Gaming-Messe Caggtus Der Alltag sächsischer Streaming-Profis: Zocken und Zeichnen unter Beobachtung
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05. April 2024, 09:00 Uhr
Nach einem erfolgreichen ersten Jahr will die Caggtus für Gaming-Fans erneut eine bunte Messe in Leipzig präsentieren. Wie schon beim Debüt legt das Event einen besonderen Fokus auf Streamer und Streamerinnen, die via Plattformen wie Twitch oder Youtube live ihre Lieblingstitel spielen. MDR SACHSEN hat mit zwei Streamerinnen aus Sachsen über ihre Leidenschaft gesprochen und erfahren, warum sie manchmal trotz fehlender Motivation vor die Kamera gehen.
Die Streaming-Karriere von "Josy" beginnt in ihrem Kinderzimmer. Seit der 5. Klasse zeichnet die Dresdnerin regelmäßig und später filmt sie sich auch dabei, wie aus groben Bleistiftlinien fertige Porträts und Landschaftsgemälde werden.
Die zusammengeschnittenen Videos landen bei Youtube. Dort fehlt ihr aber irgendwann die direkte Interaktion mit ihrem Publikum, erzählt die 26-Jährige.
Sie wechselt zur Streaming-Plattform Twitch, wo Zuschauer und Zuschauerinnen ihr in voller Länge live beim Zeichnen zusehen können. "Mich fasziniert einfach die Art und Weise wie man im Livestream miteinander umgehen kann. Man kann das, was man liebt, im Internet teilen und findet schnell Gleichgesinnte. Das ist einfach etwas komplett anderes, als wenn man ein Video schaut".
Caggtus 2024 wieder mit Fokus auf Streaming
Seit 2017 arbeitet sie als selbstständige Grafikdesignerin und ist mit ihrem Kanal Teil des Twitch-Partnerprogramms, womit sie mit ihre Arbeit leichter Geld verdienen kann. Durchschnittlich schauen ihr etwa 130 Menschen zu, wenn sie zu Stift und Papier greift.
"Josy" (Name ist der Redaktion bekannt) ist einer von vielen Streamerinnen und Streamern, die die vor Kurzem gestartete Messe Caggtus in Leipzig besuchen wird. Als Teil der offiziellen "Stream Area" wird sie neben bekannten deutschen Streamern wie "Maxim" oder "PhunkRoyal" auftreten.
Twitch vor allem bei Jüngeren beliebt
Dabei wird sie durchaus einen Sonderstatus innehaben. Denn die Caggtus und das Livestreaming-Geschäft im Allgemeinen konzentrieren sich zuerst auf Inhalte, die Videospiele in irgendeiner Form abbilden. "Das Streamen von Kunst auf Twitch ist nach wie vor eine Nische und spricht nicht so viele Menschen an wie Gaming", sagt "Josy". Dafür sei es aber auch eine Chance, in einem kleineren Markt erfolgreich zu sein.
Viele der weltweit größten Streaming-Stars mit Millionen Fans sind über das Spielen von Videospielen berühmt geworden. Twitch selbst wurde damit ebenfalls immer attraktiver, 2014 kaufte der Online-Versandhändler Amazon die Plattform für knapp eine Milliarde US-Dollar.
Laut der repräsentativen Studie ARD/ZDF-Massenkommunikation Trends 2023 nutzen rund sechs Prozent der Deutschen ab 14 Jahren Twitch mindestens einmal wöchentlich. Bei Jüngeren sind es mehr als doppelt so viele. Der aktuellen JIM-Studie (Jugend, Information, Medien) zufolge schauen 13 Prozent der Zwölf- bis 19-Jährigen ihren Lieblingsstreamern regelmäßig beim Zocken, Quatschen oder eben Zeichnen zu. Neben Twitch erlaubt auch die Plattform YouTube, statt vorgefertigter Videos, Live-Inhalte zu senden.
Das Streamen von Kunst auf Twitch ist nach wie vor eine Nische und spricht nicht so viele Menschen an wie Gaming.
Zunächst Skepsis, dann Begeisterung
Nadja Britz aus Chemnitz konnte sich lange Zeit nicht vorstellen, live ein Publikum zu unterhalten. "Im realen Leben bin ich auch eher der Typ Mensch, der in einem Club da sitzt und nicht redet, bevor er jemanden anspricht".
Über einen befreundeten Streamer kommt sie dennoch in Kontakt mit der Szene und probiert sich aus. "Meine größte Sorge war immer, dass es einen Moment gibt, wo ich da stehe und einfach nicht weißt, was ich sagen soll. Aber das ist nie passiert."
Unter dem Pseudonym "NadiVonMandalore" spielt die 29-Jährige querbeet verschiedene Arten von Games. Besonders die sehr schwierigen Spiele der japanischen Firma "From Software" haben es ihr angetan. Seit ihrer Kindheit ist Britz großer Gaming-Fan. Durch ihren älteren Bruder und Cousin habe sie ihre ersten Videospiele kennengelernt. Die seien auch nicht immer altersgerecht gewesen, gibt Britz heute zu.
Meine größte Sorge war immer, dass es einen Moment gibt, wo ich da stehe und einfach nicht weißt, was ich sagen soll. Aber das ist nie passiert.
