Förderschule in Kamenz Schüler waren rund 50 Tage potenziell krebserregenden Fasern ausgesetzt
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18. Dezember 2024, 16:12 Uhr
Bei der Sanierung einer Kamenzer Förderschule wurden Schüler und Lehrer über einen längeren Zeitraum "möglicherwiese krebserregenden" Mineralwollfasern ausgesetzt. Das Landratsamt Bautzen räumt gravierende Fehler ein und bittet um Entschuldigung. Die Kriminalpolizei ermittelt.
- Bei der Sanierung der Förderschule in Kamenz sind möglicherweise krebserregende Stoffe freigesetzt worden.
- Der Schulleiter hatte die Faser auf eigene Initiative untersuchen lassen.
- Das Landratsamt räumt Fehler ein.
Bei der Sanierung einer Förderschule in Kamenz wurden möglicherweise krebserregende Mineralwollfasern freigesetzt. Trotzdem lief der Unterricht weiter, sodass Lehrer und Schüler laut Gesundheitsamt einer Gesundheitsgefährdung ausgesetzt worden sind. Das hat das Landratsamt jetzt in einem Zwischenbericht festgestellt. Zuvor hatte MDR SACHSEN bereits über mögliche Verfehlungen bei den Sanierungsarbeiten der Förderschule in der Friedensstraße berichtet.
"Bis zu 54 Tage" waren Schüler und Lehrer laut Zwischenbericht den Mineralwollfasern in der Raumluft ausgesetzt. Zwar habe ein Entsorgungskonzept für die Sanierungsarbeiten vorgelegen, die vorgesehenen Maßnahmen seien "nach aktuellem Kenntnisstand" jedoch nicht ausreichend umgesetzt worden. Nach Angaben der Behörde war die Mineralwolle in der Abdichtung der Fenster verbaut und wurde bei Rückbauarbeiten freigesetzt.
Unterricht trotz Mineralfasern in Raumluft
Die Mineralwolle selbst sei zwar bereits überwiegend entfernt worden, teilte das Landratsamt mit, jedoch seien Fasern "durch unzureichende Reinigungen und verbleibende Materialien, etwa hinter Heizkörpern," in der Raumluft nachgewiesen worden.
Sind Mineralwollfasern krebserregend?
Ob von Mineralwolle eine Gesundheitsgefahr ausgeht, hängt von ihren chemischen Eigenschaften ab. Mineralfasern, die mit der Atemluft in die Lunge gelangen, können die Gesundheit beeinträchtigen, wenn sie dort länger verbleiben. Lösen sich die Fasern in der Lunge jedoch schnell auf, ist die Gefahr von Gesundheitsschäden gering. Mineralwollfasern, die in Deutschland seit 1996 verwendet werden, gelten als nicht krebserregend. Bei ihnen ist eine gute Biolöslichkeit nachgewiesen. Sie verbleiben nur kurz in der Lunge.
Die Gefährlichkeit von Mineralwolle wird mithilfe des Kanzerogenitätsindex (KI) aufgrund ihrer chemischen Zusammensetzung bewertet. Kleine KI-Werte weisen auf eine hohe Krebsgefahr hin, wenn derartige Fasern in die Lunge gelangen. Ist der KI-Wert kleiner als 30 erzeugen eingeatmete Fasern beim Menschen "höchstwahrscheinlich" Krebs, da die krebserregende Wirkung bei Tieren nachgewiesen wurde. Beim Menschen wurde eine krebserregende Wirkung bisher aber nicht eindeutig belegt.
Quelle: Sächsisches Staatsministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr
Offenbar wurden die Verantwortlichen über die Mineralwollreste informiert, reagierten aber nicht darauf: Das Landratsamt räumte ein, dass Hinweise des Schulleiters und von Lehrern "ohne eine angemessene Reaktion" zur Kenntnis genommen worden seien.
Schulleiter sorgt für Klärung
Dass sich schließlich überhaupt jemand des Problems annahm, ist offenbar dem Schulleiter Henry Nicolai zu verdanken: Er ließ Proben der fraglichen Fasern von einem Labor untersuchen. Laut Landratsamt erfolgte durch die Untersuchung erstmals "der konkrete Nachweis der Gefährlichkeit der verbauten Fasern."
Die Ergebnisse der vom Schulleiter in Auftrag gegebenen Untersuchung hätten Anfang November vorgelegen und seien durch das Gesundheitsamt überprüft worden. Das Amt bestätigte, dass von den freigesetzten Mineralfasern eine Gesundheitsgefahr ausging, insbesondere durch Verunreinigung der Luft.
Unterricht aktuell in anderem Gebäude
Aufgrund der nachgewiesenen Belastung habe das Landratsamt unverzüglich die Schließung der Schule angeordnet, heißt es in der Pressemitteilung.
Am 5. November hatte der Landkreis mitgeteilt, dass die Schule geschlossen werden muss. Die Schüler werden aktuell im ehemaligen Gebäude des Lessing-Gymnasiums in der Macherstraße unterrichtet.
Wer trägt die Verantwortung?
Laut Bauherr - dem Landratsamt Bautzen - lag die Verantwortung für die Einhaltung von Sicherheitsmaßnahmen bei mehreren Beteiligten. Sowohl beim eigenen Projektleiter, als auch bei beauftragten Unternehmen: bei der Bauüberwachung, bei Baufirmen sowie einem externen Sicherheits-und Gesundheitsschutzkoordinator.
Das Zusammenspiel der einzelnen Stellen habe nicht in ausreichendem Maße funktioniert. "Hier sind Fehler passiert, die wir als gravierend einschätzen", teilte das Landratsamt mit. Spätestens mit dem Fund der ersten Mineralwolle hätten die Bauarbeiten unterbrochen, weitere Schutzmaßnahmen eingeleitet und der Schulbetrieb an anderer Stelle fortgeführt werden müssen, räumte das Amt ein.
Hier sind Fehler passiert, die wir als gravierend einschätzen.
Man habe arbeitsrechtliche Schritte eingeleitet und prüfe mögliche Pflichtverletzungen Dritter. "Wir bitten Kinder und Lehrer um Entschuldigung für die Fehler, die hier passiert sind", hieß es in der Mitteilung weiter.
Kriminalpolizei ermittelt
Inzwischen ermittelt auch die Kriminalpolizei im Zusammenhang mit der Sanierung der Kamenzer Förderschule aufgrund des Verdachts der Körperverletzung sowie der Baugefährdung, wie eine Sprecherin der Polizeidirektion Görlitz auf Nachfrage von MDR SACHSEN bestätigte.
Laut Landratsamt stammt die Mineralwolle aus dem Jahr 1976, in dem die Schule gebaut wurde. Der Faserstaub von älterer Mineralwolle gilt als "möglicherweise krebserregend".
MDR (jwi)
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Regionalnachrichten aus dem Studio Bautzen | 18. Dezember 2024 | 10:30 Uhr
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