken über den eigenen Drogenkonsum anregen, sei es Alkohol, Cannabis oder Ecstasy. Bewusst gibt es hier keine Vorwürfe. Ziel ist, ins Gespräch zu kommen.
- Die Ausstellung "On a Night Trip" in Erfurt will mit Kunst Drogengebrauch hinterfragen.
- Die Ausstellungsmacher vermeiden bewusst Vorwürfe gegen Drogenkonsumenten.
- Die Kunstwerke der Schau provozieren und regen damit auch zur Reflektion über Drogen an.
Kunst kann viel - aber auch Drogengebrauch entgegenwirken? Die Ausstellung "On a Night Trip" in der Erfurter Defensionskaserne versucht genau das. Es ist ein ungewöhnlicher Ansatz, bilden doch Kunst und Drogen für viele Menschen eher eine Einheit, beispielsweise bei der Rockmusik mit dem Slogan "Sex and Drugs and Rock'n'Roll". Bis zum 10. Dezember 2023 ist die Schau zu sehen.
Schon der Ausstellungstitel "On a Night Trip" verweist auf die enge Verbindung von Drogenkonsum und Nachtleben. Für viele gehört der Rauschzustand zu einer gelungenen Partynacht in Clubs, Bars, Diskotheken oder bei Konzerten dazu, ob durch Alkohol, Kokain, Cannabis oder Ecstasy. Und nach dem Glücksgefühl folgt schnell der Absturz.
Ausstellung vermeidet Vorwürfe
Das Konzept der Ausstellung, über Kunst in das Thema einzutauchen, findet Suchtforscher Rainer Spanagel gut. Verbote, wie beispielsweise während der Prohibition in den 1920er-Jahren in den USA, würden nur bedingt Wirkung zeigen. Und so vermeide die Ausstellung Vorwürfe wie "Sucht ist was Schlechtes!" oder "Du hast ein Suchtproblem, das darf nicht sein". Die Kunstschau solle dazu einladen, sich über einen spielerischen Zugang selbst zu reflektieren, um so vielleicht darüber ins Gespräch zu kommen, so Spanagel, denn das größte Problem bei einem Suchtproblem sei immer erst mal darüber zu sprechen.
40 Exponate internationaler Künstlerinnen und Künstler gibt es zu sehen, darunter Fotos, Installationen und Skulpturen. Sie widmen sich der Frage: Was suchen Menschen in Clubs und Bars? Und wo lauern dabei die Gefahren? Vor allem Schülerinnen und Schüler sowie junge Erwachsene sollen damit erreicht werden. Mit VR-Brillen können die Besucher beispielsweise selbst auf eine virtuelle Party gehen und entscheiden, wie der Abend verläuft. Noch einen Shot, ein Bier – oder vielleicht doch einfach nur Tanzen?
Ausstellungsstücke provozieren und regen zum Nachdenken an
Ein zentrales Ausstellungsstück ist der Kristallkronleuchter des Künstlers Nasan Tur. Auf den ersten Blick wirkt er prächtig und erhaben, wie eine verheißungsvolle Partynacht. Erst aus nächster Nähe zeigt sich: Die Lüster sind verbogen, die Verzierungen zerbrochen. So scheinen auch manche Menschen im Zwielicht der Parties zunächst eindrucksvoll, doch aus der Nähe betrachtet bemerkt man die Spuren des Lebens und des destruktiven Drogenkonsums. 73.000 Menschen sterben in Deutschland jährlich an den Folgen von übermäßigem Alkoholkonsum, so Suchtforscher Spanagel.
In einem weiteren Raum sticht ein Glaskasten hervor, der mit einer bernsteinfarbenen Flüssigkeit gefüllt ist. Das ist schön anzusehen und doch provokant, denn die Künstlerin Sarah Schönfeld hat hier Harn aus dem Berghain gesammelt, einem der hippesten Clubs in Deutschland.
"Wir haben diese Arbeit in die Ausstellung genommen. weil dieser Harn ganz viel über uns sagt - und das ist auch die Intension von Sarah Schönfeld", erklärt Kuratorin Rockweiler. "Im Drogenmonitoring und bei Abwasseruntersuchungen sagt dieses Wasser, wie viel und was konsumiert wird."
Das ist künstlerische Symbolsprache, gepaart mit Erkenntnissen aus Neurowissenschaft und Suchtforschung. Und das darf auch mal schockieren. Ob das auch wirklich beim jungen Publikum ankommt, dafür will man sich auch mit Pädagoginnen und Pädagogen austauschen, so Rockweiler.
Die Ausstellung ist in Verbindung mit der Charité und der Suchthilfe in Thüringen entstanden. Es gibt ein Zusatzprogramm für Schulklassen und Studierende, Diskussionen mit und für Clubbesitzer und Clubberinnen, Vorträgen und es erscheint eine Publikation.
Quelle: MDR KULTUR (Sophie Hartmann), Presseinfo Defensionskaserne Petersberg
Redaktionelle Bearbeitung: op
Informationen zur Ausstellung
"On a Night Trip. Zwischen Glücksgefühl und Absturz"
20. Oktober bis 10. Dezember 2023
Defensionskaserne
Petersberg 15, 99084 Erfurt
Öffnungszeiten:
Täglich (außer Dienstag) von 11 bis 18 Uhr
Donnerstags von 11 bis 20 Uhr
Tickets: 10 Euro, ermäßigt 7 Euro, Schülerinnen und Schüler 3 Euro
Teilnehmende Künstlerinnen und Künstler:
Nevin Aladağ, Asana Fujikawa, Stefani Glauber, Anatol Hanau, Martin Parr, Adrian Piper, Alona Rodeh, Sarah Ancelle Schönfeld, Philipp Stöckel, Nasan Tur und Paula Wolber
Projektpartner:
Institut für Gesundheits- und Pflegewissenschaft der Charité, Universitätsmedizin Berlin
Präventionszentrum und Subcheck der Suchthilfe in Thüringen
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | MDR KULTUR am Morgen | 20. Oktober 2023 | 06:15 Uhr