Im Abendlicht tummeln sich viele Menschen am Wasser in einer Innenstadt. 8 min
2025 soll für Sachsen ein kulturelles Ausnahmejahr werden, mit dem Großereignis Kulturhauptstadt Chemnitz und vielen Jubiläen. Doch die Feierstimmung ist getrübt vom Sparzwang. Ein Ausblick von Grit Krause. Bildrechte: Chemnitz 2025 gGmbH / Ernesto Uhlmann

Ausblick Kulturjahr 2025 in Sachsen: Finanzsorgen trüben die Feierlaune

02. Januar 2025, 04:00 Uhr

Die Kultur in Sachsen blickt zwiegespalten auf das neue Jahr, mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Einserseits gibt es Anlass zum Feiern. Die Kulturhauptstadt Chemnitz wird Realität – ein kulturelles Großereignis, das die Chemnitzer mitreißt. Außerdem füllen viele Jubiläen den sächsichen Kulturkalender. Zugleich sorgen massive Sparmaßnahmen und Planungsunsicherheiten für Alarmstimmung, besonders in der freien Kulturszene. Was wir vom Kulturjahr 2025 in Sachsen erwarten können.

  • Chemnitz prägt als Europas Kulturhauptstadt 2025 mit unzähligen Veranstaltungen das gesamte Kulturjahr in Sachsen.
  • Doch auch diverse Jubiläen in allen Bereichen der Kunst und Kultur sorgen für Anlässe zum Feiern und für Wiederentdeckungen.
  • Überschattet wird die Vorfreude allerdings durch die Kulturpolitik mit regiden Sparmaßnahmen, dem noch nicht verabschiedeten Doppelhaushalt und zähen Verhandlungen.

Das Ereignis des Jahres lautet in Sachsen zweifellos: Chemnitz, die Europäische Kulturhauptstadt 2025. Das Programm wurde im Oktober 2024 offiziell vorgestellt: mit einer Performance von Chemnitzerinnen und Chemnitzern – mit ihren ganz verschiedenem Hintergründen. Sie haben davon erzählt, warum sie in Chemnitz leben und was sie sich für ihre Stadt wünschen.

Ein weltoffenes Chemnitz

Das gab einen ersten und sehr berührenden Eindruck davon, was das Kulturhauptstadtjahr ausmachen wird: nämlich vor allem die Menschen vor Ort mit ihren Geschichten und Ideen, nunmehr verpackt in mehr als 150 Projekte – über 1.000 Veranstaltungen sind angekündigt. Viele von ihnen wollen ein positives, lebendiges und weltoffenes Bild von Chemnitz zeigen, ein Gegenbild zu dem, das mit den gewalttätigen, rechtsextremen Ausschreitungen 2018 um die Welt ging und sich seitdem hartnäckig hält.

Blick über den Sonneberg zur Dämmerung, ein Panorama der kastenförmigen Plattenbauten.
Die Kulturhauptsadt 2025 hat in Chemnitz viele Bürger mobilisiert, die ihre Stadt von der besten Seite zeigen wollen. Bildrechte: Ernesto Uhlmann

Für die Gäste ist das eine Herausforderung, denn sie müssen sich in dem kleinteiligen Programm orientieren. Doch die Mühe lohnt sich. Und wer doch lieber Attraktionen bevorzugt, für den gibt es solche Highlights wie die Ausstellung "Tales of Transformation" im Industriemuseum – zu Aufstieg, Fall und Neuerfindung europäischer Industriemetropolen, zu denen Chemnitz zweifellos gehört. Oder im Theater die Uraufführung der Oper "Rummelplatz" nach Werner Bräunigs Wismut-Roman, das internationale Tanzfestival Tanz Moderne Tanz und nicht zuletzt – ab August – die große Edvard-Munch-Schau in den Kunstsammlungen Chemnitz.

“Zwei Menschen. Die Einsamen”, 1905. Öl auf Leinwand,
Kehrt für die Edvard Munch-Ausstellung nach 90 Jahren nach Chemnitz zurück: das Gemälde "Die Einsamen" von 1905. Bildrechte: picture alliance / akg-images | akg-images

Von Munch bis Heisig: Jubiläums-Ausstellungen in Sachsen 2025

Am 31. März 2025 wäre der Maler Bernhard Heisig 100 Jahre alt geworden. Aus diesem Anlass würdigt ihn das Museum der bildenden Künste in Leipzig ab März mit der Kabinettausstellung "Bernhard Heisig. Geburtstagsstillleben mit Ikarus". Neben den bekannten Geschichtsbildern sind auch weniger bekannte, autobiografisch konnotierte Porträts, Landschaften und Stillleben zu sehen, außerdem Fotografien, die Bernhard Heisig unter anderem in seiner Funktion als Rektor und Professor an der Hochschule für Grafik und Buchkunst zeigen.

