Finanzbranche Barrierefreiheit ins Gegenteil verkehrt: Thüringer Sparkassen und Volksbanken bauen SB-Automaten ab
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22. Februar 2025, 17:20 Uhr
Wegen eines neuen Bundesgesetzes schließen einige Sparkassen und Volksbanken SB-Standorte - meist im ländlichen Raum. Das spüren nun die Kunden - wie ein Beispiel aus dem Weimarer Land zeigt.
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An diesem Vormittag ist gerade einiges los in dem kleinen Sparkassen-Raum am Markt in Buttelstedt im Weimarer Land. Binnen 20 Minuten geben sich sieben Kundinnen und Kunden die Klinke in die Hand. "Ich will eine Überweisung machen und Auszüge holen", sagt Silvia Rückert. Für sie ist der Ausflug hierher Routine.
Mit dem Auto macht sie eine kurze Runde aus dem Neubaugebiet in die Ortsmitte. "Dann mache ich meine Tour. Kaufhalle, Sparkasse." Kurze Wege seien wichtig, denn sie werde nicht jünger. Wie andere hat sie bereits davon gehört, dass die Sparkasse den Automaten für Kontoauszüge und Überweisungen abbauen will. "Gerade für ältere ist das nicht gut. Nicht alle haben ein Handy oder digitale Technik. Da müsste man sich ganz schön umstellen", sagt Rückert. Hinter ihr hängt in dem kleinen Raum der Sparkasse ein großes Plakat, das dafür wirbt, Bankgeschäfte per App zu erledigen.
Weite Wege für Kunden im ländlichen Raum
Gabriele Dünkel erwartet mehr Aufwand durch den Abbau. "Da muss man jetzt ständig nach Weimar fahren. Das hier ist für uns doch viel günstiger. Auf die Schnelle mal einen Kontoauszug holen oder Geld abheben." Das sieht David Maisel eigentlich genau so. Der Leiter des Vorstandsstabs bei der Sparkasse Mittelthüringen, zu der auch der SB-Bereich in Buttelstedt gehört, sagt, es gehe der Sparkasse dabei nicht ums Sparen oder den Abbau von Filialen auf dem Land.
Die Sparkasse hat aber bereits in einem Einkaufszentrum in Weimar-Schöndorf einen solchen Automaten abgebaut und plant das in den kommenden Monaten mit gut zehn weiteren Geräten in ihrem gesamten Geschäftsgebiet, das sich über die Kreise Weimarer Land, Sömmerda sowie Erfurt und Weimar erstreckt.
Derzeit gibt es noch etwa 70 solcher Geräte, 39 habe man im letzten Jahr noch einmal neu bestellt. Doch mehr sei nicht drin gewesen - und künftig wird der Hersteller keine neuen Geräte mehr herstellen, sagt die Sparkasse.
Anforderungen an SB-Automaten hoch
Grund sei das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz. Das ist 2021 beschlossen worden und tritt nach einer Übergangsfrist Ende Juni 2025 in Kraft. Ziel ist es, dass zahlreiche Geräte immer von allen Menschen genutzt werden können - auch von Rollstuhlfahrern, Blinden oder Gehörlosen. Um alle Anforderungen zu erfüllen, müssten die Geräte durch den Hersteller verändert werden - und das lohnt offenbar nicht mehr.
Denn die Zahl der Nutzer geht zurück - deswegen werden solche Geräte immer seltener durch Banken gekauft. Vor allem von Sparkassen und Genossenschaftsbanken, die noch im ländlichen Raum aktiv sind. Doch auch deren Bedarf geht durch immer stärkere Nutzung von Online-Banking zurück. Etwa 70 Prozent der Kunden nutzten inzwischen Online-Angebote, gibt der Ostdeutsche Sparkassenverband an, Tendenz steigend.
Schon seit mehreren Jahren müssen Rechnungsdaten nicht mehr manuell in den PC oder Automaten eingegeben werden. Moderne Banking-Apps auf Smartphones machen seit Jahren möglich, dass die Dokumente einfach fotografiert werden - und dann werden sie ausgelesen. Dass die Automaten auch deshalb weniger gefragt sind, beschleunigt nun zusammen mit dem neuen Gesetz ihr Sterben.
