Wahlen in Thüringen und Sachsen Kulturrat blickt mit Sorge auf Wahljahr 2024
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02. Januar 2024, 04:00 Uhr
Beim Deutschen Kulturrat blickt man mit Sorgen auf die 2024 anstehenden Wahlen in Sachsen und Thüringen. Umfragen zufolge könnte die AfD dabei neue Höchstwerte erreichen. Kulturrat-Chef Olaf Zimmermann fürchtet ähnliche Entwicklungen wie in Polen oder Ungarn, als dort rechte Parteien an die Regierung kamen. Der Kulturrat will daher eigene Initiativen stärken, fordert aber auch besseren Schutz der Kultur.
- Mit Blick auf die hohen Umfragewerte für die AfD fürchtet der Deutsche Kulturrat um die Kunstfreiheit.
- In Zukunft wollen die Kulturhäuser noch mehr zusammenarbeiten und offene Debattenräume schaffen.
- Das Ziel, Kultur stärker im Grundgesetz zu verankern, wird in dieser Legislaturperiode voraussichtlich nicht mehr erreicht werden.
Für die Kultur könnte das Wahljahr 2024 in Sachsen und Thüringen für große Probleme sorgen. "Ich habe das erste Mal richtig Angst vor demokratischen Wahlen", sagt Olaf Zimmermann, Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates, im Gespräch mit MDR KULTUR. Damit meint er vor allem die starken Umfragewerte der AfD in Thüringen und Sachsen. Dort finden 2024 Kommunal- und Landtagswahlen statt. In beiden Bundesländern werden die AfD-Landesverbände vom Verfassungsschutz als "gesichert rechtsextremistisch" eingestuft.
Ich habe das erste Mal richtig Angst vor demokratischen Wahlen.
Druck auf Kultureinrichtungen in Sachsen und Thüringen
Seine Sorgen begründet Zimmermann mit Erfahrungen aus anderen europäischen Ländern, in denen in den vergangen Jahren und Monaten rechtspopulistische Parteien an die Macht kamen – wie Polen, Italien oder Ungarn. "Der Kulturbereich ist der erste Bereich, der richtig bedrängt wird und wo gesagt wird: Da müssen wir sofort aufräumen." In Polen wurden beispielsweise Theaterintendanten ersetzt durch künstlerische Leiter, die der rechtspopulistischen PiS-Partei nahestehen.
Als Reaktion auf den drohenden Rechtsruck will der Kulturrat das Netzwerk "Die Vielen" wieder mehr unterstützen. Diese Aktion wurde 2017 gegründet, nachdem Kulturschaffende immer mehr von politisch rechten Kräften angefeindet und behindert wurden. Laut Zimmermann hat das Netzwerk das Ziel, "dass Menschen aus den anderen Kultureinrichtungen – nicht nur aus der nahen Umgebung, sondern aus ganz Deutschland – zur Hilfe eilen und sagen: Wir unterstützen euch, wir schützen euch."
Den Wert von Kultur schützen
Kulturhäuser sind für Zimmermann wichtige und schützenswerte Orte: "Wir sind diejenigen, die die Chance haben, auch zu Veränderungen mit beizutragen." Kultur müsse die Menschen in ihrer Lebensrealität erreichen und "Antworten auf gesellschaftliche Fragen geben". Darum dürften sich Kulturinstitutionen auch nicht vor der Bedrohung von Rechts einschüchtern lassen. "Wir wollen für die Bevölkerung die Orte sein, an denen sie diese Debatten führen können – und zwar in der gesamten Offenheit. Da müssen wir im Kulturbereich auch lernen, dass wir niemanden ausgrenzen dürfen."
Darum sieht Zimmermann auch die Bundesregierung in der Pflicht, die Kultur zu schützen. Eigentlich wollte die Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP den Schutz der Kultur im Grundgesetz verankern. Doch Zimmermann hat nur wenig Hoffnung, dass dieses Ziel in der laufenden Legislaturperiode noch erreicht wird, nachdem sich zuletzt die CDU von diesem Vorhaben wieder distanziert hat.
"Ich hoffe, dass das keine dauerhafte Entscheidung ist", kommentiert Zimmermann bei MDR KULTUR. Denn für eine Grundgesetzänderung sind zwei Drittel der Stimmen im Bundestag erforderlich. Das ist ohne die Opposition nicht gegeben. Daher müsse er "leider davon ausgehen, dass wir in dieser Legislaturperiode das Staatsziel Kultur nicht bekommen, obwohl wir es so dringend brauchen würden."
KI und andere offene Fragen
Für den Kulturrat steht 2024 auch das Thema Künstliche Intelligenz auf der Agenda. "Es kann ja ein Segen sein für viele, aber auch ein Fluch", erklärt Zimmermann. Ein komplexes Problem sieht er im Urheberrecht: Viele KI sammeln Daten und Wissen im Internet, um Mechanismen zu verstehen oder Fertigkeiten zu lernen. "Sie lernt quasi aus dem, was die Kulturschaffenden im Netz bereitstellen - sie nimmt es weg, um uns dann noch um unsere Arbeitsplätze zu bringen", so Zimmermann. Davor soll der Gesetzgeber die Kunst- und Kulturschaffenden besser schützen. Zuletzt hat das Thema große Aufmerksamkeit erhalten, als in Hollywood Filmschaffende unter anderem gegen KI-generierte Drehbücher protestierten.
Auch andere Themen aus dem Jahr 2023 werde die Kulturlandschaft im Jahr 2024 ebenfalls weiter begleiten, wie Restitutionen, die Aufarbeitung des Kolonialismus und Antisemitismus. Dabei sei auch sehr hitzig gestritten worden, berichtet Zimmermann: "Wir müssen schauen, dass wir im nächsten Jahr manche Themen ein wenig kühler besprechen können, sodass die Gespräche überhaupt zu einem Ergebnis kommen können. Wir haben so viele Herausforderungen, da müssen wir uns im Kulturbereich stärker unterhaken und auch gemeinsam Positionen erarbeiten."
Quelle: MDR KULTUR (Ben Hänchen)
redaktionelle Bearbeitung: ths
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | Kultur kompakt | 02. Januar 2024 | 08:30 Uhr