Persönlicher Jahresrückblick Nach Sieg gegen Böhmermann: Der "Bienenmann" würde sich wieder ganz genauso wehren
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28. Dezember 2024, 09:00 Uhr
Der Streit des TV-Satirikers Jan Böhmermann gegen einen Imker aus Meißen ging ein dreiviertel Jahr durch mehrere Instanzen. Im Sommer zog der TV-Satiriker vor dem OLG erneut den Kürzeren gegen den Imker. Der hatte sich gegen einen TV-Beitrag im ZDF-"Magazin-Royale" auf seine Weise satirisch gewehrt. Ein Jahr nach Beginn des Zoffs sagt der Bio-Imker: "Auf das Jahr in der Medienöffentlichkeit hätte ich gerne verzichtet." Trotzdem hatte die Aufregung für ihn auch Lehrreiches.
Imker Rico Heinzig sitzt vor dem Kachelofen am Holztisch und blickt auf ein für ihn verrücktes Jahr zurück. Nachdem er sich auf seine Weise gegen einen Magazinbeitrag des TV-Satirikers Jan Böhmermann wehrte, wurde er Deutschlands bekanntester Imker. Heinzig gewann mehrere Gerichtsprozesse gegen Böhmermann. Das machte bundesweit Schlagzeilen.
Hätte er gewusst, welches mediale Interesse da auf ihn zurollte, "dann hätte ich mir rechtzeitig eine Sekretärin eingestellt", sagt der 49-Jährige. Und weiter: "Ich fühle mich auch nicht zum Influencer berufen, sondern habe gern meine Ruhe. Deshalb bin ich ja auch Imker geworden."
Dieses Jahr war auf jeden Fall das aufregendste meiner Imker-Karriere, spannend, mit einer extrem hohen Lernkurve.
Als plötzlich nur noch das Telefon klingelte
Mit der Ruhe war es Anfang November 2023 vorbei, als seine Firma ungefragt von der Redaktion des TV-Magazins Royale als Beispiel für "Beewashing" gezeigt wurde (alle Infos dazu in der Erklärbox). Zwischen Bienen, Shopbestellungen und Verkauf musste Heinzig stattdessen unzählige Interviews für Presse und Rundfunk in Deutschland und der Schweiz geben. "Ich hatte erst einen Pressespiegel angefangen, das war dann aber nicht mehr machbar."
Rückblick auf den Honig-Streit vor Gericht (Zum Ausklappen)
- Anlass für den Honig-Streit war Böhmermanns Magazin-Sendung im November 2023, in der er die Firma des Meißners Rico Heinzig namens Myhoney Bio-Imkerei in Wort und Video kritisierte und ihr vermeintliches Engagement für Nachhaltigkeit und Artenschutz vorwarf. Wörtlich hieß es: "So, auch wenn es wie Naturschutz aussieht und vor allem so aussehen soll, ist dieses ganze Honigbienenangesiedel nichts anderes als 'beewashing'". Es handele sich um Werbung, Geld und Business. "Beewashing" ist eine Anspielung auf Greenwashing und dem englischen Wort für Bienen.
- Den "Beewashing-Vorwurf" wollte der Inhaber Rico Heinzig nicht auf sich sitzen lassen und verkaufte daraufhin "Böhmermann-Honig". In der ersten Gerichtsverhandlung sagte Heinzig dazu, dass er vier Plakate drucken und einen Stand mit 150 Honiggläsern in einem Dresdner Supermarkt aufbauen ließ. Auf dem Plakat ließ er Böhmermann einen "Beewashing Honey" empfehlen, nannte ihn einen "führenden Bienen- und Käferexperten". Heinzig begründete seine Gegenwehr auch als Satire: "Meine Persönlichkeitsrechte wurden verletzt, Videomaterial über meine Firma wurde ungefragt im ZDF gezeigt und der Berufsstand der Imker durch den Kakao gezogen - für die TV-Quote im gebührenfinanzierten Fernsehen." Parallel startete er Youtube-Erklärfilme, um seine Sicht darzustellen.
- Böhmermann fand die Plakataktion nicht witzig: Weil er seine Persönlichkeitsrechte wegen der Nutzung eines Fotos von ihm verletzt sah, klagte er.
- Die Richter im Dresdner Landgericht sahen das anders, wiesen die Klage des TV-Moderators zurück. Böhmermann ging in Berufung.
- Aber auch der 4. Zivilsenat des OLG Dresden sah in der Werbeaktion des Imkers - wie schon das Landgericht - ein "Ereignis der Zeitgeschichte" und attestierte Heinzigs Aktion zugleich einen satirischen Charakter. Ebenso sei ein Informationsbedürfnis befriedigt worden. Außerdem habe Böhmermann in seiner Sendung ein Foto von Imker Heinzig verwendet. "Er muss die Möglichkeit haben, darauf zu reagieren."
- Im Laufe des Streits hatte Imker Heinzig MDR SACHSEN gesagt: "Wenn man es Herrn Böhmermann gleich tut, reagiert er wie ein beleidigtes Kind und empfiehlt Betroffenen, sich doch gerichtlich zu wehren. Also genau das, was er später wieder anprangert, dass Kontrahenten nichts anderes einfallen würde als zu klagen."
- Warum es bei dem Rechtsstreit um mehr als Honig ging, lesen Sie im Online-Beitrag hier und in einer Fachzeitschrift unter diesem Link.
Für Gegenwehr neben Gottvertrauen auch Geld nötig
Heinzig würde trotz der überregionalen Aufmerksamkeit wieder so handeln, wenn er seine Firma und den Imkerberuf zu Unrecht dargestellt sieht. Wegducken sei für ihn nicht in Frage gekommen, weil er sich zu Unrecht von Böhmermann öffentlich vorgeführt gesehen habe. "Ich hoffe, dass ich anderen Leuten eine kleine Blaupause geliefert habe, dass so ein Streit für einen vermeintlich Schwächeren auch gut ausgehen kann. Das hatte ja anfangs kaum einer geglaubt." Dafür habe er Mut, Gottvertrauen und auch Budget gebraucht.
Es war eine Notwendigkeit. Ich würde es immer wieder so machen.
Hilfe fürs Budget hatte Heinzig durch viele Spenderinnen und Spender via Online-Spendenaktion bekommen. Nach Heinzigs Angaben sind 74.000 Euro zusammengekommen. Die habe er "bei weitem nicht für die Prozesskosten" ausgeben müssen. "Viele haben mir geschrieben, dass ich von dem Geld einen Fonds gründen soll, der Menschen hilft, die sich auch gegen Medienberichterstattung zur Wehr setzen wollen", erzählt Heinzig. Aber: "Ich kann ja nur meinen eigenen Fall überblicken.
Stiftung statt Streit
Bereits im Sommer hatte Heinzig im Gespräch mit MDR SACHSEN gesagt: "Ich bin kein Streithansel und würde ja vorschlagen, man begräbt das Kriegsbeil". Heinzigs damalige Einladung an Böhmermann, seine Imkerei bei Meißen doch einmal zu besuchen, gelte auch 2025. Und: "Gegen Herrn Böhmermann habe ich persönlich nichts. Vielleicht ist er privat ja viel zugänglicher als in seiner Rolle im Fernsehen?"
Vom eingegangenen Spendengeld will der Bio-Imker eine Stiftung gründen und selbst Projekte unterstützen oder anschieben. "Ich bin dabei, einen schönen Zweck zu finden. Umwelt, Bildungsarbeit für Kinder und Nachhaltigkeit sollen dazugehören."
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN | SACHSENSPIEGEL | 18. Juli 2024 | 19:00 Uhr