Pirna Festung Sonnenstein jetzt Landratsamt 3 min
Im Landratsamt in Pirna sollte die Wanderausstellung über das Schicksal geflüchteter Menschen, die heute im Erzgebirgskreis leben, ab 25. September 2024 Station machen. Bildrechte: IMAGO / Sylvio Dittrich
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Noch vor der Eröffnung ist eine Ausstellung über Geflüchtete in Pirna wieder abgebaut worden. Robin Hartmann berichtet über die Hintergründe.

MDR KULTUR - Das Radio Mi 18.09.2024 09:12Uhr 02:58 min

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Vor der Eröffnung abgehängt Pirna: Eklat um Ausstellung über Geflüchtete im Landratsamt

18. September 2024, 10:14 Uhr

In Pirna ist es zum Eklat um eine Ausstellung über Geflüchtete gekommen. Unter dem Titel "Es ist nicht leise in meinem Kopf" dokumentiert sie das Schicksal von 35 Menschen, die in Schwarzenberg und Umgebung Zuflucht gefunden hatten. Die Ausstellung war bereits an anderen Orten in Sachsen zu sehen. Am 25. September sollte sie zu den Interkulturellen Woche im Landratsamt in Pirna eröffnen. Doch dort wurde sie einen Tag nach dem Aufbau wieder abgehängt, weil sie der Behörde zufolge "polarisierte".

  • In Pirna sollte im Rahmen der Interkulturellen Woche eine Wanderausstellung über geflüchtete Menschen zu sehen sein.
  • Das Landratsamt ließ die Schau noch vor der geplanten Eröffnung am 25. September wieder abbauen, weil sie "polarisierte".
  • Die Entscheidung sorgt für eine Welle der Empörung von den Organisatoren bis zum sächsischen Ausländerbeauftragten.

Seit einem guten Jahr ist die Ausstellung "Es ist nicht leise in meinem Kopf" in Sachsen und Sachsen-Anhalt unterwegs. Im Landratsamt in Pirna sollte sie nun im Rahmen der Interkulturellen Woche ab 25. September gezeigt werden. Doch daraus wird nichts.

Landratsamt Pirna hängt Ausstellung vor Eröffnung ab

Das Landratsamt schreibt in einer Stellungnahme: "Die Ausstellung polarisierte bereits in den ersten Stunden nach ihrem Aufhängen und sorgte für eine aufgeheizte Stimmung unter den anwesenden Betrachtern."

Mitorganisator Werner Lobeck glaubt, der Inhalt der Ausstellung sei nicht verstanden worden. In den zugrunde liegenden Interviews berichteten die Geflüchteten über ihr Schicksal, am Ende seien sie immer auch gefragt worden, wie es ihnen in Deutschland gefalle und was es für Probleme gebe: "Wir finden, das ist ganz wichtig, dass das dargestellt wird, um eine Integration zu ermöglichen oder zu befördern", erklärte Lobeck.

"Verständlicherweise Unmut von Bürgern hervorgerufen"

Aus diesen veröffentlichten Interviews zitiert das Landratsamt, greift einzelne Schilderungen Geflüchteter heraus. Sätze wie: "Wir sind eingesperrt wie hinter einer Mauer", "Ich habe kein Leben in Deutschland", "Ich weiß nicht, ob ich hierbleiben will." Oder in Bezug auf Polizei-Erfahrungen den geäußerten Eindruck, "dass du nur kontrolliert wirst, weil du schwarz bist".

Äußerungen wie diese, findet das Landratsamt, riefen "verständlicherweise Unmut und Unverständnis von Bürgern und Mitarbeitern des Landratsamtes über die gezeigte Ausstellung hervor". Aus diesem Grund sei entschieden worden vom Hausrecht Gebrauch zu machen und den sofortigen Abbau der Ausstellung zu veranlassen.

