Personalmangel Zugausfälle der Deutschen Bahn im Großraum Dresden dauern an
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12. Juli 2023, 12:37 Uhr
Pendler sind genervt und auch beim Verkehrsverbund Oberelbe nähert sich die Stimmung einem Tiefpunkt. Die Deutsche Bahn kann seit einem Jahr keinen stabilen Zugverkehr im Großraum Dresden garantieren. Der Fahrplan ist zusammengestrichen. Doch nicht einmal die Züge, die noch fahren sollen, kommen zuverlässig. Pendler denken schon über den Umstieg aufs Auto nach. Ein Ende der Zugausfälle ist vorerst nicht in Sicht.
- Pendler müssen an manchen Tagen aufs Auto umsteigen, um pünktlich zu sein.
- Mehr als 1.000 geplante Zugfahrten sind im ersten Halbjahr 2023 ausgefallen.
- Deutsche Bahn räumt Probleme ein und bittet Fahrgäste um Entschuldigung.
Die Deutsche Bahn schafft es noch immer nicht, im Großraum Dresden einen stabilen Regionalverkehr auf die Schiene zu bekommen. Verspätungen und Ausfälle insbesondere auf den S-Bahn-Linien strapazieren die Nerven von Berufspendlern und Reisenden. Ein Sprecher des Verkehrsverbundes Oberelbe (VVO) verwies auf Anfrage darauf, dass "die mangelhafte Qualität bei DB Regio nun bereits seit einem Jahr anhält". Welche Finanzsumme der VVO für bestellte und von der Deutschen Bahn nicht erbrachten Zugfahrten schon einbehalten hat, wollte der Sprecher nicht sagen - auch nicht, wo genau das eingesparte Geld zum Einsatz kommt.
Pendler aus Meißen musste mehrfach das Auto nehmen
Betroffen von den ständigen Ausfällen ist Kai Beckert aus Meißen. Der Lehrer pendelt üblicherweise mit der S1 von Meißen-Triebischtal nach Dresden-Pieschen oder zum Haltepunkt Bischofsweg. Allerdings wird er immer häufiger ausgebremst. Allein im Juni fiel die S-Bahn um 7:04 Uhr ab Triebischtal - ein klassischer Pendlerzug - sechs Mal aus. An zwei Tagen musste der Meißner aufs Auto umsteigen, um noch rechtzeitig zur Arbeit zu kommen.
Unter den Pendlern herrsche eine Stimmung aus Frust und Resignation, sagte Beckert. Auch die Fahrkartenkontrollierenden im Zug seien inzwischen genervt und könnten den Fahrgästen bei Störungen nur selten eine kompetente Antwort geben. Auf Nachfragen beim VVO habe er nie eine Entschuldigung oder eine plausible Erklärung erhalten. Der Berufspendler hat den Eindruck, dass sich die Lage seit Einführung des Deutschlandtickets Anfang Mai nochmals verschlechtert habe. Für Nutzer des Deutschlandtickets gilt auch die Kundengarantie des VVO nicht mehr, sodass er keine Entschädigung bei Ausfällen bekommt. Das bestätigte auch der VVO-Sprecher.
Mehr als 1.200 Fahrten komplett gestrichen
Lehrer Beckert denke inzwischen hin und wieder darüber nach, häufiger das Auto zu nutzen, sagt er. Dabei wolle er das gar nicht. Er lebt nach eigenen Angaben umweltbewusst und sei überzeugter Bahnfahrer. Zudem könne er während der rund halbstündigen Fahrt zwischen Meißen und Dresden im Zug arbeiten, den Unterricht vor- und nachbereiten. Allerdings funktioniere das nur, wenn er sich auf den Fahrplan verlassen könne.
