Ein Mann Mitte 40 steht an einem Regal neben einem Plakat. Das Plakat in A3-Größe zeigt den Kopf des Moderators Jan Böhmermann. Der will gerichtlich verbieten lassen, dass der Mann auf dem Foto, ein Imker aus Meißen, mit Böhmermanns Gesichts wirbt.
Das Plakat links im Bild ist Grund für die Klage des Moderators Jan Böhmermann gegen den Bio-Imker Rico Heinzig (re.) aus Meißen. Dem wirft der Satiriker Verletzung seiner Persönlichkeitsrechte und Kommerzialisierung vor. Bildrechte: MDR/Kathrin König

Landgericht Dresden Böhmermann-Klage: Bio-Imker aus Meißen lehnt Einigung ab

16. Januar 2024, 17:19 Uhr

Das Landgericht Dresden hatte am Dienstag eine Klage des TV-Satirikers Böhmermann gegen einen Bio-Imker aus Meißen auf dem Tisch. Der hatte sich mit einer Werbeaktion gegen einen Beitrag im ZDF-"Magazin-Royale" gewehrt. Das wiederum missfiel Böhmermann, der sein Gesicht nicht auf Werbeplakaten sehen will. Der Imker sieht seine Aktion auch als Satire und ärgert sich über Böhmermanns Vorgehen. Eine Einigung gab es beim Gütetermin vor Gericht nicht.

Vor dem Landgericht Dresden hat es bei einem Gütetermin wegen einer Klage des Satirikers und ZDF-Moderators Jan Böhmermann gegen einen Imker aus Meißen keine Einigung gegeben. Der beklagte Bio-Imker Rico Heinzig lehnte den Vorschlag der Vorsitzenden Richterin ab. Böhmermann sieht seine Persönlichkeitsrechte verletzt, weil Heinzig aus Meißen mit Böhmermanns Bild und Namen für einen Honig wirbt, den er in einem Lebensmittelmarkt in der Region vertreibt. Der Moderator wirft dem Imker Kommerzialisierung vor.

Böhmermann nicht persönlich in Dresden

Das Gericht hatte den Streitwert auf rund 15.000 Euro festgelegt. Die Verhandlung war wegen des Medien- und Besucherinteresses extra in den großen Sitzungssaal verlegt worden. Zu Beginn drängelten sich etwa 20 Kamerateams, Fotografen und Journalisten im Saal. Auch drei Dutzend Verwaltungsazubis saßen in den Reihen. Böhmermann selbst war nicht nach Dresden gekommen. Er ließ sich von Anwalt Torben Düsing vertreten, einem Düsseldorfer Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz, was laut Richterin bei Zivilrechtssachen durchaus üblich sei.

Dass der Kläger nicht nach Dresden gekommen war, kommentierte der beklagte Imker Rico Heinzig so: "Herr Böhmermann hat mich vor ein Millionenpublikum gezogen, hat mich nicht gefragt und auch nichts journalistisch recherchiert. Nun sitzen wir alle hier, haben Aufwand und er hält es nicht für nötig, hier aufzutauchen? Das enttäuscht mich."

Imker Rico Heinzig (links) und sein Anwalt Markus Hoffmann (rechts) am 16.1.2024 im Landgericht Dresden.
Imker Rico Heinzig (li.) und sein Anwalt Markus Hoffmann wehren sich dagegen, ungefragt in einer Satiresendung "durch den Kakao" gezogen zu werden. Beide bedauerten, dass Kläger Jan Böhmermann nicht zum Gerichtstermin kam. Bildrechte: MDR/Kathrin König

Darum geht's im Verfahren: Satire und Persönlichkeitsrechte

Imker Heinzig versteht seine Werbung mit Böhmermanns Konterfei als Gegenreaktion auf einen Beitrag Böhmermanns Anfang November 2023, sagte er vor dem Prozess im Gespräch mit MDR SACHSEN. Darin befasste er sich mit "Greenwashing" bei deutschen Konzernen und nahm auch die deutschen Imker ins Visier. Die Redaktion behauptete, Imker würden "Beewashing" betreiben und aus dem Bienensterben Geschäfte machen. Als Beispiel wurde Heinzig gezeigt, der 200 Bienenvölker hat und mit seiner Firma "MyHoney" Bienenpatenschaften für Schulen und Firmen anbietet. Seine Firma ist mit Logo rund acht Sekunden lang zu sehen.

