Staatsschauspiel Dresden Theater überzeugt mit "Drei ostdeutsche Frauen betrinken sich"
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21. März 2025, 10:33 Uhr
Das Staatsschauspiels Dresden zeigt eine Bühnenfassung des Buches "Drei ostdeutsche Frauen betrinken sich und gründen den idealen Staat" von Annett Gröschner, Wenke Seemann und Peggy Mädler. Am Donnerstag feierte das Stück Premiere – ein leicht und fröhlich wirkender Abend mit vielen Pointen, toller Musik und zugleich inhaltlicher Tiefe, findet unser Kritiker. Denn die Inszenierung gibt interessante Perspektiven auf Politik und Gesellschaft.
- Das Staatsschauspiel Dresden hat am Donnerstagabend die Premiere der Bühnenfassung des Buches "Drei ostdeutsche Frauen betrinken sich und gründen den idealen Staat" gezeigt.
- Unser Kritiker findet die Inszenierung sehr gelungen und sagt, die Schauspielerinnen bereicherten die Handlung.
- Das Stück zeige interessante Perspektiven auf Politik und Gesellschaft und sei damit "weit mehr als nur ein Ostalgie-Abend mit Humorbeilage".
Auf den ersten Blick ist die Dresdner Inszenierung ein regelrechtes Pointen-Feuerwerk – ganz wie das Buch, auf dem sie basiert. Sieben Mal haben sich die drei Autorinnen Annett Gröschner, Wenke Seemann und Peggy Mädler getroffen, sieben Nächte lang haben sie gesprochen und getrunken und dabei eine lange Liste von Themen abgearbeitet. Manchmal haben sie auch nur geschwatzt, über Gott und die Welt und über sich selbst.
Das ist manchmal sehr lustig, manchmal sehr privat, wenn sie etwa über ihre finanzielle Lage sprechen. Sehr intim wird es, wenn sie über ihre Körper sprechen. Nicht immer, aber oft ist die Stimmung launig, wozu sicher der Alkohol beiträgt. Als sie einmal alte Ausgaben der DDR-Zeitschrift "Für Dich" durchblättern, stellen sie fest: "Wäre die Mauer 1979 gefallen, hätten die Ostlerinnen so viel besser in den Geschichtsbüchern ausgesehen."
Bühnenfassung ist gelungen und bereichert die Handlung
Die spannende Frage war: Was würde daraus werden, wenn drei Schauspielerinnen nachspielen, dass drei ganz konkrete Frauen – die drei Autorinnen – Gespräche führen, herumalbern, Gummitwist spielen und dabei ziemlich viel trinken. Nach der Premiere wissen wir es: Das Konzept ist aufgegangen als großer Abend von und mit ostdeutschen Frauen. Regisseurin Henriette Hörnigk hält sich in ihrer Bühnenfassung ziemlich exakt an die Vorlage, und das Ergebnis zündet im Publikum sofort. Dabei schafft sie es, dass die drei Schauspielerinnen die Handlung des Buches sogar noch bereichern.
Cindy Weinhold singt und spielt unter anderem Songs von Silly und Karussell, und zwar so gut, dass sie alleine schon den Abend wert wäre.
Christine Hoppe, Anna-Katharina Muck und Fanny Staffa spielen die drei Buchautorinnen. Sie werden anfangs in ihren Rollen vorgestellt, à la "Christine Hoppe spielt Annett Gröschner". Aber sehr schnell bemerkt man, wie sie sich persönlich einbringen, wo sie zustimmen, wo weniger – genauso wie auch im Publikum sofort reagiert wird. Die eigenen Erinnerungen sind schnell mit am Start.
Zusätzlich werden auch Erinnerungen und Jugend-Fotos der Schauspielerinnen eingeblendet, so dass eigentlich sechs ostdeutsche Frauen auf der Bühne zu erleben sind. Streng genommen sogar sieben, denn auch Cindy Weinhold, die Live-Musik macht, stammt aus dem Osten. Sie singt und spielt unter anderem Songs von Silly und Karussell, und zwar so gut, dass sie alleine schon den Abend wert wäre.
