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Digitales und Finanzen Digitaler Euro, KI, Paypal und Co setzen Banken und Sparkassen zu

16. November 2024, 08:22 Uhr

Dienstleister wie Google Pay, Apple Pay, Klarna und PayPal machen Banken Konkurrenz. Ein Finanzwissenschaftler sagt: die Luft wird dünner für regionale deutsche Banken. Konkurrenz droht auch wegen einer EU-Idee: dem digitalen Euro. Er soll eine offizielle digitale Zahlmöglichkeit werden und zu mehr Unabhängigkeit von Weltkonzernen führen. Und dann ist da noch: Künstliche Intelligenz.

Ein großer Mann mit Locken und Brille steht vor einer Betonwand.
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Joachim Lauterbach ist ziemlich stolz auf das, was Valantic in Magdeburg macht. Lauterbach ist Geschäftsführer der Valantic Gruppe, die mit IT-Dienstleistungen für Banken 600 Millionen Euro Umsatz macht – 20 Millionen davon mit 140 Leuten in Magdeburg. Hier entwickelt und betreut Valantic eine Software, die den Wertpapierhandel zwischen Banken automatisiert abwickelt.

Mann mit Brille und hellblau-weiß kariertem Hemd lächelt in die Kamera
Joachim Lauterbach, Geschäftsführer von Valantic: "Software macht Banken effizienter." Bildrechte: valantic

"Damit sind wir weltweit die Nummer 2", sagt Lauterbach im MDR SACHSEN-ANHALT Podcast "digital leben". Manche Banken würden fünf Millionen Wertpapier pro Tag über die Software handeln. Sie hätte vor allem einen Vorteil: Sie mache alles effizienter. "Es ist um Stunden schneller geworden." Früher mussten Verkäufer mit mehreren potenziellen Banken als Käufer telefonieren, verhandeln und intern alles mehrfach und händisch überprüfen.

KI im Finanzwesen: Gefahr oder Chance?

Für die Zukunft sieht Lauterbach noch mehr Effizienzgewinne auf Banken zukommen – dank künstlicher Intelligenz. "Zum Beispiel als Co-Pilot für Mitarbeitende oder um weniger komplexe Geschäftsabläufe zu automatisieren oder um aus vielen Daten noch personalisiertere Kundenservices zu entwickeln."

Digital leben

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MDR SACHSEN-ANHALT Fr 06.12.2024 12:47Uhr 00:25 min

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Neben den positiven Seiten von KI sieht Lauterbach auch die negativen. "Es kann immer sein, dass KI-Algorithmen verzerren, insbesondere wenn die darunterliegenden Trainingsdaten unausgewogen sind." Das könne auch zu unlogischen Schlussfolgerungen und Ergebnissen führen. Aber dass eine KI im Bankenbereich selbständig gefährliche Produkte erfindet, sieht Lauterbach nicht: Eine KI könne nur etwas erfinden, wenn man sie lasse.

Trotzdem seien KI-Modelle mitunter intransparent und schwer nachvollziehbar. "Aber ich erwarte, dass eine Bank weiß, warum eine KI welche Entscheidung trifft." Man habe zwar bereits gesehen, dass algorithmische Handelssysteme Flash-Crashs erzeugen könnten, aber Lauterbach denkt nicht, dass es durch mehr KI in Banken zu systemischen Risiken für die ganze Finanzindustrie komme. "Wenn man es richtig einsetzt und es sauber reguliert, aber nicht überreguliert, dann kann KI eine wichtige Rolle in den nächsten zehn Jahren spielen."

Mann mit hellblauem, grauem Sakko und grauem Bart lächelt in die Kamera
Finanzwissenschaftler Elmar Lukas, Uni Magdeburg: "Wird KI auf Finanzmärkten eingesetzt, ändert sich dadurch der Markt." Können KI-Systeme damit umgehen? Bildrechte: Jana Dünnhaupt / Universität Magdeburg

KI im Finanzwesen: richtig trainiert?

Elmar Lukas ist Professor an der Uni Magdeburg. Er unterrichtet Financial Engineering und betreibt das FintechLab an der Uni. Er weist darauf hin, dass KI-Modelle nur auf Vergangenheitsdaten basieren können: "Sobald sie benutzt werden, um das Wissen in den Markt zu bringen, wird der Markt verändert und damit verändert sich auch das, was die KI gelernt hat."

Die Finanzkrise 2008 ist beispielsweise dadurch entstanden, dass Menschen Kredite für Häuser bekommen haben, die sie sich nicht leisten konnten. Eine KI hätte vielleicht genauso entschieden: Denn die Häuserpreise in den USA kannten jahrelang nur steigende Preise – auch ein Grund, weshalb Finanzprodukte damals von Rating-Agenturen gut bewertet wurden.

KI im Finanzwesen: große Konzerne profitieren

Lukas sagt, KI wird wohl vor allem sich wiederholende, manuelle Arbeiten in Banken ersetzen. Je mehr Daten es dafür gebe, umso besser sei eine KI. "Aber auf der anderen Seite muss richtig sein, was bei der KI herauskommt. Da bin ich vorsichtig, denn da haben wir noch viel zu lernen." KI könne nur funktionieren, wenn die Modelle gut seien.

Daten und gute KI-Modelle haben bislang vor allem große US-Konzern. Lukas sagt, Apple, Google, Facebook, WhatsApp und andere bauen an eigenen Zahlungssystemen. In Zukunft könnten Konzerne Kunden dann zum Beispiel günstigere Kredite oder Versicherungen anbieten. Das sei für Kunden sicherlich nicht schlecht. "Aber die entscheidende Frage ist: Braucht es dann irgendwann die Bank überhaupt noch?"