"Das war relativ negativ beschrieben, dass diese Start-Up-Firmen beschuldigt wurden, dass sie nur Geld damit machen würden", erklärte Richterin Heike Kremz den Zuhörenden den Filmausschnitt. Zudem sei Herr Heinzig nicht gefragt worden, ob er in der TV-Sendung erscheinen will oder ihm die Möglichkeit einer Stellungnahme eingeräumt worden. "Das war Satire", verteidigte Rechtsanwalt Düsing den Kläger Böhmermann.

Imker Jens Ardelt sitzt an einer Werkbank und hat viele kleine mit Honig gefüllte Gläser vor sich. Die beklebt er mit Etiketten für den Online-Versand des Bio-Imkers Heinzig, der vom Moderator Jan Böhmermann verklagt wurde.
Der Mitarbeiter und Imker Jens Ardelt beschriftet und verpackt Honiggläser für den Online-Versand, die sich auf die Böhmermann-Sendung mit Greenwashing-Vorwürfen beziehen. Bildrechte: MDR/Kathrin König

Als Satire und auch Verletzung der Persönlichkeitsrechte des Imkers wertete indessen Anwalt Markus Hoffmann aus Dresden die Aktion seines Mandanten. Imker Heinzig hatte zufällig von einem Kunden vom Böhmermann-Beitrag erfahren. "Dass ich so plötzlich ohne Vorwarnung im Rampenlicht der Öffentlichkeit stehe, da war ich echt geschockt." Der Familienvater und Chef von drei Mitarbeitern wollte sich gegen den "Angriff irgendwie zur Wehr setzen. Die Idee war, mit einer überzeichneten Gegensatire Aufmerksamkeit auf das Thema zu bekommen und auf diesem Wege aufzuklären", erzählte Heinzig MDR SACHSEN.

Dass ich so plötzlich ohne Vorwarnung im Rampenlicht der Öffentlichkeit stehe, da war ich echt geschockt.

Rico Heinzig Imker und Unternehmer

Er ließ vier Plakate drucken und baute einen Stand mit 150 Honiggläsern in einem Edeka in Dresden auf. Auf dem Plakat lässt er Böhmermann einen "Beewashing Honey" empfehlen, nennt ihn einen "führenden Bienen- und Käferexperten". Auf jedem Glas klebt ein QR-Code, über den Interessierte auf einem extra eingerichteten YouTube-Kanal die Imkersicht auf Böhmermanns Vorhaltungen erfahren können.

Ist Plakatwerbung mit Gesicht des Satirikers Satire?

Richterin Krems fragte den beklagten Imker, wie erfolgreich denn der Absatz war. "Der Edeka-Leiter sagte anfangs: 'Ich glaube acht Gläser'. Die erste Aktion verlief weniger erfolgreich." Erst die Berichterstattung in den Medien über den Prozess in den vergangenen zwei Wochen habe Auftrieb gebracht. Aus einem Zeitungsartikel hatte auch Böhmermann von der Honig-Aktion erfahren und den Imker dazu aufgefordert, den Verkauf mit seinem Konterfei zu unterlassen. Doch der ging nicht darauf ein, versteht seine Aktion als Gegensatire - in der Art und Weise, wie das Plakat aussieht und wie auch im Onlineshop auf die Böhmermann-Show verwiesen werde.