Vor rund anderthalb Jahren beginnt sie, regelmäßig zu streamen. Im Schnitt schauen ihr 20 bis 60 Leute zu. "Ich finde es einfach super. Mit der Community über den Alltag und Videospiele zu quatschen und auch neue Leute kennenzulernen", sagt sie.
Streams dauern häufig mehrere Stunden
Nicht immer sei es aber einfach, nach einem harten Arbeitstag als medizinische Fachangestellte noch genügend Energie für den eigenen Kanal aufzubringen, erzählt Britz. Denn drei, vier oder mehr Stunden streamen sind in diesem Metier keine Seltenheit.
"Wenn ich aber zumindest über diesen kleinen Punkt, den Stream mal anzumachen, hinauskomme, dann komme ich schnell wieder rein", sagt sie. "Besonders wenn ich merke, dass im Chat die Leute da sind und mich unterstützen, mir Tipps geben oder sich einfach miteinander unterhalten."
Auch "Josy" kennt die Phasen von Motivationslosigkeit. Oft legten die sich aber wieder schnell wieder, sobald die Kamera laufe. Pro Woche streamt sie dreimal und kommt auf eine Gesamt-Livezeit von ungefähr 14 Stunden. "Für mich steht beim Streamen nicht die explizite Absicht im Vordergrund, meine Zuschauer bei Laune zu halten. Vielmehr folge ich einfach meinen Interessen und mache das, worauf ich gerade Lust habe", sagt sie. Und das kann sich auch finanziell lohnen.
Datenleck zeigt Ungleichheit bei Twitch
Ein Großteil ihrer Aufträge erhalte die Dresdnerin demzufolge über Twitch und der damit verbundenen Mundpropaganda. "Da auch neue Zuschauer meinen Livestream entdecken, ist Twitch für mich definitiv ein Marketinginstrument." Wer damit allerdings reich werden will, muss ein größeres Publikum aufbauen.
Ein Datenleck vor drei Jahren offenbarte, welche Geldsummen die größten Streamer auf der Plattform zwischen 2019 und 2021 mit ihren Inhalten verdienten. Demnach durften sich allein die beiden bekanntesten deutschen Streamer "MontanaBlack" und "Knossi" über jeweils rund zwei Millionen Euro Brutto-Einnahmen freuen.
Gleichzeitig wurde durch die Twitch-Leaks deutlich, wer den Löwenanteil der Stream-Millionen ausmacht. Unter den Top 100 der erfolgreichsten Streamerinnen und Streamer waren nur drei Frauen. Die Ungleichheit setzt sich bei Twitch auch an anderer Stelle fort.
Hass im Netz: Besonders Frauen sind betroffen
In der Vergangenheit stand die Plattform immer wieder in der Kritik, dass sie zu wenig unternehmen würde gegen Hass und Hetze. Insbesondere Frauen und nicht-heterosexuelle Menschen werden im Internet regelmäßig attackiert. Das Kompetenznetzwerk gegen Hass im Netz veröffentlichte im Januar eine Studie, wonach 30 Prozent der befragten jungen Frauen von Online-Hass betroffen sind.
In der Gaming-Subkultur sind die Zahlen noch prägnanter. Dem US-amerikanischen Marktforschungsinstitut Reach3 Insights zufolge, haben mehr als 77 Prozent der Spielerinnen in Online-Games schon einmal Sexismus und andere Formen von Diskriminierung erfahren müssen.
"Je größer du bist, je präsenter, desto mehr Angriffsfläche hast du. Und das ist echt unschön, was man da teilweise mitbekommt", sagt Nadja Britz. Zu Beginn ihrer Streaming-Karriere habe sie auch einige derartige "dumme Kommentare", wie sie sagt, erhalten. Mittlerweile sei es besser geworden, was auch an ihrer kleinen, aber engagierten Community liege.
Auch "Josy" und einige ihrer treusten Community-Mitglieder würden konsequent gegen Hasskommentare vorgehen und sie löschen, sobald sie im Chat auftauchen, sagt sie. Sie findet zudem, dass Twitch bereits viel getan habe, um die Situation für Nutzer und Nutzerinnen von Twitch zu verbessern.
"Allerdings bleibt das größte Problem nach wie vor der Mensch. Oder in diesem Fall die Personen, die versuchen, jedes Schlupfloch innerhalb von Regelungen zu finden und auszunutzen." Inwieweit auf Twitch beispielsweise die Darstellung von nackten Körpern erlaubt ist, ist immer wieder Gegenstand hitziger Debatten. Twitch selbst ändert dazu das Vorgehen immer wieder mal.
Freude auf die Caggtus
Auf die diesjährige Caggtus in Leipzig freuen sich beide Streamerinnen sehr. Auch weil sie hoffen, ihre Kanäle bekannter zu machen. Unter anderem deswegen hatten sie sich für eine sogenannte "Wildcard" beworben, die speziell Nachwuchs-Streamerinnen und -Streamer unterstützen soll, was auch gelang.
Ob Nadja Britz irgendwann Vollzeit auf Twitch zu sehen sein wird, mag sie sich jetzt noch nicht vorstellen wollen, sagt sie. "Ich bin eher pessimistisch eingestellt und denke: Ach, wieso sollten so viele Leute sich das angucken wollen? Aber andererseits wäre es schon ein Traum. Ich meine, wer würde das nicht gerne machen?"
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN | MDR SACHSENSPIEGEL | 05. April 2024 | 19:00 Uhr