Digitalisierung im Finanzwesen: Massive Gefahr für deutsche Banken – und Mittelstand

Lukas sagt, die Digitalisierung mache die Bankenwelt gleich. Es wird kaum noch Bankangestellte geben, die Menschen beraten. "Bei uns wird das zu massiven Verwerfungen führen, da bin ich sicher. Und da sehe ich dann die Sparkasse in Gefahr. Und wenn die Bank in Calbe oder Umgebung weg ist, dann ist sie weg. Die kommt auch nicht wieder."

Das kann vor alle für mittelständische Unternehmen ein Problem werden. Kleine und mittelständische Firmen würden Bankdienstleistungen vor Ort brauchen – das könnten in Deutschland nur echte Banken in der Fläche, digitale Konzerne können das bislang nicht leisten, so Lukas.

Mann mit weißem Hemd, blauem Sakko mit weißen Einstecktuch und kurzen Haaren und Bart schaut in die Kamera
Stefan Polter, Autor und Bankdirektor: In welchem Rechtsrahmen agieren Apple und Co. in Finanzgeschäften und wie können Kunden die Konzerne erreichen? Bildrechte: Lukas Polter

Stefan Polter, Regionaldirektor bei der Münchener Hypothekenbank eG und als solcher für Sachsen-Anhalt zuständig, sieht eine weitere Gefahr, wenn sich Banken aus der Fläche zurückziehen: "Bei großen Konzern, Apple oder wer auch immer, da wissen wir gar nicht, welche Rechtslage dahintersteckt." Wenn eine Finanzierung nicht funktioniert, müsse man als mittelständischer oder privater Kunde in Irland oder woanders auf der Welt anrufen und sein Problem auf Englisch schildern. "Deswegen rede ich bei Volksbanken und Regionalbanken immer von guten Banken, die in der Region vernetzt sind, für die Region Finanzmittel zur Verfügung stellen und in und mit der Region wachsen."

Der digitale Euro: Schutz vor US-Konzernen?

Weil große Digital-Konzerne in die Finanzmärkte drängen, will auch die Europäische Union handeln: Als eine Art Abwehrmechanismus arbeitet sie am digitalen Euro. Der digitale Euro könnte als öffentliches und sicheres Geld im digitalen Zahlungsverkehr dienen und die Europäer weniger abhängig von privaten Anbietern machen. Denn bei Online-Zahlungen sind sie – und der Handel – vor allem auf US-Konzerne angewiesen. Die Gebühren für die Dienstleistungen werden dann in den USA verbucht.

Junge Frau mit langen dunkelblonden Haare lächelt
Carolina Melches, Bürgerbewegung Finanzwende: "Unser Finanzsystem ist kritische Infrastruktur. Dabei können wir es nicht hinnehmen, von nicht-europäischen Anbietern abhängig zu sein." Bildrechte: Finanzwende

"Wir haben noch keinen stabilen und fairen Finanzsektor für die breite Gesellschaft", sagt Carolina Melches von der "Bürgerbewegung Finanzwende". Die Organisation wurde vom ehemaligen Grünen-Bundestagsabgeordneten Gerhard Schick gegründet und versucht, neben der Finanzlobby der Gesellschaft eine Stimme auf den Finanzmärkten zu geben.

Deshalb sei es wichtig, über öffentliche Strukturen wie den digitalen Euro nachzudenken. "Mit Blick auf unser Finanzsystems als kritische Infrastruktur können wir es nicht hinnehmen, von nicht-europäischen Anbietern abhängig zu sein", sagt Melches im MDR SACHSEN-ANHALT Podcast "digital leben". Ein digitaler Euro könnte Verbrauchern eine Alternative zu privatwirtschaftlichen Angeboten bieten und den Wettbewerb entfalten.

Der digitale Euro: eine Gefahr für Regionalbanken und Sparkassen?

Elmar Lukas von der Uni Magdeburg und Autor und Banker Stefan Polter sind keine Fans des digitalen Euros. Er würde Banken noch weiter unter Druck setzen, befürchten sie. "Wenn die Europäische Zentralbank ein Konto für den Bürger ermöglicht und Zinsen gewährt, nützt das Vertrauen zu meiner Regionalbank nichts. Ich bringe den digitalen Euro dann zur Zentralbank, weil es dort drei Prozentpunkte mehr gibt", sagt Lukas. Es brauche kein zentrales europäisches System, den Zahlungsverkehr regelten die regionalen Banken gut. Stefan Polter sagt, der digitale Euro gehe an die Basis der Geschäftsbanken. "So könnte ein wichtiger Teil des Geschäfts der regionalen Banken verschwinden."

Carolina Melches von "Finanzwende" blickt auf das große Ganze: Anders als in der realen Welt sei Zugang zu Geld in der digitalen Welt ausschließlich über private Anbieter möglich, sagt Melches. "Es ist oft nicht mehr möglich, bestimmte Produkte im Einzelhandel oder im Internet mit öffentlichem Geld zu bezahlen. Wir sind diesen privaten Anbietern ausgeliefert." Das störe den Wettbewerb und schütze weder die Verbraucher noch das Finanzsystem.

"Europäische und deutsche Banken haben es verschlafen, sich an die Digitalisierung anzupassen und ein europäisches Zahlungssystem wie PayPal, Visa oder Mastercard zu schaffen", sagt Melches. Europäische Händler würden für diese Zahlungssysteme mit bezahlen – und Verbraucher mit ihren Daten.

MDR (Marcel Roth)

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