Was eine Ostdeutsche ausmacht
Inhaltlich ist zunächst vieles ein Spiel mit Klischees, bei dem sich Ironie mit Wahrheiten mischt. Was ist denn nun eigentlich eine Ostfrau? Bittesehr: Ostfrauen lassen ihre Kinder vor der Kaufhalle stehen oder auf dem Balkon, wenn sie schreien, wegen der frischen Luft. Ostfrauen haben immer einen Beutel in ihrer Handtasche, ein sehr natürliches Verhältnis zu ihrem Körper und ziehen sich gerne aus. Ostfrauen verlassen ihren Mann, wenn er zu viel Scheiße baut. Doppelbödiges kann so schön sein!
Am Ende fragt Fanny Staffa, ob es denn nun nicht langsam mal gut sei mit Ost und West und sie nun ja letztlich alle Westfrauen seien. Christine Hoppe antwortet, sie habe sehr viel Energie dafür aufgewandt, eben keine Westfrau zu werden. Das Lachen im Saal deutet darauf hin, dass mehr Ostfrauen im Publikum sitzen. Als es heißt, dass die Ostfrauen im Vergleich zu den Männern eindeutig die besseren Klischees zugeschrieben bekommen haben, lachen alle. Soweit zum Thema leicht und heiter.
Interessante Perspektiven auf Politik und Gesellschaft
Nur was, fragt Musikerin Cindy Weinhold die drei Frauen regelmäßig, was ist denn nun mit dem idealen Staat? Dann zeigen sich in den thematisch mäandernden Gesprächen immer wieder hochpolitische Momente und Argumente. Die Präambel einer zukünftigen gemeinsamen Verfassung wird zitiert, geschrieben 1990 von Christa Wolf. Wie wir wissen, ist dann genau nichts Ostdeutsches ins Grundgesetz eingeflossen. Wie steht es um die Gleichberechtigung, wie um die Chancengleichheit? Ein echter Höhepunkt, wenn Fanny Staffa regelrecht schreit: "Wir können Kapitalismus nicht positiv denken, das ist ein Ergebnis unserer Ost-Sozialisation!"
Da steckt so unglaublich viel Substanz drin, in diesen knapp zwei Stunden mit dem genialen Titel.
Das Raffinierte an diesem Abend ist zudem, dass er verschiedene Perspektiven auf gesellschaftliche Problemfelder zeigt, die überhaupt nicht ost- oder westdeutsch sind, sondern letztlich viel größer. Denn natürlich wissen diese Ostfrauen, dass sie aus Sicht der übrigen Welt heute alle "Westfrauen" sind und – bei allen Sorgen – in vielen Fragen privilegiert, wie wir alle. Die Klimakrise klingt an, der Rechtsruck wird gezeigt.
Tatsächlich ist die Inszenierung weit mehr als nur ein Ostalgie-Abend mit Humorbeilage. Da steckt so unglaublich viel Substanz drin, in diesen knapp zwei Stunden mit dem genialen Titel. Dazu die Live-Musik, die Videos, die Fotos – dieser Abend wird sein Publikum ganz sicher finden, und das ist gut so.
Informationen zum Stück
"Drei ostdeutsche Frauen" betrinken sich und gründen den idealen Staat"
nach dem gleichnamigen Buch von Annett Gröschner, Wenke Seemann und Peggy Mädler
Premiere: 20. März 2025
Adresse:
Staatsschauspiel Dresden
"Kleines Haus"
Glacisstraße 28
01099 Dresden
Nächste Termine:
29. März, 11. April, 24. April (alle ausverkauft, Restkarten ggf. an der Abendkasse)
weitere Termine sollen folgen
Mitwirkende (u.a.):
Regie: Henriette Hörnigk
Schauspielerinnen:
Annett Gröschner: Christine Hoppe
Peggy Mädler: Anna-Katharina Muck
Wenke Seemann: Fanny Staffa
Live-Musik: Cindy Weinhold
redaktionelle Bearbeitung: sg
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 21. März 2025 | 08:40 Uhr