Mehrere Tanzende und Musizierende bewegen sich dynamisch auf einer Bühne. 7 min
Zum Volksliederabend "Kein schöner Land" überlässt das Ensemble vom Theater Rudolstadt das Thema Heimat nicht der AfD. Mehr dazu hören Sie im Interview mit Intendant Steffen Mensching. Bildrechte: Anke Neugebauer
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Nach dem starken Abschneiden der AfD bei der Landtagswahl stellt Steffen Mensching vom Theater Rudolstadt seine Arbeit der letzten 15 Jahre in Frage. Er erzählte Carsten Tesch von den Einflussmöglichkeiten des Theaters.

MDR KULTUR - Das Radio Di 03.09.2024 08:10Uhr 07:29 min

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Reaktionen Kulturschaffende sorgen sich nach den Landtagswahlen in Thüringen

03. September 2024, 15:28 Uhr

Bei der Landtagswahl in Thüringen hat die AfD mit über 30 Prozent die meisten Stimmen geholt. Auch wenn die Regierungskoalition noch nicht feststeht, zeigen sich Kulturschaffende im Land besorgt über die starken rechten Kräfte. Die Leiter der Bauhaus-Uni Weimar, der Gedenkstätte Buchenwald und des Theaters Rudolstadt haben bei MDR KULTUR über ihre Befürchtungen gesprochen.

  • Nach den Wahlen zum Thüringer Landtag befürchtet der Präsident der Uni Weimar Schwierigkeiten beim fachlich kompetenten Nachwuchs.
  • Das Theater Rudolstadt hinterfragt schockiert die eigene Arbeit der letzten Jahre.
  • Einigermaßen zuversichtlich zeigte sich der Intendant der Achava-Festspiele, angesichts einer demokratischen Mehrheit.

Thüringen hat einen neuen Landtag gewählt. Dabei gingen 32,8 Prozent der Stimmen an die AfD. Steffen Mensching, Intendant des Theaters Rudolstadt, bezeichnete die Ergebnisse bei MDR KULTUR als erschreckend. Dass ein Großteil der Thüringer Wähler einer Partei folge, die faschistische Tendenzen hat bzw. Leute in ihren Reihen hat, die man Faschisten nennen darf, sei schockierend.

Bedenken in Buchenwald und an der Uni Weimar

Peter Benz, Präsident der Bauhaus-Uni Weimar sorgt sich angesichts des großen Anteils an AfD-Stimmen vor allem um den fähigen Nachwuchs an seiner Einrichtung. Es werde schwieriger, die besten Köpfe, ob als Studierende oder Lehrende, ob aus dem Inland oder dem Ausland, nach Thüringen zu holen und sie dort zu halten, argumentierte er. Als Hochschule verstehe man sich als Raum des offenen, auf wissenschaftlichen Prinzipien basierenden Diskurses. "Dazu brauchen wir zwingend eine Vielfalt von Positionen und damit auch von Personen."

Ganz besonders macht uns Sorgen, dass es für uns schwieriger werden wird, unter diesen Vorzeichen die besten Köpfe nach Thüringen zu holen bzw. sie hier zu halten.

Peter Benz, Präsident der Bauhaus-Uni Weimar

Der Direktor der Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora, Jens-Christian Wagner, warnte vor dem geschichtsrevisionistischen Gedankengut, dass sich nun in den Köpfen weiter festsetzen werde. Besonders besorgt blickt er auf eine Regierungsbeteiligung der AfD. Dann wäre eine Reduktion des Haushalts der Gedenkstätten möglich, der aus Landesmitteln finanziert wird. "Das könnte im schlimmsten Fall bedeuten, dass wir unsere politisch historische Bildungsarbeit in Buchenwald und Mittelbau Dora einstellen müssen."

Jens-Christian Wagner,  Leiter der Gedenkstätte Buchenwald, ein Mann mit grauen Haaren, Brille und dunkler Kleidung, spricht auf der Demonstration.
Schon lange setzt sich Jens-Christian Wagner von der Gedenkstätte Buchenwald dafür ein, dass wir unsere Vergangenheit nicht wiederholen. Bildrechte: picture alliance/dpa | Hannes P Albert

Theater als Teil der Gesellschaft

Steffen Mensching vom Theater Rudolstadt stellt nach dem starken Abschneiden der AfD bei der Thüringer Landtagswahl seine Arbeit der letzten 15 Jahre in Frage und gibt zu: "Man fühlt sich persönlich angegriffen." Auch seine Verbundenheit zu Rudolstadt leide, "wenn jeder Dritte diese Partei gewählt hat, beginne ich zu fremdeln."

