Ausblick Kulturjahr 2025 in Sachsen: Finanzsorgen trüben die Feierlaune
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02. Januar 2025, 04:00 Uhr
Die Kultur in Sachsen blickt zwiegespalten auf das neue Jahr, mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Einserseits gibt es Anlass zum Feiern. Die Kulturhauptstadt Chemnitz wird Realität – ein kulturelles Großereignis, das die Chemnitzer mitreißt. Außerdem füllen viele Jubiläen den sächsichen Kulturkalender. Zugleich sorgen massive Sparmaßnahmen und Planungsunsicherheiten für Alarmstimmung, besonders in der freien Kulturszene. Was wir vom Kulturjahr 2025 in Sachsen erwarten können.
- Chemnitz prägt als Europas Kulturhauptstadt 2025 mit unzähligen Veranstaltungen das gesamte Kulturjahr in Sachsen.
- Doch auch diverse Jubiläen in allen Bereichen der Kunst und Kultur sorgen für Anlässe zum Feiern und für Wiederentdeckungen.
- Überschattet wird die Vorfreude allerdings durch die Kulturpolitik mit regiden Sparmaßnahmen, dem noch nicht verabschiedeten Doppelhaushalt und zähen Verhandlungen.
Das Ereignis des Jahres lautet in Sachsen zweifellos: Chemnitz, die Europäische Kulturhauptstadt 2025. Das Programm wurde im Oktober 2024 offiziell vorgestellt: mit einer Performance von Chemnitzerinnen und Chemnitzern – mit ihren ganz verschiedenem Hintergründen. Sie haben davon erzählt, warum sie in Chemnitz leben und was sie sich für ihre Stadt wünschen.
Ein weltoffenes Chemnitz
Das gab einen ersten und sehr berührenden Eindruck davon, was das Kulturhauptstadtjahr ausmachen wird: nämlich vor allem die Menschen vor Ort mit ihren Geschichten und Ideen, nunmehr verpackt in mehr als 150 Projekte – über 1.000 Veranstaltungen sind angekündigt. Viele von ihnen wollen ein positives, lebendiges und weltoffenes Bild von Chemnitz zeigen, ein Gegenbild zu dem, das mit den gewalttätigen, rechtsextremen Ausschreitungen 2018 um die Welt ging und sich seitdem hartnäckig hält.
Für die Gäste ist das eine Herausforderung, denn sie müssen sich in dem kleinteiligen Programm orientieren. Doch die Mühe lohnt sich. Und wer doch lieber Attraktionen bevorzugt, für den gibt es solche Highlights wie die Ausstellung "Tales of Transformation" im Industriemuseum – zu Aufstieg, Fall und Neuerfindung europäischer Industriemetropolen, zu denen Chemnitz zweifellos gehört. Oder im Theater die Uraufführung der Oper "Rummelplatz" nach Werner Bräunigs Wismut-Roman, das internationale Tanzfestival Tanz Moderne Tanz und nicht zuletzt – ab August – die große Edvard-Munch-Schau in den Kunstsammlungen Chemnitz.
Von Munch bis Heisig: Jubiläums-Ausstellungen in Sachsen 2025
Am 31. März 2025 wäre der Maler Bernhard Heisig 100 Jahre alt geworden. Aus diesem Anlass würdigt ihn das Museum der bildenden Künste in Leipzig ab März mit der Kabinettausstellung "Bernhard Heisig. Geburtstagsstillleben mit Ikarus". Neben den bekannten Geschichtsbildern sind auch weniger bekannte, autobiografisch konnotierte Porträts, Landschaften und Stillleben zu sehen, außerdem Fotografien, die Bernhard Heisig unter anderem in seiner Funktion als Rektor und Professor an der Hochschule für Grafik und Buchkunst zeigen.
In Dresden feiern die Staatlichen Kunstsammlungen den südafrikanischen Künstler William Kentridge anlässlich seines 70. Geburtstags. Ein Name, der in Sachsen wohl eher weniger geläufig ist, dabei gilt er international als einer der bedeutendsten und vielseitigsten Künstler der Gegenwart. Sein Werk umfasst Druckgrafik, Skulpturen, Animationsfilme, aber auch Puppentheater und Operninszenierungen. In Dresden wird ihm ab September für all das die passende Bühne geboten. Eine Ausstellung mit seinen grafischen Arbeiten ist etwa im Kupferstichkabinett geplant. Im Albertinum soll eine monumentale Filminstallation, eine Art überdimensionales Schattenspiel präsentiert werden. Zudem wird Kentridge die Jahresausstellung in der Puppentheatersammlung kuratieren.
Freiheitsdebatten – polnische und tschechische Perspektive
Und noch ein Jubiläum steht an: 35 Jahre Deutsche Wiedervereinigung. Das Deutsche Hygiene-Museum greift für seine große Sonderausstellung ab Juni das Thema Freiheit auf. "Freiheit, eine unvollendete Geschichte", so lautet aktuell noch der Arbeitstitel und verweist schon auf die Debatten, die sich mit diesem Begriff verbinden. Spannend daran ist der Blick zu unseren Nachbarn, nach Polen und Tschechien.
Dafür arbeitet das Hygiene-Museum mit dem Europäischen Solidarność-Zentrum in Danzig und der Nationalgalerie Prag zusammen. Es geht darum, auch mal die anderen Perspektiven einzunehmen und sich mit den unterschiedlichen Konzepten von Freiheit auseinanderzusetzen.
