Kulturhauptstadt Europas 2025 Chemnitz: Sparpläne der Stadt bedrohen Kultur
Hauptinhalt
07. Februar 2025, 03:00 Uhr
Ausgerechnet im Jahr als Kulturhauptstadt muss Chemnitz sparen. Die geplanten Kürzungen könnten städtische Kultur wie freie Szene besonders hart treffen. Vereine wie das Kraftwerk und das Kunstfestival Begehungen befürchten finanzielle Einbußen. Im März wird der kommende Doppelhaushalt 2025/2026 im Stadtrat debattiert.
- Die geplanten Kürzungen treffen vor allem die freie Szene, darunter das Kunstfestival Begehungen.
- Der Geschäftsführer des soziokulturellen Zentrums Kraftwerk spricht von einer wütenden Stimmung in der Kulturszene.
- Die Sparmaßnahmen wirken sich auch auf das Programm der Kulturhauptstadt Chemnitz aus.
Edvard Munch, Karl Schmidt-Rottluff, Neue Sachlichkeit: Im Kulturhauptstadtjahr folgt bei den Kunstsammlungen Chemnitz eine Ausstellungseröffnung auf die nächste. Doch die Eintrittspreise sind ab Januar erhöht worden und Generaldirektorin Florence Thurmes und ihr Team sind für ein paar Projekte noch auf der Suche nach Drittmitteln.
In dem städtischen Kulturbetrieb blickt man dennoch zuversichtlich auf 2025. Wie Thurmes MDR KULTUR sagte, könnte es im nächsten Jahr aber etwas schwieriger werden: "Es gibt verschiedene Maßnahmen, die vorgelegt wurden. Da ist zum Beispiel ein zweiter Schließtag dabei. Das bedeutet, dass wir an den großen Häusern montags und dienstags geschlossen haben." Die kleineren Häuser, wie zum Beispiel das Van-de-Velde-Museum oder das neu zu eröffnende Karl-Schmidt-Rottluff-Haus hätten dann nur von Freitag auf Sonntag geöffnet.
Drastische Einschnitte für die freie Szene
Für die freie Szene, die zahlreiche Projekte zum Programm der Kulturhauptstadt beisteuert, zeichnen sich aber bereits jetzt drastische Einschnitte ab. Lars Neuenfeld vom Kunstfestival Begehungen sagte MDR KULTUR, dass im Budget für die diesjährige Ausgabe eine mittlere fünstellige Summe noch nicht gedeckt sei.
Jedes Jahr beleben die Begehungen für einige Tage leer stehende Gebäude mit zeitgenössischen, oftmals ortsgebundenen Arbeiten. 2025 soll nun alles eine Nummer größer werden: Im Juli und August bespielt das Festival vier Wochen lang das Areal des stillgelegten Braunkohlekraftwerks Nord, weithin bekannt durch die farbig leuchtende, so genannte "Esse". Auf dem Festivalgelände sollen beispielsweise Werke von Hito Steyerl und Gregor Schneider entstehen.
Das heißt, wir müssen ganz konkret Künstler ausladen. Das wollen wir nicht und das kann auch die Kulturhauptstadt Europas nicht wollen.
Da die diesjährige Festivalausgabe in Absprache mit der Stadtverwaltung geplant worden sei, spricht Neuenfeld jetzt mit Blick auf die geplanten Kürzungen im Kulturetat der Stadt von Vertrauensverlust. Das fehlende Budget bedeute, dass an der Qualität der Ausstellungen gespart werden müsse. "Das heißt, wir müssen ganz konkret Künstler ausladen. Das wollen wir nicht und das kann auch die Kulturhauptstadt Europas nicht wollen", erklärte der Festivalsprecher.
Vereine in Chemnitz wütend über Kürzungen
Weitaus drastischer formuliert es Holm Krieger, Geschäftsführer des größten soziokulturellen Zentrums der Stadt, dem Kraftwerk. Seinem Haus fehlen nicht nur 80.000 Euro Fördermittel, sondern auch die wichtigen Einnahmen durch Vermietungen, weil andere Vereine wiederum dafür keine Mittel mehr hätten.
Unter anderem Vereine wie das Kraftwerk waren es, die mit ihrem Engagement das Projekt Europas Kulturhauptstadt 2025 vorangebracht und den Titel nach Chemnitz geholt haben. Ausgerechnet sie werden laut Krieger "jetzt in der Substanz gekürzt." Neben Themen wie Kurzarbeit stünden bei einigen auch Schließungen im Raum. Es herrsche allgemein eine "unglaublich wütende und verärgerte Stimmung."
Warum an der Kultur in Chemnitz gespart wird
Um die 800.000 Euro weniger pro Jahr sieht der aktuelle Haushaltsentwurf für 2025/2026 für die ohnehin unterfinanzierten freien Träger vor – ein Rückfall auf das Niveau von 2021/2022. Kulturbürgermeisterin Dagmar Ruscheinsky argumentierte, die nun fehlende Summe habe man in den beiden Vorjahren vom Freistaat Sachsen erhalten, um Inflation, Corona-Nachwirkungen sowie gestiegene Personal- und Energiekosten auszugleichen.
"Wir haben diese Sonderzahlungen komplett an die freien Träger durchgereicht", erklärte Ruscheinsky bei MDR KULTUR. Besagte Kostensteigerungen exisitieren aber weiterhin und insofern wolle man jetzt verstärkt den Austausch suchen und Vernetzungen oder auch personelle Synergien mit den Kulturakteurinnen und Akteuren ausloten.
Projekte sollen trotz klammer Kassen stattfinden
Auch Stefan Schmidtke, Programmgeschäftsführer der Kulturhauptstadt gGmbH, mache dieser volatile Zustand Sorgen. Er und sein Team hätten gerade ordentlich zu tun und führten zahlreiche Gespräche mit von Kürzungen bedrohten Partnern, damit Projekte nicht abgesagt werden müssten. "Da gibt es viele Methoden, zum einen ist das unser Zugriff auf Stiftungen und andere Förderträger, das andere sind unsere Eigenmittel, die nochmal umsortiert werden", sagte Schmidtke MDR KULTUR.
Der Kulturhaupstadt-Geschäftsführer glaubt, dass mit dem Haushaltbeschluss auf Landesebene noch einmal Bewegung in die Sache kommt. Aber dort ist sicher ebenfalls mit Kürzungen bei der Kultur zu rechnen.
Quelle: MDR KULTUR (Grit Krause), redaktionelle Bearbeitung: vp, lk
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | MDR KULTUR am Morgen | 07. Februar 2025 | 07:10 Uhr