Von den Ergebnissen der Landtagswahl war Mensching trotzdem nicht überrascht. "Letztendlich ist das eingetreten, was viele erwartet bzw. befürchtet hatten", sagte er MDR KULTUR. Über die Ergebnisse zu klagen – davon hält Mensching wenig. Stattdessen müsse man versuchen, die Situation zu ändern und reagieren.

Steffen Mensching, ein Mann mit Brille udn Basecap, spricht in eine Mikrofon.
Theater allein kann die Politik zwar nicht beeinflussen, aber Grundlagen für Miteinander schaffen, findet Steffen Mensching vom Theater Rudolstadt. Bildrechte: MDR/Holger John

Theater allein könne die politische Meinung jedoch nicht ändern, erklärte Mensching. Man sei als Theater nur ein Teil der Gesellschaft. "Wir können nicht die Totalität der Gesellschaft verändern. Das müssen wir alle gemeinsam schaffen", argumentierte Mensching und spricht dabei Vereine, Kirchen und andere zivile Organisationen an. Besonders bei jungen Menschen könne Theater aber Orientierung geben. "Wenn man da Toleranz, Respekt und die Fähigkeit fördert, einander zuzuhören, miteinander im Gespräch zu bleiben, dann hat das Auswirkungen auf politisches Denken, auf soziales Denken."

Wenn jeder Dritte diese Partei gewählt hat, beginne ich zu fremdeln.

Steffen Mensching, Intendant am Theater in Rudolstadt

Fremdeln mit der Demokratie

An Erklärungen für die Ergebnisse versuchte sich Kay Kuntze, Generalintendant am Theater Altenburg-Gera. Er sagte, er habe den Eindruck, dass die Menschen zunehmend mit der Demokratie fremdeln würden und die Frage im Raum stehe, ob es Zeit für eine neue Gesellschaftsform sei.

Ich habe zunehmend den Eindruck, dass viele Menschen das Vertrauen in die Demokratie verloren haben.

Kay Kuntze, Generalintendant am Theater Altenburg-Gera

"Wir dürfen auch nicht vergessen: Die Demokratie in Deutschland ist ja so wahnsinnig jung, in der Bundesrepublik Deutschland gerade mal ein Menschenleben alt oder hier in den neuen Bundesländern gerade mal ein halbes Menschenleben alt."

Generalintendant Kay Kuntze im Theatersaal des Landestheaters Altenburg, dunkle, festliche Stimmung, Kronleuchter und Ränge im Hintergrund, im Vordergrund Porträt des Intendanten
Ein grundsätzliches Problem mit der Demokratie vermutet Kay Kuntze vom Theater Altenburg-Gera bei den Menschen. Bildrechte: Ronny Ristok

Er habe zunehmend den Eindruck, dass viele Menschen das Vertrauen in die Demokratie verloren hätten, erklärte Kuntze. Man würde sie als zu kompliziert und zu anstrengend wahrnehmen.

Demokratische Mehrheit macht Hoffnung

Der Intendant der Achava-Festspiele, Martin Kranz, blickt zwar mit Sorge auf das Ergebnis der Landtagswahl in Thüringen, zeigte sich im Gespräch mit MDR KULTUR aber dennoch zuversichtlich: "Wir haben immer noch 70 Prozent andere Wähler."

Waidblauen Fahnen auf der Krämerbrücke  Erfurt
Die Achava-Festspiele Thüringen setzen mit ihrem Programm jeden Herbst ein Zeichen für Toleranz und Dialog. Bildrechte: imago images/Steve Bauerschmidt

Für die Zukunft wünscht sich Kranz eine stabile, zuverlässige und demokratische Regierung in Thüringen, damit interkulturelle Bildungsprojekte wie die Achava-Festspiele weitergehen können.

Quellen: MDR KULTUR (Carsten Tesch, Vladimir Balzer)
Redaktionelle Bearbeitung: hro

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 03. September 2024 | 08:10 Uhr

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