Landwirtschaft Lausitzer Bauern hadern nach den Massenprotesten
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06. Juli 2024, 07:00 Uhr
Ein Aufruhr ist durch Sachsen gegangen, als plötzlich die Treckerkolonnen über Bundesstraßen gezogen sind und Autobahnzufahrten blockiert haben. Menschen solidarisierten sich mit den Landwirten und Politiker wurden aktiv. Jetzt hat sich die Bundesregierung auf ein Entlastungspaket für die Landwirtschaft geeinigt. Über dessen Erfolg ist man in der Landwirtschaft noch skeptisch.
Durchatmen vor der stressigen Erntezeit. Sobald die heißen Tage anbrechen und die Hitze die Ähren getrocknet hat, geht es raus aufs Feld. Dort arbeitet Anna Fasold am liebsten. Die 23-Jährige nutzt die Atempause, die das eben noch feuchte Wetter ihr beschert hat, um den Hof aufzuräumen und die Maschinen in Ordnung zu bringen.
Sie ist eine stolze Landwirtin. "Das ist mein Traumberuf", sagt sie und strahlt. Mit zwölf Jahren hatte sie bereits oft dem Landwirtschaftsbetrieb einen Besuch abgestattet. "Als Kind durfte ich hier immer mithelfen auf dem Hof, im Stall."
Ohne ein ordentliches Team funktioniert das nicht.
Ein Jahrzehnt später ist sie nun ausgelernte Landwirtin und eine von sieben Arbeitskräften auf dem Hof bei Bischofswerda. Knapp 200 Rinder müssen hier täglich versorgt und 200 Hektar Feld bewirtschaftet werden. "Ohne ein ordentliches Team funktioniert das nicht", sagt der Besitzer des Landwirtschaftsbetriebs, Mike Krause.
Seit 1991 gibt es den Hof, der vor der Wende zur DDR-weiten landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft (LPG) gehörte. Aber auch vor der Kollektivierung der Höfe in der DDR war man in Krauses Familie mit Feld und Tier beschäftigt. "Mein Urgroßvater hatte Milchkühe und Bienen", erzählt der 53-Jährige.
Bauer übernimmt auch den Winterdienst
Bienen gibt es auf dem Hof heute nicht, aber die Milchviehwirtschaft. Krause freut sich vor allem über die Sanftmütigkeit seiner Kühe. Er habe schon überlegt, sie als Therapiekühe anzubieten, wenn er "mit der Milch aufhören müsse", wie er es ausdrückt. Bei der Milchproduktion sei derzeit seine Gewinnspanne bei 42 Cent pro verkauftem Liter gleich Null.
Andere Einnahmequellen müssen da die unwirtschaftlichen Bereiche mitfinanzieren. So übernimmt Krause in seiner Gegend einen Teil des Winterdienstes und fährt mit seiner Landmaschine im Winter früh zum Schneeschieben raus.
Dass die Großhändler die Preise so drücken können, sei ein Grund, warum der Landwirt vor fünf Jahren anfing, auf die Straße zu gehen. Zeitgleich begann er mit Kollegen, den Verein "Land schafft Verbindung" (LSV) auf die Beine zu stellen. Es sei keine Konkurrenz zum bestehenden Bauernverband, aber gerade dieser sei ziemlich festgefahren gewesen, erklärt der LSV-Vorsitzende die damalige Situation.
Entlastungspaket für die Bauern: ein "Agrarpäckchen"
Die Proteste setzten sich fort und schaukelten sich auf, als die Bundesregierung vergangenes Jahr ankündigte, die Steuererleichterung auf den Agrardiesel zu streichen. Nach dem großen Aufschrei ist nun vor wenigen Tagen von der Bundesregierung ein Entlastungspaket für die Landwirtschaft beschlossen worden.
Ein "Agrarpäckchen" nennt es der Oberlausitzer Hagen Stark, LSV-Vorstand, Landwirt und Tierarzt aus Kemnitz: Scheibchenweise entstünden den Bauern nach und nach Vorteile. Auf der anderen Seite steht jedoch ein gewaltiger Forderungskatalog. Sachsens Landwirte wollen Schutz vor unlauterem Wettbewerb, den EU-weiten Agrardiesel, keine Subventionen mit der Gießkanne, Herkunftsbezeichnungen der Waren, Gerechtigkeit bei Umweltleistungen. Ihre Forderungen sind unter anderem auf der Webseite des LSV-Sachsen formuliert.
Wir wollen die gleichen Tierwohl-, Umwelt- und Sozialstandards bei allen Handelsabkommen, die abgeschlossen werden.
"Wir wollen die gleichen Tierwohl-, Umwelt- und Sozialstandards bei allen Handelsabkommen, die abgeschlossen werden", so Stark. Auch sei man gegen eine pauschale Flächenförderung. Besser sei die direkte Bezahlung von Umweltleistungen zum Beispiel für Zwischenfruchtanbau, Strohtierhaltung, Weidetierhaltung oder Blühstreifen. Dann könne jeder Landwirt selbst entscheiden, ob er das macht. Und natürlich müsse die Gesellschaft, wenn sie das so wünscht, auch dafür zahlen, erklärt Stark im Hinblick auf die Billiglebensmittel in Discountern.
Bauern haben sich ein Netzwerk aufgebaut
Eine gute Sache der Bauernproteste sei die Vernetzung der jungen neuen Verbände, die nicht nur in Deutschland, sondern auch europaweit entstanden ist. "Wir sind gut mit der Politik vernetzt, mit der Opposition und der Regierung. Wir sind bei allen Gesetzesvorbereitungen involviert", so der Kemnitzer Landwirt.
Das Geld wird weniger, aber die Arbeit nicht einfacher.
Auch Anna Fasold war bei den Demos im Winter dabei. "Das war schon Wahnsinn – der ganze Zusammenhalt unter den Bauern." Ihr ist es wichtig zu betonen, wie friedlich die Proteste gewesen waren und dass es gut war, dass die Politiker redeten. Denn die 23-Jährige sorgt sich um ihre Zukunft: "Wie das alles weitergehen soll. Das Geld wird immer weniger, aber die Arbeit nicht einfacher."
MDR
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Regionalnachrichten aus dem Studio Bautzen | 05. Juli 2024 | 15:30 Uhr