Zivilrechtsstreit Böhmermann verliert Streit vor Landgericht gegen Imker aus Meißen
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08. Februar 2024, 12:47 Uhr
Nach einer Klage des TV-Satirikers Jan Böhmermann gegen einen Imker aus Meißen hat das Landgericht Dresden am Donnerstag das Urteil gesprochen. Demnach war die satirische Werbeaktion des Bio-Imkers als Retourkutsche auf einen satirischen TV-Beitrag im ZDF-"Magazin-Royale" rechtens. Böhmermann missfiel es, sein Gesicht auf Werbeplakaten zu sehen war und ging dagegen juristisch vor. Der Bienenzüchter sieht seine Aktion als Satire. Dem folgte die Richterin nun in ihrer Argumentation.
- TV-Satiriker Jan Böhmermann verliert den Streit gegen einen Bio-Imker am Landgericht Dresden.
- Der Anwalt von Jan Böhmermann will in Berufung gehen.
- Der Imker hat vorerst den Verkauf des umstrittenen Honigs gestoppt - und greift mit neuem Logo Kritik an Cancel Culture auf.
Am Donnerstagmittag ist das Urteil zur Klage des Satirikers und ZDF-Moderators Jan Böhmermann gegen das Unternehmen eines Imkers aus Meißen gefallen: Sein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wegen Verletzung der Persönlichkeitsrechte wurde von der Richterin zurückgewiesen. Die Richterin folgte weitestgehend der Argumentation des beklagten Imkers. Demnach sei die Werbeaktion des Imkers als Satire erkennbar gewesen. Sie habe nicht die Persönlichkeitsrechte des Fernsehmoderators verletzt. Zudem dürfte der Allgemeinheit klar sein, dass TV-Moderator Jan Böhmermann kein "führender Bienen- und Käferexperte" sei, wie auf einem Werbeplakat des Imkers gedruckt stand.
Böhmermann sah seine Persönlichkeitsrechte verletzt, weil der Bio-Imker Rico Heinzig aus Meißen mit seinem Bild und Namen für einen Honig warb, den der in einem Lebensmittelmarkt in Dresden vertrieb. Der Moderator warf dem Imker Kommerzialisierung vor. Der wiederum sah seine Aktion als Satire und von der Kunstfreiheit gedeckt.
Böhmermann wird in Berufung gehen
Sollte das Urteil rechtskräftig werden, trägt Böhmermann laut Landgericht Dresden die Kosten des Verfahrens. Der Streit wird voraussichtlich in die nächste Instanz am Oberlandesgericht Dresden weitergehen. Rechtsanwalt Torben Düsing, der den Moderator juristisch vertritt, beantwortete eine Anfrage von MDR SACHSEN so: "Das rechtwidrige Angebot von Waren zum Zweck der unternehmerischen Gewinnmaximierung ist keine Satire. In der Sache 'Satire gegen Wirtschaft' geht die Satire natürlich in Berufung."
Davon ging Imker Rico Heinzig vor dem Prozesstag bereits aus: "Bislang hat Herr Böhmermann nie klein beigegeben", sagte er. Persönlich anwesend war der Imker im Gericht am Donnerstag nicht, auch Böhmermann fehlte, ebenso die Anwälte der beiden.
Imker-Anwalt will Grundsatzentscheidung
Heinzig wollte eine Grundsatzentscheidung für Betroffene von Satire. Das Format der ZDF-Sendung nenne sich Investigationssatire und sei durch diese Mischform "nahezu unangreifbar", begründete der Imker-Anwalt das Nein zum Einigungsvorschlag beim Gütetermin. Er wolle notfalls in weiteren Instanzen geklärt haben, ob der Versuch seines Mandanten, sich durch einen "satirisch-werblichen Gegenschlag" zu rehabilitieren, "zulässig ist und wo die Grenzen liegen". Das sei "eine hochspannende Frage, die der BGH bisher noch nicht beantwortet hat".
Imker will Rechtsnorm definieren lassen
Vor dem Verkündungstermin hatte Rico Heinzig MDR SACHSEN gesagt: "Alles ist möglich! Natürlich hoffe ich, dass sich das Gericht unserer Position anschließt, aber sicher ist das nicht." Dass jemand einen satirischen Beitrag vor einem Millionenpublikum satirisch in Verbindung mit Produktwerbung pariere und ihm dann die Verletzung von Persönlichkeitsrechten vorgeworfen werde, habe noch kein Gericht beurteilt. "Gerade deshalb scheint dieser Fall so brisant, weil mit einer Entscheidung ja eine Rechtsnorm für mögliche zukünftige Konflikte anderer Betroffener definiert würde", erklärte Heinze.