Vielstimmige Kritik am Landratsamt: "Fatale Auswirkungen"

Eine Entscheidung, die für viele nicht nachvollziehbar ist – zumal weder bekannt ist, wer sich tatsächlich beschwerte, noch wie viele Beschwerden eingingen. So sieht der Ökumenische Vorbereitungsausschuss zur Interkulturellen Woche das Verhalten kritisch, spricht von fatalen Auswirkungen und will das Gespräch mit dem Landratsamt suchen.

Ein Mann mut kurzen grauen Haare, Brille und Anzug blickt kritisch in die Kamera.
Der CDU-Politiker Geert Mackenroth ist seit Dezember 2014 Sachsens Ausländerbeauftragte und sieht den Abbau der Ausstellung in Pirna kritisch. Bildrechte: picture alliance / dpa | Arno Burgi

Auch der sächsische Ausländerbeauftragte Geert Mackenroth hat kein Verständnis für den Abbau, kennt die Bilder von deren Ausstellung in der Arbeitsagentur in Chemnitz. An der Berufsakademie Sachsen in Breitenbrunn war die Wanderschau im Frühsommer zu Gast und öffentlich zugänglich. Damals gab es nur positive Rückmeldungen, wie Professorin Carola Sommer berichtet: "Ich habe mich gefreut, dass sie hier läuft. Die war ein richtig toller Erfolg."

Auch im sächsischen Landtag wurde die Ausstellung gezeigt, die Fraktion der Grünen hatte die Bilder auf dem Weg zum Plenarsaal aufhängen lassen. Die dokumentierten Geschichten sorgten für großes Interesse, fraktionsübergreifend, wie die bisherige Abgeordnete Ines Kummer betont. Die Entscheidung vom Landratsamt Pirna könne sie nicht verstehen: "So eine Reaktion hätte ich im Leben nicht erwartet. Da war ich schon ziemlich erschüttert."

Eine Frau mit kurzen blonden Haaren, grünem Shirt und schwarz-weiß geblümter Jacke lächelt in die Kamera.
Ines Kummer sitzt seit Januar 2020 für die Grünen im Sächsischen Landtag und hat die Ausstellung "Es ist nicht leise in meinem Kopf" mit initiiert. Bildrechte: Elenor Breusing

Kummer hätte sich gewünscht, dass sich mit den geschilderten Erlebnissen einzelner Migranten auseinander gesetzt und mit empörten Besuchern oder Mitarbeitern das Gespräch gesucht und hinterfragt werde, wieso sich die Migranten so äußerten: "Das war vielleicht der Weg des geringsten Widerstandes, die Ausstellung wieder abzuhängen", kritisierte sie.

Nächste Termine in Grünhain-Beierfeld und Dresden

Auch wenn die Ausstellung nun kein Teil der diesjährigen Interkulturellen Woche in Pirna ist, wurde den Organisatoren angeboten, im nächsten Jahr einen geeigneten Standort in der Stadt zu suchen. Ob sie aber noch einmal Lust auf Pirna haben, wissen die Aussteller um Werner Lobeck nicht.

Die nächsten Termine seien aber schon gebucht. Unter anderem in Grünhain-Beierfeld im Erzgebirge und in Dresden, in den Büroräumen des sächsischen Ausländerbeauftragten.

Mehr über die Wanderausstellung

"Es ist nicht leise in meinem Kopf"
Zufällig in Schwarzenberg


Das Schicksal von 35 Menschen, die heute im Erzgebirgskreis leben, wird in Fotos, Interviews und mit Fluchtrouten dokumentiert. Dazu erschien auch ein Buch, herausgeben vom Flüchtlingsunterstützerkreis Schwarzenberg.

Die Ausstellung ist ab dem 14. Oktober in der St.-Nikolai-Kirche Grünhain zu sehen.

Quelle: MDR KULTUR (Robin Hartmann), Redaktionelle Bearbeitung: ks

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | Kultur kompakt | 18. September 2024 | 06:30 Uhr

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