Schwarzweiß-Foto des Malers Bernhard Heisig in weißem Hemd mit grauen, zurückgekämmten Haaren und einem Kinnbart. Hinter ihm eine Staffelei mit einer Skizze von Altbundeskanzler Helmut Schmidt.
Wäre 100 Jahre alt geworden: der Maler Bernhard Heisig, hier 1986 vor einer Skizze von Helmut Schmidt. Bildrechte: picture alliance / Chris Hoffmann | Chris Hoffmann

In Dresden feiern die Staatlichen Kunstsammlungen den südafrikanischen Künstler William Kentridge anlässlich seines 70. Geburtstags. Ein Name, der in Sachsen wohl eher weniger geläufig ist, dabei gilt er international als einer der bedeutendsten und vielseitigsten Künstler der Gegenwart. Sein Werk umfasst Druckgrafik, Skulpturen, Animationsfilme, aber auch Puppentheater und Operninszenierungen. In Dresden wird ihm ab September für all das die passende Bühne geboten. Eine Ausstellung mit seinen grafischen Arbeiten ist etwa im Kupferstichkabinett geplant. Im Albertinum soll eine monumentale Filminstallation, eine Art überdimensionales Schattenspiel präsentiert werden. Zudem wird Kentridge die Jahresausstellung in der Puppentheatersammlung kuratieren.

Eine junge Frau im Seitenprofil betrachtet ein Selbstporträt von William Kentridge in schwarzen Strichen.
Selbstporträt des Künstlers William Kentridge – er beehrt zu seinem 70. Geburtstag die Stadt Dresden. Bildrechte: IMAGO / Avalon.red

Freiheitsdebatten – polnische und tschechische Perspektive

Und noch ein Jubiläum steht an: 35 Jahre Deutsche Wiedervereinigung. Das Deutsche Hygiene-Museum greift für seine große Sonderausstellung ab Juni das Thema Freiheit auf. "Freiheit, eine unvollendete Geschichte", so lautet aktuell noch der Arbeitstitel und verweist schon auf die Debatten, die sich mit diesem Begriff verbinden. Spannend daran ist der Blick zu unseren Nachbarn, nach Polen und Tschechien.

Das Europäische Zentrum der Solidarność ist ein modernes, rotes Gebäude mit einem großen, kreisförmigen Vorplatz.
Das Europäische Solidarność-Zentrum in Danzig ist Museum, Archiv und Bildungszentrum in einem. Bildrechte: IMAGO / CTK Photo

Dafür arbeitet das Hygiene-Museum mit dem Europäischen Solidarność-Zentrum in Danzig und der Nationalgalerie Prag zusammen. Es geht darum, auch mal die anderen Perspektiven einzunehmen und sich mit den unterschiedlichen Konzepten von Freiheit auseinanderzusetzen.

Dresden feiert sich als Stadt des Tanzes

Die Debütanten-Paare tanzen beim 16. Dresdner Semperopernball in der Semperoper in prächtigen Kleidern.
Dresden im Tanzfieber: in diesem Fall auf dem Semperopernball. Bildrechte: picture alliance/dpa | Sebastian Kahnert

Grund zum Feiern hat 2025 das Ballett der Semperoper, das 200 Jahre alt wird. Getanzt wurde zwar am Dresdner Hoftheater schon länger, doch 1825 kam – auf Initiative des damaligen Hofkapellmeisters Carl Maria von Weber – ein festes Ballettensemble ans Haus. Das Festjahr startet am 24. Januar mit der Premiere von "Nijinsky", John Neumeiers Hommage an die Tanzlegende Vaslav Nijinsky. Nijinsky selbst ist 1912 erstmals in Dresden und 1913 erstmals in der Semperoper aufgetreten.

Überhaupt feiert sich Dresden 2025 als Stadt des Tanzes. Unter dem Titel "Dresdance" schließen sich alle Tanzinstitutionen der Stadt zusammen, zu einen Netzwerk der Zukunft. Mit dabei sind die Palucca Hochschule für Tanz, die wiederum ihr 100. Jubiläum feiert, die Landesbühnen Sachsen, die Dresden Frankfurt Dance Company, die im Festspielhaus Hellerau ihr Domizil hat – ebenfalls ein Haus des Tanzes – sowie die freie Tanzszene Dresden. Geplant sind auch gemeinsame Performances.

 Die Ausdruckstänzerin und Tanzpädagogin Gret Palucca 1992 umringt von jungen Schülerinnen.
Die Palucca Hochschule für Tanz feiert ihren 100. Geburtstag – hier ein Bild mit Tanzpädagogin Gret Palucca von 1992. Bildrechte: picture-alliance / dpa | ADN Zentralbild

Bedrohliche Kürzungen im Kulturetat

Bei all der Feierei kommt auf die Kultur im Freistaat, besonders auf die freie Szene, aber auch eine schwere und ungewisses Zeit zu. Dazu führen gravierende Kürzungen im Kulturetat. Die Kulturschaffenden hängen also in der Luft und wissen nicht, mit welchem Budget sie planen sollen.

