
Kontroverse um Gedenken an Kriegsende Russischer Botschafter kündigt sich zum Elbe Day in Torgau an
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24. April 2025, 15:58 Uhr
Im Zweiten Weltkrieg hat die Rote Armee der Sowjetunion einen großen Beitrag zur Niederschlagung des Nazi-Regimes geleistet. Seit 2022 befindet sich Russland in einem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Das macht das Gedenken an 1945 schwierig. Auch in Torgau zum Elbe Day wird das Dilemma deutlich. Wie umgehen mit dem russischen Botschafter, der sich angekündigt hat?
Der russische Botschafter Sergej Netschajew will am kommenden Freitag an einer weiteren Gedenkveranstaltung zum Ende des Zweiten Weltkriegs vor 80 Jahren teilnehmen. In Torgau wird dann an das Aufeinandertreffen US-amerikanischer und sowjetischer Soldaten an der Elbe am 25. April 1945 erinnert. Der Botschafter werde "der Einladung der Stadt Torgau Folge leisten und an den geplanten Veranstaltungen teilnehmen", teilte ein Sprecher der russischen Botschaft in Berlin mit. Zu dem Gedenken wird auch der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) erwartet.
USA sagt offizielle Teilnahme ab
Die USA werden nach jetzigem Stand im Gegensatz zu Russland nicht mit einem offiziellen Repräsentanten dabei sein. "Das US-Konsulat in Leipzig ist in diesem Jahr nicht in der Lage, an der Zeremonie teilzunehmen", erklärte eine Sprecherin der US-Botschaft in Berlin.
Kein Rederecht für russischen Botschafter
Die Stadt Torgau spricht nicht von einer Einladung. Demnach seien keine expliziten Einladungen an die Botschaften verschickt worden. Die Auslandsvertretungen mehrerer Länder - darunter die russische - seien aber bereits im Februar schriftlich über die öffentliche Veranstaltung informiert worden. Der parteilose Bürgermeister Torgaus, Henrik Simon, machte deutlich, dass der Botschafter nicht an einer Teilnahme gehindert werden wird. Die Bitte nach einem Rederecht habe man aber ausgeschlagen, "um keine Plattform zu geben", sagte Simon. Das Vorgehen sei mit der sächsischen Staatskanzlei abgestimmt worden.
Kretschmer sieht Gedenken nicht losgelöst vom Ukraine-Krieg
"Dass der russische Botschafter seine Teilnahme angekündigt hat, nehme ich zur Kenntnis", sagte Sachsens Ministerpräsident Kretschmer und betonte, es handle sich um eine Veranstaltung der Stadt Torgau. Das Gedenken an den Elbe Day dürfe nicht von der militärischen Aggression Russlands gegen die Ukraine losgelöst begangen werden, meinte er.
"Der Zweite Weltkrieg, der von Deutschland ausgegangen ist und von den Alliierten beendet wurde, hat Schrecken und Brutalität des Krieges wie nie zuvor gezeigt. Gewalteskalation und Krieg mit allen Mitteln zu verhindern, das ist für mich die wichtigste Lehre auch 80 Jahre danach", sagte Kretschmer der Nachrichtenagentur dpa. Und weiter: "Mit dem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen die Ukraine hat Russland dieses gemeinsame Fundament verlassen. Es gibt keine Rechtfertigung für diesen Krieg. Russland muss den Krieg beenden", verlangte der sächsische Regierungschef.

Bei der Gedenkveranstaltung in Torgau werden außer Ministerpräsident Kretschmer ein Vertreter der evangelischen Kirche und der Geschäftsführer der Stiftung Sächsische Gedenkstätten reden. Anschließend ist eine Kranzniederlegung geplant.
Russischer Botschafter bei Gedenken auf Seelower Höhen
Vergangene Woche hatte die Teilnahme Netschajews an einer Gedenkveranstaltung auf den Seelower Höhen östlich von Berlin für Schlagzeilen gesorgt. Dort hatte vor 80 Jahren die größte Schlacht des Zweiten Weltkriegs stattgefunden, bei der 35.000 sowjetische, 16.000 deutsche und 2.000 polnische Soldaten getötet wurden.
Das Auswärtige Amt hatte zuvor in einer Handreichung an Länder, Kommunen und Gedenkstätten des Bundes davon abgeraten, offizielle russische Vertreter zu Weltkriegs-Gedenkveranstaltungen zuzulassen. Begründet wurde das mit der Befürchtung, dass Russland diese Veranstaltungen "instrumentalisieren und mit seinem Angriffskrieg gegen die Ukraine missbräuchlich in Verbindung bringen" könnte.
Sachsens AfD-Chef Urban: Russischer Botschafter soll reden
Der Fraktionsvorsitzende der AfD im Landtag, Jörg Urtban, reagierte mit Unverständnis auf die Handreichung des Auswärtigen Amtes. Der russische Botschafter Netschajew solle in Torgau teilnehmen und reden dürfen. "Im Zweiten Weltkrieg hat die Rote Armee der Sowjetunion den größten Blutzoll zahlen müssen. Das bekannte Bild, auf dem russische und amerikanische Soldaten zu sehen sind, die sich 1945 an der Elbe in Torgau die Hände reichen, ist in die Geschichtsbücher eingegangen", sagte er.
Torgau erinnert mit Elbe Day an Zusammentreffen von Amerikanern und Roter Armee
Am 25. April erinnert Torgau jedes Jahr an den sogenannten Elbe Day, an dem amerikanische und sowjetische Soldaten auf der zerstörten Elbe-Brücke aufeinandertrafen. Das inszenierte Foto vom Handschlag von Torgau ging als Symbol für das Ende des Zweiten Weltkriegs und der Befreiung von der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft um die Welt. Offiziell hat Nazi-Deutschland am 8. Mai 1945 kapituliert.
Erstes Aufeinandertreffen schon vor dem Handschlag-Foto
- Seit 80 Jahren wird der historische Handschlag am Elbbrückenkopf in Torgau gefeiert. Ein Augenblick, den sich alliierte Generäle nicht von einfachen Frontsoldaten 30 Kilometer flussaufwärts an der Elbe bei Strehla nehmen lassen wollten.
- Denn US-amerikanische und sowjetische Truppen waren sich bereits einen Tag vorher in Lorenzkirchen, Strehla und Kreinitz begegnet, wie die Stiftung Sächsische Gedenkstätten informiert. Sie verweist darauf, dass diese ersten Aufeinandertreffen "nur wenig bekannt" seien.
MDR (lam/kk)/dpa
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR SACHSENSPIEGEL | 25. April 2025 | 19:00 Uhr