Das sieht der Böhmermann-Anwalt Torben Düsing anders. "Es geht um die Persönlichkeitsrechte. Der Kläger will nicht, dass man mit seinem Gesicht und Namen wirbt. Außerdem macht Herr Böhmermann geltend, dass er überhaupt keine Produktwerbung macht". Reaktion des Imkers: "Genau das ist der springende Punkt der Satire: Jeder weiß, dass Herr Böhmermann kein führender Käferexperte ist."

Torben Düsing, Rechtsanwalt von Moderator Böhmermann, sitzt vor Beginn des Prozess im Saal.
Böhmermanns Rechtsanwalt Torben Düsing kann in der Honigwerbung mit Böhmermann-Bild keine Satire erkennen. Bildrechte: picture alliance/dpa | Sebastian Kahnert

Richterin macht Einigungsvorschlag

An dem Punkt setzte auch der Einigungsvorschlag der Vorsitzenden Richterin an. Alle hätten doch genug anderes zu tun, meinte Heike Kremz und schlug als Verständigung vor, dass die Honigvermarktung sofort stoppt und Böhmermanns Seite anerkennt, dass der Verkauf nicht rechtswidrig sei. Der Imker solle sich überlegen, ob er aus der Böhmermann-Sendung herausgeschnitten werde und nicht noch länger in der ZDF-Mediathek zu sehen sein soll. "Also, kommt eine Einigung infrage?" Prompte Antwort des Imker-Beistands: "Wir wollen die Entscheidung." Böhmermanns Anwalt: "Unser Ziel ist, dass die Werbung aufhört."

Damit beendete die Richterin nach 50 Minuten den Gerichtstermin. Am 8. Februar will sie ihre Entscheidung im Fall bekannt geben. Der Imker-Anwalt Hoffmann erwartet, dass es danach in die nächste Gerichtsinstanz vor das Oberlandesgericht (OLG) gehen wird. Er will eine Grundsatzentscheidung darüber, ob und wie sich Opfer von Investigationssatire-Sendungen wehren können. "Wir wären bereit dafür." Böhmermanns Rechtsanwalt Düsing sagte nach dem Prozesstag, dass er "leider keine Stellungnahme abgeben" werde.

Beklagter fühlt sich als Imker und Mensch angegriffen

Der Bio-Imker Rico Heinzig ärgert sich über den Streit auf mehreren Ebenen. Zuerst ist er sauer, dass Böhmermann "einen ganzen Berufststand und tausende Hobbyimker diskreditiert. Er impliziert ja mit seinem Nutztiervergleich, dass Bienen durch den Imker ausgebeutet werden würden. Das ist einfach falsch. Imker sind quasi die Lebensversicherung für die Honigbienen."

Persönlich ärgere ihn der öffentliche Vorwurf, er würde als Bio-Imkerei mit "der Dummheit der Deutschen" Geschäfte machen und "Kunden über den Tisch ziehen". Heinzig fühlt sich in seiner Glaubwürdigkeit als Imker angegriffen und damit auch seine "gesamte Existenz, weil ich ja als Imker nur Honig und Bienen zum Leben habe. Weil Honigkauf und auch die Bienenpatenschaften Vertrauenssache sind, hätte für mich ganz schnell Schluss sein können."

Damit hat Böhmermann entweder kalkuliert oder mindestens billigend in Kauf genommen, dass meine Existenz zerstört wird.

Rico Heinzig Bio-Imker aus Meißen

Doppelmoral: Abmahnanwälte kritisieren und selber abmahnen?

Rico Heinzig kritisiert auch Böhmermanns Vorgehen gegen seine Person: "Nachdem ich mich mit diesem kleinen 'Bienenstich' gewehrt habe und dafür rechtlich von ihm über seine Anwälte belangt worden bin, hat er in einer späteren Sendung mit dem Titel 'Cancel Culture' moralisch überlegen genau dieses Vorgehen, dass mächtige Interessengruppen über ihre Medienanwälte jegliche Kritik oder Widerstand mit Geld totschlagen würden, aufgegriffen und heftig kritisiert."

MDR/epd

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN | MDR SACHSENSPIEGEL | 16. Januar 2024 | 19:00 Uhr

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