Interview Kretschmer: Der Osten hat eine eigene Sichtweise auf Russland
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Sachsens Ministerpräsident Kretschmer hat die Kritik an seinem Treffen mit Russlands Präsident Putin zurückgewiesen. Im Gespräch mit MDR SACHSEN erneuerte Kretschmer seine Forderung, die Sanktionen gegen Russland einzustellen.
Warum fordern Sie ein Ende der Russland-Sanktionen? Wäre es vielleicht nicht erst einmal ratsam, den Ukraine-Konflikt zu lösen?
Seien Sie versichert, dass wir auch sehr intensiv über diese schwierige Frage in der Ukraine gesprochen haben. Und dass wir auch deutlich gemacht haben, dass Russland da eine zentrale Verantwortung hat. Aber ich führe diese Gespräche – dass das auch ganz klar ist – mit einer ganz großen positiven Zugewandheit zu Russland und den Menschen, die da leben. Mein Interesse ist, dass wir eng zusammenarbeiten, dass wir nicht den Konflikt weiter schüren, sondern dass wir zu einem vernünftigen Miteinander kommen.
Nach fünf Jahren Sanktionen sehen wir auch die vielen Tatbestände der Umgehung, die möglich sind. Das muss auch in dieser Debatte offen angesprochen werden. Und deswegen sollten diejenigen, die sich jetzt zu Wort melden und das mit sehr erhobenem Zeigefinger tun, auch zur Kenntnis nehmen, dass es in den neuen Bundesländern eine eigene Meinung zu dieser Frage gibt, die gleichberechtigt neben anderen steht.
Sie haben kein außenpolitisches Mandat. Was erhoffen Sie sich von der Forderung?
Ich habe eine klare Position. Wir müssen die Dinge ansprechen, wie sie sind, aber in einem positiven Verhältnis. Wir brauchen die Befriedung des Ukrainekonflikts, in dem jeden Tag Menschen sterben. Aber wir wollen, dass die Sanktionen so schnell wie möglich enden. Weil wir nur, wenn wir gemeinsam wirtschaftlich zusammenarbeiten, eine gute Zukunft haben. Und ich will das auch ganz deutlich sagen, Nordstream 2 ist ein eigenes Thema. Das muss kommen, wir wollen diese Pipeline haben.
Sie liegen jetzt nicht auf Bundesparteilinie und nicht auf Linie der Bundesregierung. Haben Sie keine Bedenken, dass Sie den Unmut auf sich ziehen könnten? Zum Beispiel schreibt Wolfgang Ischinger, Sie würden mit Ihrer Forderung Deutschland und sich selbst schaden. Was sagen Sie dazu?
Herr Ischinger hat ein großes Selbstbewusstsein. Und es fällt ihm schwer zu akzeptieren, dass es auch andere Meinungen und Positionen gibt. Das sollte er aber tun. Wir haben hier in den neuen Bundesländern eine besondere Sichtweise in Richtung Osteuropa. Wir kennen die Gefühle der Menschen, wir kennen auch die Geschichte und wir wollen die Dinge beim Namen benennen. Wir tun das aber nicht mit Vorhaltungen und auch nicht mit einer gewissen Überheblichkeit, sondern wir wollen diese Konflikte in einer vernünftigen Art und Weise lösen. Und ich finde manches in der Debatte, zum Beispiel auch über Nordstream 2, hat den Zungenschlag von amerikanischen Interessen. Das kann nicht richtig sein. Wir haben hier ein europäisches Interesse zu diskutieren und deshalb muss diese Pipeline zum Beispiel kommen.
Welche Rückmeldungen haben Sie zum Thema Sanktionen bekommen?
Wir sind uns hier einig. Es kann nur eine gemeinsame Zukunft geben, wenn der Ukrainekonflikt geklärt wird. Und deshalb muss man auch an die Verantwortung von Russland immer wieder appellieren. Das haben wir getan. Auf der anderen Seite geht es darum, in welcher Art und in welchem Ton wir miteinander sprechen. Gespräche sind gerade in dieser Zeit sehr sehr wichtig. Und deshalb war diese Reise von Manuela Schwesig und mir auch so wichtig. Und Peter Altmaier hat es auch noch einmal betont: Wir wollen die Kooperation, wir wollen die Zusammenarbeit. Dafür ist die Lösung des Ukrainekonflikts zentral. Aber wir wollen auch im selben Umfang darüber sprechen, ob die Sanktionen, wie sie jetzt stattfinden, ihr Ziel erfüllen. Ob es nicht Umgehungstatbestände gibt und wie man sie Schritt für Schritt abbauen kann. Wir sehen, immer dann, wenn wirtschaftliche Kooperationen eng und stark sind, ist auch die Zahl der Konflikte reduziert.
Ich finde die ganze Diskussion, die wir derzeit führen, auch die Wortmeldungen jetzt auf meine Reise, haben etwas Überhebliches und etwas, was mich sehr verstört. Es fehlt nur noch, dass jemand sagt, weil er mal Russisch gelernt hat in der Schule, hat er jetzt so eine Position.
Was erhoffen Sie sich von der Einladung Wladimir Putins nach Dresden?
Ich finde, gerade dann, wenn es schwierig ist, wenn man nicht in jeder Frage einig ist, muss man miteinander reden und nicht übereinander. Ich würde mich freuen über den Besuch von Wladimir Putin in Dresden, in Sachsen, um diese Gespräche fortzusetzen.
Quelle: MDR/dk/dw
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Dieses Thema im Programm bei MDR SACHSEN MDR SACHSENSPIEGEL | 08.06.2019 | 19:00 Uhr