Mundart-Wettbewerb "Nausbelzen" ist das Erzgebirgswort 2022
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12. November 2022, 18:01 Uhr
Die Mundart des Erzgebirges gilt als hohes, aber bedrohtes Gut, das erhalten werden soll. Daher ist am Sonntag zum sechsten Mal das Erzgebirgswort des Jahres in Thum gekürt worden. Die Wahl fiel auf "nausbelzen" was so viel heißt, wie aus der Stube raus in die Natur treiben - es beschreibt eine erzgebirgische Eigenheit.
- "Nausbelzen" wird diesjähriges Siegerwort und beschreibt eine Eigenheit der Erzgebirger.
- Die Öffentlichkeit darf Begriffe einreichen und über die Besten abstimmen.
- Zehn Worte zum Thema Natur befanden sich in der engeren Auswahl.
Also 'nausbelzen' ist, dass man endlich wieder mal aus der Stube rausmacht in die Natur.
Die Menschen im Erzgebirge sind Meister der Gemütlichkeit. Das schlägt sich auch in ihrem Wortschatz nieder, der nur so strotzt vor warmen Musebegriffen wie "ausbutzeln", "hutzen" und "Feierohmd".
Das Erzgebirgswort des Jahres 2022, das am Sonntagnachmittag im Volkhaus Thum bekannt gegeben wurde, bricht mit eben dieser Gemütlichkeit. Das Wort lautet nämlich "nausbelzen".
„Also „nausbelzen“ ist, dass man endlich wieder mal aus der Stube rausmacht in die Natur. Oder früher war es ja so, dass wir die Kinder nausbelzen mussten. Die sitzen ja immer nur vor der Kiste, vor dem Computer, und wir müssen die Kinder nausbelzen", sagt Carmen Krüger vom Erzgebirgsverein. Dieser organisiert den Wettbewerb um das Erzgebirgswort des Jahres gemeinsam mit der Zeitung "Freie Presse".
Nausbelzen - ein Wort und seine Herkunft
Das Wort "belzen" findet sich schon im Grimmschen Wörterbuch, dem Standardwerk der Deutschen Sprache. Darin werden seit mehr als hundert Jahren, Worte und ihre Herkunft erklärt. Laut diesem Werk hat der Begriff nichts mit "Pelz" oder "Haut" zu tun, sondern eher mit der Balz, landwirtschaftlich kann es synonym zu "pfropfen" oder "zweigen" verwendet werden.
Eine etwas moderne Lesart von "belzen" bietet der Duden. Dort wird das schwache Verb mit "vor der Arbeit drücken" erklärt.
Im Ansatz ist letztere Lesart auch im Erzgebirgischen enthalten. Schließlich werden vor allem müßige Menschen irgendwo hingebelzt, die nichts anderes zu tun haben. Das "naus" in "nausbelzen" ist nichts anderes als das dialektale "raus". Das Wort wird in mehreren Teilen des Erzgebirges verwendet - vor allem wenn es darum geht, Kinder nach Draußen und aus der Stube zu schicken. Gleichzeitig wird es ab und an auch auf andere Elemente und Personen gemünzt, etwa Geflüchtete, wenn sie gerade als unerwünscht gelten.
Duden, Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm
Wettbewerb zur Konservierung der Mundart
Die "Sperrgusche" wurde 2017 zum Erzgebirgischen Wort des Jahres gewählt.Das Wort "Sperrgusche" lässt sich übersetzen als "Person", aber das trifft es nicht komplett. Sperrguschn sind fast zwanghaft neugierige Menschen, Gaffer vielleicht – aber es wird eher liebevoll gemeint. Die wohl bekannteste Figur, auf die diese Bezeichnung zutrifft ist Frau Elster aus dem Sandmann.
Der Wettbewerb ist eine Initiative der Tageszeitung "Freie Presse" und dem Erzgebirgsverein. Sie veranstalten jedes Jahr einen Aufruf, bei dem Einheimische und Auswärtige dazu aufgefordert sind, ihr liebstes Wort zu schicken.
In den vergangenen Jahren wurden unter anderem "Lorks", das nachlässig Gepfuschtes oder mangelhaft Produziertes beschreibt, und "Ausbutzeln" zu Gewinnerworten gekürt. Für Letzteres wäre die Übersetzung mit "Ausschlafen" viel zu kurz begriffen, beschreibt es doch eine ganze Lebensart – das noch ein bisschen im Bett liegen bleiben, sich der Gemütlichkeit, der Bettwärme hingeben. Ausbutzeln kann durchaus als Hobby durchgehen.
Jedem beim Erzgebirgsverein oder der Freien Presse eingereichten Begriff ist eine kurze hochdeutsche Erklärung beizufügen. Eine Jury filtert dann, so erklärt es der Erzgebirgsverein, aus den Einsendungen die zehn passendsten Begriffe heraus. Die Öffentlichkeit darf über diese Begriffe abstimmen.
"Neben dem Erzgebirgischen Wort des Jahres 2022 suchen wir ebenfalls ein bedrohtes Wort, das eventuell bald aus dem Sprachgebrauch verschwindet", sagt Carmen Krüger vom Erzgebirgsverein.
Natur in zur Region passende Worte packen
In diesem Jahr wählte der Verein den Oberbegriff "Natur" für die Suche nach dem Erzgebirgswort des Jahres. Knapp 600 Einsendungen kamen zusammen. Das Erzgebirgswort des Jahres 2022, ist am Sonntagnachmittag im Volkshaus Thum bekanntgegeben worden. „Also für mich ist "Rannelwatter" einwandfrei. Das ist so ein bisschen mit der Liebsten oder mit dem Liebsten hinausgehen in den Wald, ein bisschen die Decke ausbreiten und es sich ein bisschen gemütlich machen. Oder auch "treich" ist auch so schön, dieses Jahr war ja der Sommer so trocken. Das ist übersetzt gewesen", sagt Carmen Krüger zum diesjährigen Thema.
Diese Begriffe sind in der engeren Auswahl gewesen:
nausbelzen | an die frische Luft schicken |
Rannlwatter | schönes Wetter, um mit den Liebsten rauszugehen |
Heipfaar | Heuschrecke oder was für ein Trottel |
bereimelt | mit Reif besetzt |
treich | trocken |
Viechgokel | Person mit großem Sachverstand von Tieren |
Meinzele | Blütenknospen der Salweide, Kätzchen |
Saachwammis | Ameise |
Mutworf | Maulwurf |
Poninich | Pfingstrose |
MDR (sho)
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN | MDR SACHSENSPIEGEL | 13. November 2022 | 19:00 Uhr