Dresden feiert sich als Stadt des Tanzes
Grund zum Feiern hat 2025 das Ballett der Semperoper, das 200 Jahre alt wird. Getanzt wurde zwar am Dresdner Hoftheater schon länger, doch 1825 kam – auf Initiative des damaligen Hofkapellmeisters Carl Maria von Weber – ein festes Ballettensemble ans Haus. Das Festjahr startet am 24. Januar mit der Premiere von "Nijinsky", John Neumeiers Hommage an die Tanzlegende Vaslav Nijinsky. Nijinsky selbst ist 1912 erstmals in Dresden und 1913 erstmals in der Semperoper aufgetreten.
Überhaupt feiert sich Dresden 2025 als Stadt des Tanzes. Unter dem Titel "Dresdance" schließen sich alle Tanzinstitutionen der Stadt zusammen, zu einen Netzwerk der Zukunft. Mit dabei sind die Palucca Hochschule für Tanz, die wiederum ihr 100. Jubiläum feiert, die Landesbühnen Sachsen, die Dresden Frankfurt Dance Company, die im Festspielhaus Hellerau ihr Domizil hat – ebenfalls ein Haus des Tanzes – sowie die freie Tanzszene Dresden. Geplant sind auch gemeinsame Performances.
Bedrohliche Kürzungen im Kulturetat
Bei all der Feierei kommt auf die Kultur im Freistaat, besonders auf die freie Szene, aber auch eine schwere und ungewisses Zeit zu. Dazu führen gravierende Kürzungen im Kulturetat. Die Kulturschaffenden hängen also in der Luft und wissen nicht, mit welchem Budget sie planen sollen.
Die Stadt Dresden plant derzeit, dreieinhalb Millionen Euro jährlich weniger für Kultur auszugeben. Für das Deutsche Hygiene-Museum bedeutet das konkret über 500.000 Euro weniger von der Stadt. Da das Museum aber paritätisch von Stadt und Freistaat gefördert wird, geht es um über eine Million Euro. Andere Häuser in der Stadt soll es ebenfalls mit einer Kürzung um sechsstellige Beträge treffen: das Europäisches Zentrum der Künste Hellerau, die Staatsoperette, das Theater Junge Generation tjg, die Dresdner Philharmonien, die Städtischen Bibliotheken – ganz zu schweigen von den zahlreichen kleineren Vereinen und Initiativen.
Sächsische Kultur wartet auf den Haushalt
Und es betrifft nicht nur Dresden. Verschärft wird die Lage noch durch den nicht beschlossenen Doppelhaushalt 2025/26 des Freistaates, mit dem bestenfalls noch vor der Sommerpause zu rechnen ist. Bis dahin können die vom Land geförderten Initiativen vorerst nur mit 30 Prozent ihrer Jahres-Zuwendungen planen. Dabei hängen bei den freien Trägern auch wichtige Personalkosten daran. Wie ohne Gehälter noch Programm gemacht werden soll, bleibt unklar. Was wird unter solchen Umständen vom Filmfest Dresden (im April) oder vom sowieso chronisch unterfinanzierten Neiße Film Festival (im Mai) bleiben?
Erste Folgen sind greifbar: So fördet die Kulturstiftung des Freistaates, der eine halbe Million Euro weniger zur Verfügung steht, im ersten Halbjahr 2025 nur noch 150 Projekte – im Vorjahreszeitraum waren es 193. Und das Publikum muss sich auf höhere Ticketpreise einstellen. Die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, die Kunstsammlungen Chemnitz oder auch das Deutsch-Sorbische Volkstheater in Bautzen haben das bereits angekündigt. Dazu kommen noch reduzierte Öffnungszeiten. Die Prämisse lautet: sparen, sparen, sparen!
Kulturpolitische Herausforderung 2025: Kulturraumgesetz muss überarbeitet werden
Eine der größten politischen Herausforderungen im Jahr 2025 ist das Kulturraumgesetz, das die Kulturförderung in Sachsen regelt. Das ist jetzt 30 Jahre alt und bedarf dringend einer Anpassung an die aktuellen Gegebenheiten. Es geht darum, wie die Fördermittel, die in Sachsen solidarisch vom Freistaat, den Landkreisen und den Kommunen aufgebracht werden, künftig an die Kultureinrichtungen verteilt werden. Das Problem ist: Bei den Kommunen ist das Geld knapp, und meist bleibt die Kultur – obwohl Pflichtaufgabe in Sachsen – auf der Strecke.
Das zeigen unter anderem deutlich die enormen Finanzprobleme der Theater in Sachsen: Görlitz/Zittau, Bautzen und Plauen/Zwickau. Und für die Museen, Bibliotheken, Musikschulen und die zahlreichen anderen Kunst- und Kulturprojekte muss ja auch noch etwas übrig bleiben.
Die Überarbeitung des Gesetzes ist bereits im Gange. Eine Arbeitsgruppe aus Vertreterinnen und Vertretern der Kulturräume, des Kulturministeriums und Kulturschaffenden trifft sich seit Juni 2024 regelmäßig. Im Mai 2025 soll ein Entwurf vorliegen und dann müssen die Änderungen im Gesetz bis Ende 2025 beschlossen werden. Was dabei herauskommt, ist aber noch lange nicht absehbar.
Quelle: MDR KULTUR (Grit Krause), redaktionelle Bearbeitung: lm
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 02. Januar 2025 | 08:40 Uhr