Fakten-Check Wird Wahlwerbung für Sachsens Ministerpräsident aus dem Staatshaushalt bezahlt?
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23. Juni 2024, 11:00 Uhr
Die AfD wirft Sachsens Ministerpräsidenten vor, dass er seine Wahlwerbung mit Geldern aus der Staatskanzlei bezahle. Aber ist dem wirklich so? Der MDR hat nachgefragt.
- Für eine Werbekampagne hat der Freistaat rund 18 Millionen Euro Steuergelder in drei Jahren ausgegeben.
- Gelder aus dem Staatshaushalt dürfen nicht für Wahlwerbung verwendet werden.
- Beobachter stellen aber klar: In der Praxis verschwimmen die Grenzen zwischen Öffentlichkeitsarbeit und Wahlkampfhilfe.
Es sind beträchtliche Millionensummen, die der Freistaat Sachsen für Werbung ausgibt. Allein rund 29 Millionen Euro waren es im Zeitraum von 2019 bis 2022. Das geht aus der Antwort auf eine parlamentarische Anfrage der AfD hervor. Der größte Anteil entfiel in diesem Zeitraum auf die Staatskanzlei mit mehr als 60 Prozent. Damit wurde unter anderem die Kampagne "So geht sächsisch" finanziert. Rund 18 Millionen Euro flossen hier.
Öffentlichkeitsarbeit für den Staat
In dieser Kampagne tritt auch Ministerpräsident Michael Kretschmer als Werbeträger auf. Dies sei ein Beispiel, wo die Grenzen hin zur Wahlwerbung verschwimmen, sagt Aurel Eschmann von der Transparenz-Initiative namens Lobby Control: "Minister oder Ministerpräsidenten sollen ja durchaus Öffentlichkeitsarbeit machen für ihre Position und den Staat. Das ist wichtig und gehört zu einer modernen Regierungsführung dazu. Aber die Grenzen sind eben fließend und da ist es oft schwierig, zu beurteilen."
Öffentlichkeitsarbeit gehört zu einer modernen Regierungsführung.
Verboten sei es prinzipiell, Gelder aus dem Staatshaushalt für den Wahlkampf zu benutzen, so Eschmann weiter. Das sei im Grundgesetz geregelt und es gäbe dazu klare Rechtssprechung vom Bundesverfassungsgericht. Aber es gebe einen Graubereich.
"Wenn zum Beispiel ein Minister die Ausgaben des Ministeriums für PR oder Fotografien in die Höhe schraubt und sagt, es ist für die Öffentlichkeitsarbeit des Ministeriums aber es dreht sich sehr stark um seine eigene Person, dann kann das im Einzelfall schon als Wahlkampf gewertet werden." Hier gebe es einen großen Bereich, wo nicht klar sei, ob es sich noch um Öffentlichkeitsarbeit in der Position als Amtsinhaber oder bereits um Wahlkampf in eigener Sache handle.
Amtsinhaber hat den Bonus
In der politischen Praxis sei das natürlich auch der Tatsache geschuldet, dass eine Regierung von bestimmten Parteien getragen werde, erklärt dazu Adrian Nennich von der Antikorruptions-Organisation "Transparency International". Wenn die Regierung dann ihre Erfolge und Tätigkeiten kommuniziere, hätten natürlich auch die Amtsinhaber einen gewissen Bonus.
"Politikwissenschaftler sprechen eben von einem Amtsinhaberbonus, der daher kommt, dass die Parteien oder die Personen durch ihre Funktion verstärkt in der Öffentlichkeit stattfinden und wahrgenommen werden. Politische Herausforderer und Neulinge haben es da natürlich erst einmal schwerer, sich bekannt zu machen." Das sei Teil des politischen Spiels, so Nennich.
Schaut man sich die Öffentlichkeitsarbeit des sächsischen CDU-Ministerpräsidenten an, so gäbe es grundlegend keine Hinweise auf ein Fehlverhalten bei der Wahlwerbung, findet Nennich. "Auf den ersten Blick würde ich bei den Kommunikationskanälen der sächsischen Staatsregierung nicht sagen, dass da etwas anrüchig ist. Es ist nicht erkennbar, dass dort ungerechtfertigt zum Vorteil einer bestimmten Partei kommuniziert wird."
Grenzen verschwimmen in der Praxis
Fazit: Es ist gesetzlich nicht erlaubt, dass Regierungschefs Gelder aus dem Staatshaushalt für eigene Wahlkampfzwecke verwenden. Aber es verschwimmen in der Praxis die Grenzen in der öffentlichen Kommunikation; die Grenzen zwischen der Information über die Regierungsarbeit und der Präsentation als politischer Kandidat.
MDR (ama)
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | 21. Juni 2024 | 06:17 Uhr