Bilanz Startschuss für Chemnitz: So war die Eröffnung der Kulturhauptstadt
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19. Januar 2025, 15:22 Uhr
Chemnitz ist am Wochenende mit einer großen Eröffnungsfeier ins Kulturhauptstadt-Jahr 2025 gestartet. Laut den Organisatoren besuchten am Samstag rund 80.000 Menschen die verschiedenen Veranstaltungen in der Chemnitzer Innenstadt. Höhepunkt war eine Show am Marx-Monument. Neben einem Rave und vielen weiteren Aktionen gab es auch eine Demonstration von Rechtsextremen und Proteste dagegen. Bis in die frühen Morgenstunden wurde in Chemnitzer Clubs gefeiert.
- Die Eröffnungsfeiern der Kulturhauptstadt Chemnitz wurden von 80.000 Menschen besucht.
- Bis zum ersten Advent 2025 finden rund 1.000 Veranstaltungen in und um Chemnitz statt.
- Die vielen Projekte der Chemnitzerinnen und Chemnitzer sollen in den kommenden Monaten sichtbar werden.
Es war noch längst nicht das Ende, aber auf jeden Fall ein Höhepunkt dieser Kulturhauptstadteröffnung – die eindrucksvolle Eröffnungs-Show vor dem Karl-Marx-Monument. Am "Nischel", dem Wahrzeichen der Stadt, abwechselnd in blaues, grünes und rotes Licht getaucht, wurde am Samstagabend gesungen, getanzt und gefeiert. Rund 20.000 Menschen waren bei der großen Open-Air-Show mit Auftritten von Bosse, Paula Carolina und Fritz Kalkbrenner dabei. Das Bühnenprogramm wurde an anderen Stellen in der Innenstadt übertragen. Auch lokale Gruppen wie die "Tanzenden Nachbarn", eines von vielen Projekten der Kulturhauptstadt, standen auf der zentralen Bühne.
Spätestens ab dem Nachmittag waren Menschen ins Stadtzentrum geströmt und sorgten für dichtes Gedränge vor den drei Bühnen, auf denen im Halbstundentakt ein Act auf den nächsten folgte. Mit dabei war Regisseur Andreas Dresen zusammen mit Alexander Scheer und dem Gundermann-Ensemble. Dresen sagte MDR KULTUR, er wünsche der Europäischen Kulturhauptstadt 2025 "gute gesellschaftliche Diskurse über die schwierigen Probleme, die es überall in diesem Land gibt." Er hoffe, dass der kulturelle Austausch auch dazu beitrage, den gesellschaftlichen Diskurs anzuschieben und "auch ein bisschen zu befrieden". Im Anschluss an die Show am Nischel fand auf dem Chemnitzer Neumarkt ein Rave statt. Später am Abend wurde zu Aftershow-Partys im Weltecho, Atomino und anderen Chemnitzer Clubs geladen.
Kulturhauptstadt-Jahr soll Demokratie stärken
Die Stärkung der Zivilgesellschaft und demokratische Teilhabe waren zwei der Schwerpunkte der Chemnitzer Kulturhauptstadt-Bewerbung gewesen. Das umfangreiche Programm, mit dem die Kulturhauptstadt jetzt an der Start geht, spiegelt das wider: 225 Projekte sowie 1.000 Veranstaltungen, entstanden aus der Stadtbevölkerung heraus, mit Ideen der vielen Menschen, die ihre Kulturhauptstadt mitgestalten wollen.
Das würdigte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier beim offiziellen Festakt in der Chemnitzer Oper: "Aus Unterschieden zu lernen und gemeinsam etwas Zukunftsweisendes zu entwickeln und damit unsere Demokratie zu stärken – darauf kommt es jetzt an. Und dafür brauchen wir alle." Er sei überzeugt: Dort, wo sich die große demokratische Mitte des Landes Räume schaffe, dort sei für Verächter der Demokratie kein Platz.
Zum Festakt waren am Nachmittag rund 700 Gäste aus Politik, Wirtschaft, Kultur und Gesellschaft in die Chemnitzer Oper geladen. Neben Bundespräsident Steinmeier waren auch Bundeskulturstaatsministerin Claudia Roth (Bündnis 90/Grüne), Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) und der EU-Kommissar für Kultur, Glenn Micallef, anwesend. "Wenn Kultur der Herzschlag unserer Demokratie ist, dann schlägt das europäische Herz heute und in diesem Jahr in Chemnitz", sagte Kulturstaatsministerin Roth.
Wenn Kultur der Herzschlag unserer Demokratie ist, dann schlägt das europäische Herz heute und in diesem Jahr in Chemnitz.
