Sächsischer Ministerpräsident Kretschmer will Russland-Reise für Dialog nutzen
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20. April 2021, 13:49 Uhr
Russland hat zehntausende Soldaten ins Grenzgebiet zur Ukraine verlegt. In der EU und der Nato fragt man sich: Was hat Russland vor? Die Sanktionen der EU gelten weiter, aber am Mittwoch nun reist Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer nach Russland zur Eröffnung einer Ausstellung. Aber auch politische Gespräche sind geplant. Was sagt Kretschmer über die bevorstehende Reise?
Es wäre so einfach, als politischer Gegner auf Michael Kretschmer einzudreschen, ihm vorzuwerfen, dass Sachsen seine eigene, russlandfreundliche Außenpolitik betreibe. Der außenpolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, Omid Nouripour, vertraut dem Sachsen allerdings: "Ich habe Kretschmer stets kennengelernt als einen, der in den Fragen von Außenpolitik sehr genau wusste, dass die Fragen von Menschenrechten nicht irgendwelche Gänseblümchen-Themen, sondern hoch relevant sind." Der Kreml müsse deeskalieren in der Ukraine, der Kreml sei verantwortlich für die körperliche und seelische Unversehrtheit von Alexej Nawalny, sagt Nouripur und fordert: "Deshalb ist es dringend notwendig, dass Kretschmer, wenn er denn findet, dass er in diesen Zeiten dahin fahren muss – was nicht per se falsch sein muss – das alles auch sehr klar und deutlich anspricht."
Und Michael Kretschmer, dem manchmal nachgesagt wird, ein "Russland-Versteher" zu sein, ist sich des brisanten Zeitpunkts seiner Reise offenbar sehr bewusst: "Es reicht, glaube ich, ein kleiner Funke, um diesen Konflikt im Donbass wieder zum Brennen zu bringen, explodieren zu lassen. Und wir appellieren an die russische Seite, diesen Konflikt nicht von ihrer Seite eskalieren zu lassen", sagt der CDU-Regierungschef.
Gemeinsame Ausstellung als Türöffner
Es werde nicht mehr viel gesprochen zwischen Europa und Russland und da wolle er die Eröffnung der gemeinsamen Ausstellung der Tretjakow-Galerie mit den staatlichen Kunstsammlungen Dresdens zum Dialog nutzen: "Ich glaube, das In-die-Augen-Gucken und das miteinander Sprechen ist schon wichtig. Diese Ausstellung ist beeindruckend, sie ist spektakulär, und sie ist eine Möglichkeit, ein Türöffner, um über andere Sachen zu sprechen." Unter anderem mit dem russischen Gesundheitsminister, dem Ministerpräsidenten, aber auch mit Vertretern der russischen Opposition und Zivilgesellschaft, kündigt Kretschmer an.
Im Gefolge hat er dabei eine große sächsische Wirtschaftsdelegation. Die Unternehmer hätten wegen Corona ihre russischen Partner seit einem Jahr nicht mehr treffen können und seien daher dankbar, endlich wieder in persönlichen Kontakt treten zu können.
Doch sollte man deren Hoffnungen von vornherein dämpfen, sagt der außenpolitische Sprecher der Union im Bundestag, Jürgen Hardt: "Ich finde, dass wir eine harte, einheitliche Haltung gegenüber Russland brauchen, aber ich habe auch immer gesagt, dass der Dialog mit Russland notwendig ist." Er glaube, dass man die Wirtschaft in Deutschland auf das richtige Gleis setzen müsse und dass sich die Wirtschaftsbeziehungen zu Russland nicht in dem Maße entwickelten, wie es noch vor einigen Jahren zu erwarten war. Hardt hat aber keinen Zweifel, dass Kretschmer und die anderen Vertreter der Delegation den richtigen Ton gegenüber Russland finden würden.
Verbindung zu Russland nicht auf Kosten der EU
Um den richtigen Ton werde er sich bemühen, sagt der sächsische Ministerpräsident im Interview. Sachsen wolle seine langjährigen engen Verbindungen zu Russland einbringen, aber nicht auf Kosten der EU, der Nato oder der Außenpolitik der Bundesregierung: "Wir sind eingebunden in ein westeuropäisches Bündnis und das ist absolut richtig und notwendig. Trotzdem haben wir Russland als einen riesigen Nachbarn, der unser Leben hier in Europa beeinflusst, und dem muss man sich stellen."
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 20. April 2021 | 06:00 Uhr