Natürlich hoffe ich, dass sich das Gericht unserer Position anschließt, aber sicher ist das nicht.
Darum geht's: Satire, Kunstfreiheit, Persönlichkeitsrechte
Imker Heinzig hatte mit Böhmermanns Konterfei auf einen TV-Beitrag von Anfang November 2023 reagiert, sagte er vor dem Prozess im Gespräch mit MDR SACHSEN. Darin griff Böhmermann das "Greenwashing" bei Konzernen auf und nahm auch die deutschen Imker ins Visier. Die Redaktion behauptete, Imker würden "Beewashing" (Wortspiel aus Bee für Biene und Greenwashing) betreiben und aus dem Bienensterben Geschäfte machen. Als Beispiel wurde Heinzig gezeigt, der 200 Bienenvölker hat und mit seiner Firma "MyHoney" Bienenpatenschaften für Schulen und Unternehmen anbietet. Seine Firma ist mit Logo rund acht Sekunden lang zu sehen.
In der ersten Runde vor dem Landgericht sagte Richterin Heike Kremz über den Sendungsausschnitt: "Das war relativ negativ beschrieben, dass diese Start-up-Firmen beschuldigt wurden, dass sie nur Geld damit machen würden." Zudem sei Imker Heinzig nicht gefragt worden, ob er in der TV-Sendung erscheinen wolle, noch sei ihm die Möglichkeit einer Stellungnahme eingeräumt worden. "Das war Satire", verteidigte Böhmermanns Rechtsanwalt Torben Düsing aus Düsseldorf den TV-Satiriker.
Argumente des beklagten Bienenzüchters
Ebenfalls als Satire und Verletzung der Persönlichkeitsrechte des Imkers wertet Anwalt Markus Hoffmann die Aktion des Bio-Imkers. Sein Mandant hatte zufällig von einem Kunden von den Vorwürfen im TV erfahren. "Dass ich so plötzlich ohne Vorwarnung im Rampenlicht der Öffentlichkeit stehe, da war ich echt geschockt." Der Familienvater und Chef von drei Mitarbeitern wollte sich gegen den "Angriff irgendwie zur Wehr setzen."
Dass ich so plötzlich ohne Vorwarnung im Rampenlicht der Öffentlichkeit stehe, da war ich echt geschockt.
Er ließ vier Plakate drucken. Darauf empfahl Böhmermann einen "Beewashing Honey" und wurde als "führender Bienen- und Käferexperte" benannt. Heinzig baute einen Stand mit 150 Honiggläsern in einem Edeka in Dresden auf (von dem in den ersten Wochen nach Angaben des Imkers vor Gericht acht Gläser verkauft worden seien). Auf jedem Glas klebte ein QR-Code, über den Interessierte auf einem extra eingerichteten YouTube-Kanal die Imkersicht auf Böhmermanns Vorhaltungen erfahren können.
Honigverkauf vorerst gestoppt
Mittlerweile hat der Bienenzüchter seinen umstrittenen Honig aus seinem Online-Shop genommen. Den Honig vorerst nicht mehr zu verkaufen, sei "weder als ein indirektes Schuldeingeständnis noch als ein 'Einknicken' vor Herrn Böhmermann zu werten", betonte Heinzigs Anwalt. Vielmehr gehe es darum, dass im Falle einer Niederlage in einem möglicherweise Jahre dauernden Rechtsstreit nicht nur die Prozesskosten, sondern auch Schadenersatz an den Kläger zu zahlen seien. Dann würde der Moderator an den Umsätzen des "Böhmermann-Honigs" verdienen.
Neues Logo, neuer Seitenhieb auf Doppelmoral
Heinzig verkauft jetzt Honig mit neuem Etikett. Darauf ist ein Mann in blaugrauem Anzug zu sehen, dessen Kopf und Hals von einer Wolke bedeckt sind. Der Abgebildete zeigt auf ein Honigglas, auf dem über einem rot-schwarzen Kreuz "Cancel Culture" steht.
Den Cancel-Culture-Honig will Rico Heinzig auch als Kritik auf Böhmermanns Vorgehen gegen seine Person verstanden wissen: Nachdem er sich auf seine Weise gegen den TV-Bericht 2023 gewehrt habe "und dafür rechtlich von ihm über seine Anwälte belangt worden bin, hat er in einer späteren Sendung mit dem Titel 'Cancel Culture' moralisch überlegen genau dieses Vorgehen, dass mächtige Interessengruppen über ihre Medienanwälte jegliche Kritik oder Widerstand mit Geld totschlagen würden, aufgegriffen und heftig kritisiert."
MDR (kk/kav/cst)/epd/dpa
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Regionalnachrichten aus dem Studio Dresden | 08. Februar 2024 | 13:03 Uhr