Außenansicht eines Gefängnisses 4 min
Audio: Flüchtlingsorganisationen fordern Prüfung von Abschiebehaft Bildrechte: IMAGO / xcitepress

Asylpolitik Grüne und Flüchtlingsrat kritisieren Abschiebehaft und Ausreisegewahrsam

19. Juni 2024, 05:00 Uhr

Am heutigen Mittwoch treffen sich die Innenminister der Länder – auf der Tagesordnung steht das Thema Abschiebungen. Zu den Instrumenten, mit denen Abschiebebescheide vollzogen werden, gehören "Abschiebehaft" und "Ausreisegewahrsam". Flüchtlingsorganisationen und Grüne sehen diese kritisch.

Es ist gesichert wie eine Festung, dieses flache Bürogebäude in der Dresdner Friedrichstadt: Gitterfenster, hoher Zaun, Videokameras. Auf den ersten Blick sieht es aus wie ein Gefängnis. Doch hier sitzen Menschen in Haft, die abgeschoben werden sollen, erklärt Valerie Eckl, Sprecherin der zuständigen Landesdirektion. "Es ist eine Einrichtung, wo vollziehbar ausreisepflichtige Personen untergebracht werden, bevor sie abgeschoben werden. Normales Leben minus Freiheit ist das Grundprinzip."

Leben in Abschiebehaft erinnert an Gefängnis

Bis zu 58 Menschen können in Dresden eingesperrt werden. Es sind selten Straftäter, fast immer Männer, meist Tunesier, Georgier, Algerier, Pakistaner oder Marokkaner. "Die haben dort ihr Zimmer, ihren Bereich, Bett, Stuhl, Tisch, Schrank, Waschbecken, und dann gibt es noch die weiteren Räumlichkeiten in der Einrichtung, innerhalb derer sie sich auch bewegen können", erklärt Eckl.

Die Landesdirektion will nicht von einem Gefängnis sprechen. Petra Cagalj-Seidj dagegen schon. Die migrationspolitische Sprecherin der Grünen im Landtag hat die sächsische Abschiebezentrale bereits von innen gesehen und fordert, die Einrichtung abzuschaffen, aus Gründen der Menschlichkeit. Denn "es sind Zellen, die abgeschlossen werden, es sind Zellen wie Gefängniszellen, es gibt Einschränkungen, Telefone, die internetfähig sind, sind nicht erlaubt, man hat keine Möglichkeit, Kontakt aufzunehmen. Besuch ist möglich, aber nur eingeschränkt, Beratung ist möglich, aber nur eingeschränkt." Sie glaube nicht, dass die Menschen, die dort einsäßen, einen Unterschied spüren zu einem normalen Strafvollzug, so Cagalj-Seidj.

Keine Straftaten begangen

Das rechtliche Problem ist: Grundsätzlich ist in Deutschland ein Strafverfahren Voraussetzung für eine Haft. Doch ein solches haben die Insassen nie erhalten. Sie sind deshalb gefangen, weil sie Deutschland verlassen müssen und weil eine Behörde und ein Richter Abschiebehaft oder Ausreisegewahrsam angeordnet haben. Wenn sich Geflüchtete etwa mit falschen Papieren ausweisen oder wenn sie die Bundesrepublik verlassen müssen, aber Fluchtgefahr besteht, wird Abschiebehaft angeordnet. Für ein Ausreisegewahrsam reicht es schon, wenn die Behörden vermuten, dass man sich der anstehenden Abschiebung zu widersetzen versuchen könnte.

Auch Geflüchtete, die nicht deutlich genug Asyl verlangen, können in der Abschiebezentrale landen, kritisiert Dave Schmidtke vom sächsischen Flüchtlingsrat. "Es ist aktuell eine große Gefahr, dass Menschen, die bei Grenzkontrollen aufgegriffen werden und in dem Moment bei der Bundespolizei ein falsches Wort sagen, dass diese direkt ins Gefängnis geraten." Die Inhaftierten hätten de facto keine Straftat begangen und seien nicht per se gefährliche Menschen. "Es sind Menschen, die – beispielsweise von der Härtefallkommission oder ähnlichen Interventen – noch einen Aufenthalt bekommen können."

Übrigens: Für ausländische Straftäter ist weder die Abschiebehaft noch der Ausreisegewahrsam gedacht. Denn, wer in der Bundesrepublik eine Straftat begeht, kommt vor Gericht und bei einer Verurteilung ins Gefängnis. Das gilt auch für den Täter von Mannheim, ein Afghane, der mit einer lebenslangen Freiheitsstrafe in einem deutschen Gefängnis rechnen muss. Erst nach der Strafe droht ihm die Abschiebung.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | MDR AKTUELL RADIO | 19. Juni 2024 | 06:09 Uhr

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