Dass das derzeit nicht klappt, beweisen Zahlen des VVO. Ein Sprecher erklärte auf Nachfrage, im ersten Halbjahr seien 1.162 geplante Fahrten im Dresdner S-Bahn-Netz auf ihrem gesamten Laufweg ausgefallen. Dies entspreche 2,28 Prozent der bestellten S-Bahn-Leistungen. Weitere 1.320 S-Bahnen sind nach dieser Statistik auf einer Teilstrecke ausgefallen. Neben kaputten Loks, Waggons und Triebwagen sowie Personalmangel seien in den Zahlen aber auch Störungen durch Unwetterschäden oder Menschen im Gleis enthalten, weist der VVO-Sprecher hin. Allerdings muss zugleich erwähnt werden, dass wegen der massiven Personal- und Technikprobleme bei DB-Regio ein gestraffter Fahrplan gilt. So sind etwa Verstärkerfahrten im Berufsverkehr oder die S30 zwischen Tharandt und Freiberg sowieso komplett gestrichen.
Personal fehlt an allen Ecken und Enden
Schwacher Trost für den Lehrer aus Meißen: "Seine" Linie S1 ist gar nicht am störanfälligsten. Besonders betroffen sind laut VVO die S3 Dresden - Tharandt – Freiberg, die S8 Dresden - Kamenz (mit meist oft kürzeren Zügen) sowie die Regionalbahnlinie RB71 zwischen Pirna und Sebnitz.
Die DB Regio nennt dem VVO "als wesentliche Gründe einen Mangel an Triebfahrzeugführern sowie einen erhöhten Krankenstand bei Fahr- und Werkstattpersonal", so der Verbundsprecher. "Letzteres führt zum Instandhaltungsstau in der Werkstatt Dresden-Altstadt und damit zu der Situation, dass weniger Wagen eingesetzt werden können als von uns bestellt." Wer sich mit Eisenbahn auskennt und genau hinschaut, merkt schnell, dass die Deutsche Bahn inzwischen auch aus anderen Netzen Fahrzeuge im VVO-Gebiet einsetzt und nach eigenen Angaben noch immer fünf betagte Doppelstockwaggons aus Beständen der DDR-Reichsbahn ohne Klimaanlage einsatzbereit hält.
Bahn bittet um Entschuldigung
Eine Sprecherin der Deutschen Bahn erklärte: "Die Einschränkungen sind bis auf Weiteres nötig." Und fügte hinzu: "Wir wissen, dass wir den Reisenden aktuell nicht die Zuverlässigkeit und Qualität bieten, die sie zu Recht von uns erwarten." Man arbeite mit "Hochdruck an der Stabilisierung der Lage". Die DB AG habe eine Einstellungs- und Qualifizierungsoffensive gestartet. "Mit der Unterstützung der Werkstätten in Dresden, Chemnitz und Rostock können wir die Radsätze und Motoren unserer Flotte deutlich schneller tauschen und so auch die Fahrzeugverfügbarkeit stabilisieren", sagte die Bahnsprecherin weiter.
Fahrgastverband fordert dringend Nachbesserungen
Der Fahrgastverband Pro Bahn hatte erst am Wochenende die anhaltenden Ausfälle und Störungen scharf kritisiert. "Es sollte geprüft werden, ob zeitweise ein S-Bahn-Pendelverkehr auf der S1 zwischen Meißen und Coswig im Halbstundentakt die Anbindung von Meißen sicherstellen kann", fordert der Fahrgastverband. Gleiches gelte für einen Pendelverkehr zwischen Klotzsche und dem Dresdner Flughafen. Auch ein Ersatzverkehr mit Bussen sei eine Möglichkeit. In Coswig und Klotzsche haben Bahnreisende Anschluss an andere Regionalzüge, die störungsfrei unterwegs sind. Der VVO hält den vorgeschlagen Pendelverkehr nicht für hilfreich. Das würde den derzeit labilen Zugbetrieb noch komplizierter machen.
Ferner fordert der Fahrgastverband eine bessere Information. "Es kann nicht sein, dass der Fahrgast erst am Bahnsteig oder erst lange nach der geplanten Abfahrt seines Zuges von einer Verspätung oder einem Ausfall erfährt." Eine Ankündigung weniger als 48 Stunden vor Ausfall müsse "die absolute Ausnahme und nicht die Regel sein". Oftmals verweisen aktuell die Lautsprecherdurchsagen bei Störungen auf "kurzfristigen Personalausfall".
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Regionalnachrichten aus dem Studio Dresden | 12. Juli 2023 | 09:30 Uhr