Bauernproteste Wer steht hinter der Vereinigung "Land schafft Verbindung"?
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16. Januar 2024, 05:00 Uhr
Die Protestwoche der Landwirte ist mit einer Großdemonstration in Berlin vorerst zu Ende gegangen. Geprägt waren die Proteste von markigen Plakaten, Verkehrsbehinderungen und viel Frust auf allen Seiten. Mitverantwortlich für die Demonstrationen war die erst vor wenigen Jahren gegründete Bauernvereinigung "Land schafft Verbindung". Der Verein kämpft mit radikalen Mitteln für seine Themen, ist aber auch selbst Ziel radikaler Kräfte von rechts.
- Der Verein "Land schafft Verbindung" will sich unter anderem durch radikaleren Protest von anderen Bauernvereinigungen abheben.
- Zwar spricht sich die Vereinigung gegen eine Vereinnahmung der Proteste von rechts aus, hat aber selbst Verbindungen in die rechtsextremistische Szene.
- Laut dem Sprecher von "Land schafft Verbindung" will der Verein aber eigentlich politisch neutral auftreten.
Mit Plakatsprüchen wie "Die Bauern machen den ersten Zug, am Ende fällt der König" oder "Sind die Milliarden verschenkt in alle Welt, holt man sich des Bauern letztes Geld" sorgte die Bauernvereinigung "Land schafft Verbindung", kurz LsV, für Diskussionen.
Gesetzliche Grenzen ausreizen
Der 2019 gegründete Verein wolle mit einer anderen Intensität auftreten als andere Verbände, sagt Marc Bernhardt, Sprecher von LsV Sachsen: "Durch die Schärfe von unseren Tönen und auch die Schärfe auf der Straße, also dass wir wirklich auch gezielt auf die Straße gegangen sind beziehungsweise dass wir auch mal unsere gesetzlichen Grenzen ausgereizt haben, die uns die Verfassung vorgibt, sind wir dann schon ein Stück weit vielleicht mehr Hardliner."
Mit seinen rund 60 aktiven Mitgliedern im Freistaat habe man sich einen Namen gemacht, entsprechend zufrieden blickt Bernhardt auf die vergangene Woche.
Man habe sogar Teilnehmer gehabt, die zum ersten Mal auf einer Demo waren: "Weil sie jetzt doch so langsam merken 'Okay, jetzt geht's ans Eingemachte, auch für uns im Betrieb.' Und natürlich ist die Riesenresonanz in der Bevölkerung insgesamt da, was man auch vorher nicht erwarten konnte."
Vereinnahmung der Bauernproteste von rechts
Bernhardt sieht aber auch die Gefahr, dass die Proteste aufgrund ihrer positiven Symbolwirkung ausgenutzt werden könnten. Denn gerade in Sachsen versuchten rechtsextreme Parteien und Gruppierungen, sie für eigene Ziele zu vereinnahmen.
Michael Nattke, Geschäftsführer des Kulturbüros Sachsen, das sich gegen rechtsextremistische Strukturen einsetzt, begrüßt die Abgrenzung. "Ich fand die öffentlichen Stellungnahmen richtig gut, wo man gesagt hat: 'Montags in Dresden, das sind nicht unsere Demonstrationen, wir stehen an den Autobahnen. Das in Dresden sind andere Leute.'"
Dennoch gelingt die Abgrenzung nicht immer. Ein Bericht des Kulturbüros legte bei zwei Mitgliedern von LsV Sachsen Verbindungen in die rechtsextremistische Szene offen. Einer soll noch 2019 bei NPD Veranstaltungen aufgetreten sein.
Laut Bernhardt war der entsprechende Landwirt bei Vereinseintritt aber offen und ehrlich. "Der hat gesagt: 'Du, pass auf, es war damals in der Jugend so.' Warum auch immer, das steht mir zum Beispiel auch gar nicht zu, zu bewerten. Und er hat sich eben selbst auch entschieden zu sagen: 'Das Kapitel ist für mich abgeschlossen, ich will mich gern auch wieder neu orientieren.'"
In der Landwirtschaft und vor allem innerhalb des Vereins habe der Landwirt nach Einschätzung Bernhardts sehr starken Rückhalt erfahren. "Und wer Jan heute kennt", führt der LsV-Sprecher aus, "der wird nie rückschließen, dass da mal irgendwas in der Vergangenheit war."
Unzureichende Abgrenzung gegenüber Rechtsextremen
Für Nattke vom Kulturbüro ist das zu wenig. Vor allem, weil die Verbindung öffentlich sei. "Es reicht nicht aus, sich intern hinter verschlossenen Türen von so einer Position zu distanzieren, sondern wenn man es ehrlich meint, dann muss man da auch mal öffentlich etwas dazu sagen."
Auch war bis vor kurzem noch ein Bild auf der LsV-Website, auf dem auch die Fahne der rechtsextremen Kleinstpartei Freie Sachsen zusehen war. Man habe nicht immer im Blick, was vor Jahren veröffentlicht wurde, so Marc Bernhardt vom LsV.
Man wolle eigentlich politisch neutral sein, allerdings seien die Landwirte "das Symbol für den ländlichen Raum und das macht es natürlich gerade für die rechten Seiten oder für den rechten Rand ungemein attraktiv, dort mit aufzuspringen. Weil man aber auch sagen muss, dass der ländliche Raum politisch gesehen auch doch weit abgekapselt worden ist in den letzten Jahren."
Und die Verbindung von fehlender Repräsentation mit einer grundsätzlich eher konservativen Grundeinstellung führe dazu, dass sich auch Landwirte im Verein "Land schafft Verbindung" von den demokratischen Parteien abwenden und sich zu Parteien wie der in Teilen rechtsextremen AfD hinwenden, meint Bernhardt.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 16. Januar 2024 | 06:14 Uhr