Aktion "Mitziehen" bringt historische Lok in die Innenstadt
Dass man gemeinsam Enormes bewegen kann, bewiesen schon mal mehr als 100 Chemnitzerinnen und Chemnitzer sinnbildlich und beeindruckend, als sie am Abend eine historische Dampflokomotive durch die Innenstadt zogen. Die Aktion war eine Reminiszenz auf die Industriegeschichte der Stadt. Aufgrund der Menschenmenge in der Innenstadt kam die Eisenbahn zunächst kaum voran, schließlich gelang es aber, die Dampflok "Hegel" von der Zentralhaltestelle zur Brückenstraße zu bewegen.
Enthusiasmus und Begeisterung waren an diesem Tag auf jeden Fall in Chemnitz zu spüren, eine ganze Stadt schien auf den Beinen zu sein, um den Startschuss gemeinsam zu feiern. Gleichzeitig verknüpfen sich mit dem Kulturhauptstadtjahr auch große Hoffnungen. "Die letzten Jahre waren imagemäßig für Chemnitz nicht unbedingt die besten, und ich glaube mit dem Thema Kulturhauptstadt kann man ja da schon auch viele Sachen wieder gerade rücken und das wahre und wirkliche Chemnitz zeigen", sagte ein Besucher.
Demonstration und Gegenprotest
Die Freude auf den Eröffnungssamstag wurde im Vorfeld getrübt, da die rechtsextreme Kleinstpartei "Freie Sachsen" zur Demonstration gegen die Kulturhauptstadt aufgerufen hatte. Rund 400 Menschen nahmen daran teil, wie die Polizei mitteilte. Innerhalb des Aufzugs sei Pyrotechnik gezündet worden. Wegen "ausländerfeindlicher Gesänge und Rufe" werde wegen Volksverhetzung ermittelt. Die Demonstration wurde von Gegenprotesten aus der Zivilgesellschaft begleitet. Die Veranstalter, der DGB und das Kulturbündnis Chemnitz, konnten laut Polizei rund 1.000 Unterstützerinnen und Unterstützen mobilisieren.
Kim Brian Dudek vom Kunstfestival Pochen Biennale sagte MDR KULTUR: "Die Leute sind auf jeden Fall bereit, für ihre Haltung einzustehen, zu zeigen, dass Chemnitz doch andere Positionen vertritt in der Mehrheit, dass wir eben viele sind, und das macht auf jeden Fall Hoffnung für das kommende Jahr."
Die Polizei sicherte den gesamten Eröffnungstag mit einem Großaufgebot ab. Insgesamt waren am Samstag laut einem Polizeisprecher weit über 1.000 Beamte im Einsatz – auch aus anderen sächsischen Orten sowie aus Brandenburg, Thüringen und Tschechien. Am Vormittag war telefonisch eine Drohung gegen die Stadthalle eingegangen, wie die Polizei weiter berichtete. Das Gebäude konnte aber nach einer Absuche regulär geöffnet werden. Die Ermittlungen der Chemnitzer Kriminalpolizei zum Anrufer laufen.
Projekte und Menschen in Chemnitz sichtbar machen
Erfreut über den Start des Kulturhauptstadt-Jahres zeigte sich auch MDR-Intendant Ralf Ludwig: "Ich bin froh, dass es jetzt endlich losgeht." Der MDR werde das ganze Jahr über die kulturellen Ereignisse in Chemnitz berichten. In der Stadt finde Anfang August unter anderem die Eröffnung des MDR-Musiksommers statt.
Der Programmgeschäftsführer der Kulturhauptstadt, Stefan Schmidtke, zeigte sich sehr zufrieden mit den Eröffnungsfeierlichkeiten und sagte am Sonntag: "Wir haben ordentlich geackert und haben eine gute Saat ausgebracht. Jetzt müssen wir sie pflegen, damit wir irgendwann eine schöne Ernte haben werden."
Das Motto der Kulturhauptstadt, "C the Unseen", also das Ungesehene sichbar machen, beziehe sich vor allem auf die vielen Projekte und die Chemnitzerinnen und Chemnitzer. Wichtig sei, dass die Leute ihre Geschichten erzählten und die Projekte zur Wirkung kämen. Ob dieser Plan aufgeht, wird sich in den kommenden Monaten zeigen. Noch bis zum ersten Advent 2025 läuft das Programm des Kulturhauptstadtjahres.
Quellen: MDR KULTUR (Grit Krause), dpa
Redaktionelle Bearbeitung: lig
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 19. Januar 2025 | 15:45 Uhr