Fest, Medaillen, Dauerstreit So geht es Goethe in Weimar zum 275. Geburtstag

• Die Klassik-Stiftung Weimar will Goethe künftig stärker als Naturwissenschaftler in den Blick nehmen.
• Der Prozess um das Haus der Frau von Stein wird erst im Oktober fortgeführt.
• Zum Geburtstag des Dichters werden in Weimar die Goethe-Medaillen verliehen und ein Fest veranstaltet.

In Weimar wird der 275. Geburtstag von Johann Wolfgang Goethe gefeiert. Die Klassik-Stiftung Weimar möchte den Anlass nutzen, um den Dichter künftig neu denken, wie dessen Präsidentin Ulrike Lorenz bei MDR KULTUR erklärte. Bei der Neukonzeption des Goethe-Nationalmuseums wolle man Aspekte stärker in den Fokus rücken, "die bislang zu wenig in Weimar behandelt werden."

In dem Museum am Frauenplan, das ab 2026 zusammen mit dem Goethe-Haus saniert und neu gestaltet werden soll, wolle man künftig Goethes Beschäftigung mit der Natur in den Vordergrund rücken. Grund sei, dass der Schriftsteller sich zeitweise selbst stärker als Naturwissenschaftler begriffen habe. Geplant sei unter anderem, erstmals nach Jahrzehnten die Gartenpavillons zu öffnen, in denen Goethe als Naturforscher gearbeitet habe.

Die Literatur soll laut Lorenz im Goethe-Nationalmuseum in Zukunft weiterhin eine wichtige Rolle spielen. Ziel sei es, Goethe als "Dichter ernster zu nehmen und stärker anzuhören, was er uns an Impulsen auch für das Heute mitgibt", um so auch junge Generationen zu erreichen. Im Zuge der Sanierung des Unesco-Welterbes würden deshalb völlig neue Vermittlungsangebote geschaffen, um Goethes naturwissenschaftliches wie literarisches Werk für das Heute zu öffnen.

Für die Sanierung und Neugestaltung des Goethe-Hauses und -Museums werden nach offiziellen Angaben 45 Millionen Euro veranschlagt. Lange war die Finanzierung des teuren Projekts unklar: Nachdem das Land Thüringen sowie diverse Dekmalstiftungen signalisiert hatten, Kosten zu übernehmen, beschloss der Bundestag im November vergangenenen Jahres schließlich, die fehlenden 17 Millionen Euro bereitzustellen.

Zu Goethes 275. Geburtstag ist sein ehemaliges Wohnhaus am Frauenplan nicht die einzige barocke Immobilie, die für Diskussionsstoff sorgt. Nach wie vor ist der jahrelange Streit um das Haus der Frau von Stein nicht beigelegt: Zwar wurde der Stadt Weimar im Juni dieses Jahres das Rückkaufsrecht für das einstige Wohnhaus von Goethes Freundin Charlotte von Stein zugesprochen. Gegen dieses Urteil des Landgerichts Erfurt hat der Investor, dem das Gebäude seit 2008 gehört, jedoch inzwischen Einspruch eingelegt.

Die Stadt Weimar kämpft seit Jahren um den Rückerwerb des Hauses der Frau von Stein, in dem einst Goethes Freundin Charlotte von Stein wohnte. Bildrechte: picture alliance/dpa | Hendrik Schmidt

Wie Weimars Oberbürgermeister Peter Kleine bei MDR KULTUR sagte, werde der Prozess im Oktober fortgeführt. Er hoffe, dass "dort weitere Klarheit erfolgt, wie es mit dem Haus weitergeht." Die Richterin des Erfurter Landgerichts habe deutlich klar gemacht, dass sie grundsätzlich die Rechtsauffassung der Stadt Weimar teile. Strittig sei allerdings noch die Frage, in welcher Höhe der Ausgleich am Ende zu zahlen sei.

Das denkmalgeschütze Gebäude droht nach der Darstellung der Stadtverwaltung, zunehmend zu verfallen. Der jetzige Eigentümer hatte das Gebäude ursprünglich gekauft, um dort ein Museum zu errichten. Entgegen einstiger Kaufverträge habe er jedoch kaum investiert und Vereinbarungen nicht eingehalten, heißt es seitens Stadtverwaltung in Weimar.

An Goethes Geburtstag verleiht das Goethe-Institut traditionell Medaillen an Menschen, die sich besonders mit dem Werk des Dichters auseinandergesetzt oder sich im Ausland um die deutsche Sprache verdient gemacht haben. 2024 werden die mazedonische Festivalorganisatorin Iskra Geshoska, die chilenische Theaterfestival-Chefin Carmen Romero Quero und die mexikanische Übersetzerin Claudia Cabrera ausgezeichnet. Die Preisträgerinnen erhalten die Medaillen im Rahmen des Kunstfests Weimar und stellen ihre Arbeit zudem im Programm des Festivals vor.

Neben der Verleihung der Medaillen findet am 275. Geburtstag von Goethe ein Fest vor seinem Wohnhaus am Frauenplan statt. Auch wenn Goethe am 28. August 1749 in Frankfurt am Main und nicht in Weimar geboren wurde, gibt es aus Sicht von Ulrike Lorenz von der Klassik Stiftung kaum eine andere Stadt, "wo der Geburtstag eines irdischen Geistes das Jahr so strukturiert wie sonst nur Weihnachten und Ostern."

Am Nachmittag werde im Rahmen der Feierlichkeiten eine Kartoffeltorte nach einem Rezept aus der Goethe-Zeit angeschnitten. Außerdem werde eine Podiumsdiskussion veranstaltet sowie ein Workshop angeboten, bei dem man sich zu Gedichten bewegen könne. Man wolle Teilnehmende "sozusagen leibhaftig spüren lassen, dass Poesie auch etwas mit Körperbewegung zu tun" habe, sagte Lorenz. Junge Menschen seien beim Fest eingeladen, sich den Dichter als Influencer zu erschließen.

Die Goethe-Medaille wird seit 1955 verliehen. Die Ehrung des Goethe-Instituts gilt als der wichtigste Preis der auswärtigen Kulturpolitik. Bildrechte: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | arifoto UG

Goethes Spuren führen in Thüringen nicht nur nach Weimar, sondern auch nach Ilmenau. Wie eine Mitarbeiterin des dortigen Stadtmuseums bei MDR KULTUR erklärte, wurde Goethe vom Herzog einst in den kleinen Ort im Thüringer Wald entsandt, um den Bergbau wiederzubeleben. Außerdem habe ihm "die Natur geholfen, Ruhe zu finden". Heute erinnert der 20 Kilometer lange Goethe-Wanderweg an sein Wirken in der Region, aber auch an seine Lieblingsplätze – nicht nur an seinem Geburtstag, sondern das gesamte Jahr über.

Quellen: MDR Thüringen (Lisa Wudy), MDR KULTUR (Blanka Weber, Ellen Schweda), Pressemitteilung des Goethe-Instituts
Redaktionelle Bearbeitung: vp