Wirtschaftskrise "Mittelständler haben das Gefühl, in Berlin nicht gehört zu werden"
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05. Februar 2025, 13:15 Uhr
Die deutsche Wirtschaft kommt nicht von der Stelle. Laut einer Prognose der OECD wird sie 2025 so schwach wachsen wie in keinem anderen entwickelten Industrieland. Auch in Mitteldeutschland macht die Konjunkturflaute vielen Firmen zu schaffen. Im Interview beschreibt der Geschäftsführer der Gießerei Lößnitz und Präsident der IHK Chemnitz, Max Jankowsky, wo genau der Schuh drückt und welche Lösungsansätze er sieht. Die Wirtschaftskrise ist auch Thema bei "Fakt ist!" am Mittwoch im MDR FERNSEHEN.
Herr Jankowsky, steigende Arbeitslosigkeit und immer mehr Insolvenzen: Die deutsche Wirtschaft ist in der Krise. Trotzdem spielt das im Wahlkampf bisher nur eine untergeordnete Rolle. Geht es uns noch nicht schlecht genug?
Max Jankowsky: Ja, das scheint so zu sein. Auch viele kleine Mittelständler und Dienstleister haben das Gefühl, dass sie in Berlin nicht gehört werden. Da fehlt der Fokus auf die Wirtschaft. Diese ganzen Streitereien und später vielleicht langwierige Suche nach einer Koalition können wir uns nicht leisten, weil wir im weltweiten Wettbewerb stehen.
Aufgrund der Unsicherheit warten nicht wenige Unternehmerinnen und Unternehmer mit Investitionen. Wir haben in Deutschland mittlerweile ein Netto-Investitionsdefizit von 110 Milliarden Euro. Das ist auf lange Sicht ein Garant dafür, dass wir in Schwierigkeiten geraten.
Sorgenvoll stimmt unter anderem der Blick auf das VW-Werk in Zwickau. Es gibt weniger Schichten und das Werk verliert wichtige Elektromodelle. Manche befürchten ein Sterben auf Raten.
Die Region Südwestsachsen steht und fällt mit der Autoindustrie. Wir haben ein Ökosystem entwickelt mit 800 Firmen und rund 95.000 Beschäftigten. Das steht auf der Kippe. Ärgerlich ist, dass die Entscheidung von Volkswagen nichts mit Unternehmenskennzahlen zu tun hat.
Es ist der bewusste Entschluss, in Sachsen und nicht in Niedersachsen zu sparen. Die Geschäftsmodelle der Zulieferer gehen weder mit der geplanten Batterie-Recycling-Linie noch mit einem Werk mit Ein- oder Zweischichtsystem auf, in dem kaum noch Autos produziert werden.
Was sind aktuell die Hauptprobleme der Wirtschaft?
Das Hauptproblem ist sicherlich eine momentan nicht handlungsfähige Bundesregierung. Es finden keine wirtschaftspolitischen Weichenstellungen mehr statt. Als zweiten Punkt sehe ich die hohen Strompreise, die für die Wirtschaft bedrohlich sind. Mit dieser Energiepolitik werden wir das Prädikat Industrieland nicht halten können. Ich möchte zum Beispiel mit meiner Gießerei die gleichen Bedingungen haben wie in Frankreich oder Italien. Aber das ist nicht der Fall.
Und drittens bereiten uns die ausufernde Bürokratie und der Fachkräftemangel Schwierigkeiten. Sie müssen sich als Unternehmer ständig rechtfertigen, wenn sie investieren wollen und unzählige Formulare ausfüllen. Wenn wir es nicht schaffen, diese Unruhe aus der Wirtschaft herauszubekommen, dann müssen wir uns über Fachkräfte keine Sorgen mehr machen, weil die Firmen, die sie benötigen, nicht mehr hier sein werden.
Apropos Strompreise. Deutschland setzt auf erneuerbare Energien, aber wenn kein Wind weht und keine Sonne scheint, gehen die Strompreise mitunter durch die Decke. Im Dezember musste das Stahlwerk in Riesa deshalb die Produktion stoppen. Ist Ihnen das in Ihrer Gießerei auch schon mal passiert?
Nein, wir nutzen beim Schmelzen noch Kohle. Aber wegen der CO2-Bepreisung fressen die Kosten mein Geschäftsmodell auf. Die sind jetzt in einem hohen sechsstelligen Bereich angekommen. Wir möchten daher zwei Elektroschmelzöfen installieren. Und natürlich fragt mich die Bank nach der Kostenbetrachtung des Strompreises. Allerdings ist das Worst-Case-Szenario derzeit fast unkalkulierbar.
Helfen würde es auf jeden Fall, wenn die Netzentgelte, Steuern und Abgaben runtergefahren werden, die mehr als 50 Prozent des Strompreises ausmachen. Wir brauchen wieder Verlässlichkeit und das Gefühl, dass sich die Situation verbessert. Dies wird die Grundlage vieler Investitionsentscheidungen in der Industrie bilden.
Aber das wäre wieder eine neue Subvention. Gibt es davon nicht schon genug?
Subventionen helfen nur, wenn man ein langfristiges Ziel verfolgt. Das könnte so aussehen, dass man sagt, in fünf Jahren haben wir den Strommarkt stabilisiert und diese Zeit überbrücken wir mit der Deckelung der Netzentgelte.
Gefahr zieht auch aus dem Ausland auf. Der neue US-Präsident Donald Trump droht mit Zöllen. Wie gefährlich ist das für die hiesige Exportindustrie?
Auf eine sehr harte Linie Donald Trumps sind wir nicht vorbereitet. Dennoch wäre jetzt die Chance, sich für ein starkes Deutschland und starkes Europa einzusetzen, das sich zwischen den USA und China behaupten kann.
Wie meinen Sie das?
Es geht um die richtige Strategie. Warum produzieren wir denn beispielsweise in Sachsen Mikrochips? Doch nicht, weil wir sie am günstigsten produzieren können, sondern um unabhängig zu bleiben.
Das gilt im Übrigen auch für den energieintensiven Mittelstand, beispielsweise für Gießereien und Zementwerke. Wenn wir diesen Mittelstand jetzt aufgrund der hohen Energiepreise verlieren, dann laufen wir in noch viel schlimmere Abhängigkeiten hinein.
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | Fakt ist! | 05. Februar 2025 | 20:15 Uhr