Die Stadt Dresden plant derzeit, dreieinhalb Millionen Euro jährlich weniger für Kultur auszugeben. Für das Deutsche Hygiene-Museum bedeutet das konkret über 500.000 Euro weniger von der Stadt. Da das Museum aber paritätisch von Stadt und Freistaat gefördert wird, geht es um über eine Million Euro. Andere Häuser in der Stadt soll es ebenfalls mit einer Kürzung um sechsstellige Beträge treffen: das Europäisches Zentrum der Künste Hellerau, die Staatsoperette, das Theater Junge Generation tjg, die Dresdner Philharmonien, die Städtischen Bibliotheken – ganz zu schweigen von den zahlreichen kleineren Vereinen und Initiativen.

Kinder betrachten neugierig Exponate zum Mitmachen im Deutschen Hygiene-Museeum in Dresden.
Das Dresdner Hygiene-Museum muss für 2025 mit deutlich weniger Geld rechnen. Bildrechte: IMAGO / Sylvio Dittrich

Sächsische Kultur wartet auf den Haushalt

Und es betrifft nicht nur Dresden. Verschärft wird die Lage noch durch den nicht beschlossenen Doppelhaushalt 2025/26 des Freistaates, mit dem bestenfalls noch vor der Sommerpause zu rechnen ist. Bis dahin können die vom Land geförderten Initiativen vorerst nur mit 30 Prozent ihrer Jahres-Zuwendungen planen. Dabei hängen bei den freien Trägern auch wichtige Personalkosten daran. Wie ohne Gehälter noch Programm gemacht werden soll, bleibt unklar. Was wird unter solchen Umständen vom Filmfest Dresden (im April) oder vom sowieso chronisch unterfinanzierten Neiße Film Festival (im Mai) bleiben?

Erste Folgen sind greifbar: So fördet die Kulturstiftung des Freistaates, der eine halbe Million Euro weniger zur Verfügung steht, im ersten Halbjahr 2025 nur noch 150 Projekte – im Vorjahreszeitraum waren es 193. Und das Publikum muss sich auf höhere Ticketpreise einstellen. Die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, die Kunstsammlungen Chemnitz oder auch das Deutsch-Sorbische Volkstheater in Bautzen haben das bereits angekündigt. Dazu kommen noch reduzierte Öffnungszeiten. Die Prämisse lautet: sparen, sparen, sparen!

"Kunstsammlungen Chemnitz" steht auf der Eingangstür zum Museum am Theaterplatz in Chemnitz.
Die Kunstsammlungen Chemnitz haben angekündigt, ihre Ticketpreise zu erhöhen, um Kosten auszugleichen. Bildrechte: picture alliance/dpa | Hendrik Schmidt

Kulturpolitische Herausforderung 2025: Kulturraumgesetz muss überarbeitet werden

Eine der größten politischen Herausforderungen im Jahr 2025 ist das Kulturraumgesetz, das die Kulturförderung in Sachsen regelt. Das ist jetzt 30 Jahre alt und bedarf dringend einer Anpassung an die aktuellen Gegebenheiten. Es geht darum, wie die Fördermittel, die in Sachsen solidarisch vom Freistaat, den Landkreisen und den Kommunen aufgebracht werden, künftig an die Kultureinrichtungen verteilt werden. Das Problem ist: Bei den Kommunen ist das Geld knapp, und meist bleibt die Kultur – obwohl Pflichtaufgabe in Sachsen – auf der Strecke.

Das zeigen unter anderem deutlich die enormen Finanzprobleme der Theater in Sachsen: Görlitz/Zittau, Bautzen und Plauen/Zwickau. Und für die Museen, Bibliotheken, Musikschulen und die zahlreichen anderen Kunst- und Kulturprojekte muss ja auch noch etwas übrig bleiben.

Menschen stehen in zwei Grüppchen auf einer Bühne.
Auch das Theater Plauen Zwickau weiß nicht mehr, wie es den Spielbetrieb am Laufen halten soll – Ausschnitt aus der Inszenierung von "Über Menschen" in Zwickau. Bildrechte: André Leischner

Die Überarbeitung des Gesetzes ist bereits im Gange. Eine Arbeitsgruppe aus Vertreterinnen und Vertretern der Kulturräume, des Kulturministeriums und Kulturschaffenden trifft sich seit Juni 2024 regelmäßig. Im Mai 2025 soll ein Entwurf vorliegen und dann müssen die Änderungen im Gesetz bis Ende 2025 beschlossen werden. Was dabei herauskommt, ist aber noch lange nicht absehbar.

Quelle: MDR KULTUR (Grit Krause), redaktionelle Bearbeitung: lm

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 02. Januar 2025 | 08:40 Uhr

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