Ein Mann und Kühe in einem Stall
Der Chef des Vereins "Land schafft Verbindung", Mike Krause, kritisiert überbordende Bürokratie und wenig Planungssicherheit für Landwirte. Bildrechte: MDR/Madeleine Arndt

Interview mit "Land schafft Verbindung" Bauernvereinschef: "Die echten Probleme werden ignoriert"

06. Juli 2024, 07:00 Uhr

Bereits vor fünf Jahren war der Unmut der sächsischen Bauern groß. Seitdem ist es immer wieder zu Protesten gekommen. Ihren Höhepunkt haben sie im vergangenen Winter mit Straßenblocken und Massendemonstrationen erreicht. Doch was hat das jetzt alles gebracht? Diese Frage stellte MDR SACHSEN dem Oberlausitzer Landwirt Mike Krause. Der 53-Jährige ist der Vorsitzende des aus den Protesten entstandenen Vereins sächsischer Bäuerinnen und Bauern mit dem Namen "Land schafft Verbindung e.V."

Herr Krause, wie haben Sie in dem Winter der Autobahnblockaden und Traktorenkonvois den Zusammenhalt Ihrer Kollegen erlebt?

Mike Krause: Er war stetig gewachsen. Es kamen immer mehr Landwirte, die gemeinsam mit uns an vorderster Front standen. Und mit jedem Gespräch haben wir gemerkt, egal welche Produktionsform - ob Biobauer oder konventionell wirtschaftender Betrieb - wir hatten fast alle die gleichen Probleme.

War diese Wucht, mit der sich die Empörung aus der Landwirtschaft über Sachsen und die Bundesrepublik ergoss, vorhersehbar gewesen?

Nein, wir hatten gehofft, dass die Politik eher ein Einlenken hat.

Was haben die Bauern mit den Demonstrationen erreicht?

Wenig, wenn man es an etwas Greifbarem messen will. Wir haben zum Beispiel erreicht, dass die Kfz-Steuerbefreiung für unsere Fahrzeuge bleibt. Und die Agrardiesel-Vergütung wird jetzt schrittweise abgeschmolzen. Das ist zwar auch nicht in Ordnung, aber zumindest ein kleines Zugeständnis. Aber das ist nicht das, was wirklich gebraucht wird. Die echten Probleme werden ignoriert.

Kühe in einem Stall
Die Milchproduktion in der Landwirtschaft wirft kaum Gewinne ab. Großabnehmer bestimmen die Literpreise. (Symbolbild) Bildrechte: MDR/Madeleine Arndt

Was sind denn die echten Probleme?

Die Landwirtschaft hat keine Planungssicherheit für die Zukunft, uns fehlen verlässliche Rahmenbedingungen. Zum Beispiel bei den Tierhaltungsformen: Land auf, Land ab müssten wir in unsere Betriebe investieren. Aber es ist nicht möglich, weil wir nicht einmal wissen, was in zwei Jahren an Rahmenbedingungen gelten wird und wie viel Platz für eine Kuh oder ein Schwein vorgesehen werden muss.

Werden die Produktionsbedingungen von der EU bestimmt oder legen wir Deutschen sie fest?

Teils, teils. Ein Teil wird von der Europäischen Union festgelegt. Aber im Bundestag werden die Regularien zum Teil noch verschärft. Dadurch kommt es zu einer Wettbewerbsverzerrung, weil dann beispielsweise die spanischen Kollegen wesentlich günstiger die gleiche Milch erzeugen können als wir.

Woran hapert es außerdem?

Wir brauchen einheitliche Standards bei importierten Waren und wir ersticken in Bürokratie. Und es scheint nicht möglich, dieses System an Bürokratie zu ändern. Für den Bürokratieabbau wird zum Beispiel wieder eine Kommission gebildet, die Personal bindet, das rausfinden soll, wo wir einsparen. Der ganze Apparat ist so steif, es ist katastrophal.

Was wäre eine praktikable Lösung?

In der Verwaltung zu kürzen. Unsere Mitarbeiter in den Landwirtschaftsbetrieben werden weniger, aber die Verwaltung für die Landwirtschaft nimmt personell zu. Es gibt mehr Leute, die die Landwirtschaft überwachen, als tatsächlich in ihr arbeiten, so der Eindruck.

Würde es helfen, mehr Vertrauen in die Arbeit der Landwirte zu setzen?

Das wäre eine Maßnahme. Jetzt wird selbst das kontrolliert, was fachlich gar nicht falsch zu machen geht. Dazu gibt es sogar doppelte Prüfungen aus unterschiedlichen Behörden. Das ist Bürokratie, wo der Amtsschimmel wiehert.

Viele Landwirte fühlen sich auch dem Handel ausgeliefert. Teilen Sie diese Ansicht?

Ja. Wir haben vier große Monopolisten. Die Landwirtschaft ist die einzige Branche, die vom Abnehmer den Preis vorgegeben bekommt. Mir wird zum Beispiel am Monatsanfang von der Molkerei gesagt, wieviel Geld ich für die Milch bekomme. Für das Getreide, das ich es jetzt anbaue, bekomme ich in der Regel erst im nächsten Jahr den Preis gesagt.

Vor allem bei der Milch ist es problematisch. Die Produktion ist sehr selten mit einem guten Plus behaftet. Meine Gewinnspanne ist bei einem momentanen Literpreis von 42 Cent gleich null.

Das klingt alles nicht sehr optimistisch.

Was wir erreicht haben, ist, dass wir sehr viel in Kontakt mit der Politik und den entsprechenden Abteilungen stehen. Das Problem ist aber, dass man sich fast totarbeitet, denn wir müssen es neben unserer regulären Arbeit zusätzlich machen. Wir sind in Arbeitsgruppen zum Bürokratieabbau, zu Förderprogrammen und so weiter und so fort.

Wie wirkt dieses Ergebnis der Proteste auf die Landwirte in Ostsachsen?

Wenn ich ganz ehrlich bin, resignierend. Viele Landwirte wissen nicht, wie es weitergehen soll. Und die nachfolgende Generation sieht ihre Zukunft auch nicht in der Landwirtschaft.

Eine Sache hat sich aber verbessert, nämlich der Status der Landwirte, oder?

Ja. Den Eindruck habe nicht nur ich, sondern auch viele meiner Berufskollegen, dass wirklich in der Bevölkerung die Wertschätzung der Arbeit der Bauern besser geworden ist. Man hört viel Zuspruch. Aber am besten kann man seine Wertschätzung durch sein Einkaufsverhalten zeigen.

MDR/Das Gespräch führte Madeleine Arndt.

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Regionalnachrichten aus dem Studio Bautzen | 05. Juli 2024 | 13:30 Uhr

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