Problem trifft Volksbanken und Sparkassen gleichermaßen
Eine Stichprobe von MDR THÜRINGEN ergibt, dass auch der Bundesverband der Deutschen Volks- und Raiffeisenbanken (BVR), die gleichen Probleme mit solchen Automaten hat. Die Sparkasse Jena-Saale-Holzland gibt an, bei ihr seien in erster Linie Auszugsdrucker betroffen, von denen in nächster Zeit einige abgebaut werden sollten.
Keine Software-Updates mehr für alte Automaten
Die Sparkasse im Eichsfeld sieht erstmal keine Probleme. Doch warum die alten Geräte eigentlich nicht einfach weiter betreiben? David Maisel von der Sparkasse Mittelthüringen sagt, für besonders alte Geräte würden irgendwann einfach keine Software-Updates mehr entwickelt - und weil die Sicherheitsvorkehrungen streng sind, müssen sie dann irgendwann vom Markt genommen werden.
Bürgermeister: Ländlicher Raum wird benachteiligt
Keine gute Entwicklung aus Sicht des Bürgermeisters der Gemeinde Am Ettersberg, zu der auch Buttelstedt gehört. Thomas Heß (CDU) sagt: "Wir bekommen da ein Problem. Die älteren Leute gehen nach wie vor zu den Automaten. Wenn die verschwinden, wird der ländliche Raum wieder ein Stück weiter abgehängt."
Er erkennt an, das sei nicht die Schuld der Sparkasse, sondern quasi höhere Gewalt. Die Auswirkungen seien trotzdem negativ. "Die Spaltung zwischen Arm und Reich, zwischen Stadt und Land, sie schreitet wieder voran."
Die Spaltung zwischen Arm und Reich, zwischen Stadt und Land, sie schreitet wieder voran.
Thüringer Verbraucherzentrale kritisiert Sparkasse
Die Verbraucherzentrale Thüringen kritisiert die Sparkasse direkt: Nicht jeder könne und wolle mittels Internet-Diensten seine Bankgeschäfte erledigen. Eine Reduzierung des Automaten-Angebots schränke die Dienstleistungen der Sparkasse ein - und viele Menschen müssten dann eben Fahrtkosten in Kauf nehmen, wenn sie zu einer anderen Filiale fahren.
Vor allem ländliche SB-Standorte der Banken betroffen
Die Sparkasse hat sich die Standorte so herausgepickt: Dort, wo die Geräte am seltensten genutzt werden - das sind in der Regel ländliche Standorte. Aber auch in Weimar wird ein SB-Standort von einem solchen Abbau betroffen sein - auch weil es die Kunden hier im Zweifel nicht so weit bis zum nächsten Standort haben.
David Maisel von der Sparkasse Mittelthüringen sagt, niemand müsse für Überweisungen und Kontoauszüge in andere Orte fahren. "Überweisungen kann man sich auch schicken lassen. Das kostet nur das Briefporto, es gibt keine zusätzlichen Gebühren der Sparkasse." Das gelte auch für Überweisungen.
Die könnten natürlich auch per Post geschickt oder bei Gelegenheit eingeworfen werden - die Bearbeitung sei mit den Kontoführungsgebühren im Modell "GiroFlat" für 8,50 Euro abgegolten.
Fazit: Gesetz bewirkt eher Gegenteil von seiner eigentlichen Absicht
Doch am Ende bleibt der Eindruck: Das Ziel des Barrierefreiheitsstärkungsgesetzes ist es, möglichst viele Menschen teilhaben zu lassen. Erreicht wird das durch den schrittweisen Abbau von Automaten, die überwiegend von älteren Menschen genutzt werden, eher das Gegenteil, zumindest bei Bankgeschäften.
Maisel sagt: "Wir müssen dafür Rede und Antwort stehen. Und wir müssen erklären, warum wir nicht mehr überall solche Automaten haben."
MDR (flog/jw)
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 22. Februar 2025 | 19:00 Uhr
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