"Mut und Ohnmacht" Neue Dauerausstellung über politische Gefangene in Torgau
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23. August 2024, 10:24 Uhr
In Torgau waren im Zweiten Weltkrieg tausende Kriegsgegner und Widerstandsangehörige aus ganz Europa inhaftiert. Aber auch nach 1945 gab es in Torgau zwei sowjetische Speziallager, später DDR-Gefängnisse. Die Ausstellung "Mut und Ohnmacht" im Schloss Hartenfels erzählt von ihren persönlichen Schicksalen und vom Missbrauch der Justiz.
- Eine neue Dauerausstellung erinnert an Schicksale von politischen Gefangenen in Torgau.
- Die Stadt war mit zwei Gefängnissen das Zentrum der Wehrmachtsjustiz im Zweiten Weltkrieg.
- In Schloss Hartenfels wurde für die Ausstellung ein Erinnerungsort geschaffen.
In Torgau eröffnet am Freitag im Schloss Hartenfels die neue Dauerausstellung "Mut und Ohnmacht". Sie erinnert mit persönlichen Schicksalen an die jahrzehntelange Geschichte Torgaus als Ort des Unrechts gegenüber politischen Gefangenen. In der NS-Zeit, während der sowjetischen Besatzungszeit und in der DDR wurden mehrere Gefängisse in der Stadt betrieben.
"Wir wollen hier keine Schicksale vergleichen", findet Elisabeth Kohlhaas wichtig zu betonen, denn jedes Schicksal sei einzigartig und historisch verortet. Sie ist die Leiterin des Erinnerungsortes Torgau, der sich in der dritten Etage von Schloss Hartenfels befindet. Eins jedoch eint die Menschen, deren Geschichten in der Ausstellung erzählt werden: Ihr Mut, sich gegen bestehendes Unrecht aufzulehnen.
Wir wollen hier keine Schicksale vergleichen.
Widerstandskämpfer gegen die Nazis zum Tode verurteilt
Bereits in der NS-Zeit gab es in Torgau zwei Gefängnisse, zudem tagte hier ein Militärgericht. Rebellen, Deserteure und andere "Unruhestifter" wurden mit besonderer Härte und unter dem Radar der Öffentlichkeit verurteilt und gefangen gehalten. Dabei reichte mitunter eine Hitlerparodie, um Menschen zum Tode zu verurteilen.
Das heißt, man konnte für eine kritische Äußerung, aber auch durch den Freiheitskampf oder als Deserteur hingerichtet werden. Die Zahl der Todesurteile war hoch. Insgesamt sprachen die Militärgerichte im Zweiten Weltkrieg etwa 50.000 Todesurteile aus. 20.000 davon wurden auch vollstreckt.
Jahrzehntelange Gefängnisgeschichte bis heute
Mit den beiden Militärgefängnissen Fort Zinna und Brückenkopf sowie dem Reichskriegsgericht, das im August 1943 von Berlin nach Torgau verlegt wurde, entwickelte sich Torgau während des Zweiten Weltkriegs zur Zentrale der Wehrmachtjustiz.
Nach Kriegsende richtete die sowjetische Geheimpolizei 1945 im Fort Zinna und in der benachbarten Seydlitz-Kaserne die Speziallager Nr. 8 und Nr. 10 ein. Hier waren auch Deutsche interniert, vermeintliche Spione und andere Widerständler.
Schloss Hartenfels als Erinnerungsort
Später wurden die Gefängnisse in der DDR weiter betrieben. Bis ins Jahr 1990, in dem alles nahtlos in eine Justizvollzugsanstalt des Freistaates Sachsen überging. Diese gibt es bis heute, weswegen die Ausstellung im Schloss Hartenfels beheimatet ist.
"Das architektonische Konzept der Ausstellung ist durchdacht", erklärt der Ausstellungsarchitekt Tobias Katz. Die Dauerausstellung befindet sich in der dritten und letzten Etage des Schlosses und die Mauern des historischen Gebäudes wurden für die Ausstellung extra verborgen. Überdies heben versetzte Wände in unterschiedlichen Farben die verschiedenen Phasen der militärischen Nutzung voneinander ab.
Eine weitere konzeptionelle Idee teilt die Ausstellung in zwei Teile: Im äußeren Außenraum werden geschichtliche Besonderheiten der unterschiedlichen Nutzungen erläutert, im Innenraum befindet sich jeweils ein schwarzer, fensterloser Kubus mitten im Raum, der die Haftbedingungen verdeutlichen soll.
Hier finden sich auch Porträts von ehemaligen Gefangenen. Ihre Geschichte wird erzählt, von ihrem Schicksal wird berichtet. Eine Videoinstallation mit Zeitzeugenberichten und Interviews von Nachfahren rundet die Ausstellung ab und transportiert ihre Botschaft in die Gegenwart.
Schicksale von Heldinnen und Helden des Widerstands
Die Ausstellung ist eine Würdigung der Menschen, die den Mut besaßen, sich gegen eine Diktatur zu stellen. Hierbei zählt nicht der hollywoodfilmreife Widerstand, sondern der Mut des "kleinen Mannes", die Ohnmacht jedes Einzelnen.
Daher auch der Ausstellungstitel "Mut und Ohnmacht", denn die Schau zeigt Menschen, die im Rahmen ihrer Möglichkeiten zum Protest aufriefen, Zivilcourage zeigten, gegen Unrecht aufstanden und dabei ihr Leben riskierten oder es verloren. Das wiederum verbindet ihre Schicksale.
Informationen zur neuen Dauerausstellung
Ausstellung "Mut und Ohnmacht" des Erinnerungsortes Torgau – Justizunrecht – Diktatur – Widerstand
Schlossstraße 27
04860 Torgau
Programm zur Eröffnung:
Freitag, 23. August 2024
11 Uhr: "Blick hinter die Kulissen", Führung und Gespräch mit dem Architekten der Ausstellung, Tobias Katz
14 Uhr: "Wie prägte das Unrecht der politischen Haft die Familien?", Führung und Gespräch mit Familienangehörigen von ehemaligen Torgauer Häftlingen
17 Uhr: Filmvorführung "Der Entschluss", Film über die letzte geglückte Mauer-Flucht im August 1989; anschließend Gespräch mit dem Protagonisten Hans-Peter Spitzner
Samstag, 24. August 2024
11 Uhr: "Making of", Führung und Geschichten über die Entstehung der Ausstellung; mit einem Glas Sekt (auch alkoholfrei) anlässlich der Eröffnung
13 Uhr: "Geschichte trifft Kaffeetafel", Führung und Gespräch mit den Ausstellungsmacherinnen und -machern bei Kaffee und Kuchen
Redaktionelle Bearbeitung: hro
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 22. August 2024 | 07:40 Uhr