Anlagen der Zentralstation des Unternehmens Neptune Energy Distrikt East am Standort Altmark
Das Unternehmen Neptune Energy will in der Altmark Lithium abbauen. Bildrechte: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Klaus-Dietmar Gabbert

Rohstoffe in der Altmark Bürgerinitiative: Vor Lithium-Abbau erstmal Altlasten beseitigen

25. April 2024, 18:21 Uhr

In der Altmark soll möglichst bald Lithium abgebaut werden. Das möchten zwei Firmen. Das Unternehmen Neptune Energy hat dafür mittlerweile für zwei Gebiete eine bergbaurechtliche Genehmigung. Gefördert werden darf noch nicht, sagt der Landesbetrieb für Geologie und Bergwesen (LAGB). Es regt sich Widerstand, auch weil es in der Altmark noch unbeseitigte Altlasten der Erdgasindustrie gibt.

Ein Mann steht vor einem Bücherregal
Bildrechte: MDR/Hannah Singer

Lithium ist ein wichtiger Rohstoff insbesondere für die Produktion von Batterien. Dass es davon einige Vorkommen in der Altmark gibt, ist durch die Erdölförderung in der Region seit den 1970er Jahren bekannt. Um die Substanz zu gewinnen, muss Tiefenwasser etwa aus 3500 Metern Tiefe gefördert werden. Lithium liegt laut Landesbergamt (LAGB) "in gelöster Form" im Wasser vor und muss daraus separiert werden. Zur Förderung können bestehende Bohrungen verwendet werden – und davon gibt es durch die Erdgasförderung Hunderte.

Hinterlassenschaften der Erdgasindustrie in Brüchau

"Die Altmark ist ein Schweizer Käse", sagt Karl-Heinz Friedrichs von der Bürgerinitiative "Saubere Umwelt Altmark". Seit Jahren setzt sich der Rentner, der im Fernmeldewesen gearbeitet hat, für die Beseitigung der Hinterlassenschaften der Erdgasindustrie ein. "Die haben hier einfach alles abgekippt", sagt er. Von 1972 bis 2012 diente insbesondere die Schlammgrube in Brüchau im Altmarkkreis Salzwedel zur Entsorgung der Abfälle. Nach einer Aufstellung der Betreiberfirma Neptune Energy liegen dort 100.000 Kubikmeter kontaminierter Schlamm, davon Tausende Tonnen hochgiftiges Quecksilber.

Christfried Lenz und Karl-Heinz Friedrichs sitzen an einem flachen Tisch.
Christfried Lenz und Karl-Heinz Friedrichs von der Bürgerinitiative "Saubere Umwelt" Bildrechte: Bernd-Volker Brahms

"Bevor die hier mit Lithium anfangen, sollte die Altmark von den Bohrschlammgruben und dem Silbersee befreit werden, bevor wir wieder neuen Dreck reinkriegen", sagt Karl-Heinz Friedrichs, den alle nur "Mojo" nennen.

Warum ist Lithium so begehrt?

Lithium ist ein Leichtmetall, das heutzutage in jedem Handy, Tablet oder auch in E-Autos verarbeitet wird. Meist wird es in Akkus oder Batterien verbaut und ist wichtig zum Beispiel in der Elektromobilität. Lithium ist ein begehrter Rohstoff. Und dieser soll künftig in der Altmark gewonnen werden. – Wissenschaftler wollen den Stoff auch in Norddeutschland gewinnen.

In der Lüneburger Heide ist dazu am Donnerstag (25.04.) ein entsprechendes Testprojekt gestartet. Lithium für Elektroautobatterien soll demnach künftig auch in der Lüneburger Heide abgebaut werden. In Eimke (Landkreis Uelzen) hat die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) erstmals begonnen, den Rohstoff aus Tiefenwasser gewinnen - zunächst nur in kleinen Mengen zu Forschungszwecken. In dem Projekt wollen die Wissenschaftler untersuchen, wie effektiv sich das Lithium aus dem Tiefenwasser herauslösen lässt. Drei verschiedene Methoden werden dabei getestet. (Quelle: dpa)

 

Noch keine Fördererlaubnis, aber bergrechtliche Genehmigungen

Die Firma Neptune Energy, die ihren Sitz in Hannover hat, hatte vor kurzem frohlockt und eine Pressemitteilung unter dem Titel: "Die Altmark wird grüne Energieregion" herausgegeben. Mit der Gewinnung von Lithium und Erdwärme steige man in ein innovatives Pilotprojekt ein, hieß es. Man habe mittlerweile die bergrechtlichen Genehmigungen dazu erhalten.

Der Landesbetrieb für Geologie und Bergwesen (LAGB) sah sich seinerseits veranlasst, die Öffentlichkeit zu informieren, dass die bergrechtlichen Genehmigungen noch lange nicht die Förderlizenz bedeuten würde. Dies müsse gesondert beantragt werden, hierfür seien die Träger öffentlicher Belange mit einzubeziehen.

Neptune Energy: Es kann sofort losgehen

Auf Anfrage von MDR Sachsen-Anhalt teilte das Landesbergamt mit, dass mittlerweile auch ein Konkurrenzunternehmen einen Antrag "Aufsucheerlaubnis für Lithium" gestellt habe. Neptune Energy ihrerseits haben noch drei weitere Anträge gestellt und möchten nicht nur im Altmarkkreis Salzwedel fördern, sondern auch im Landkreis Stendal sowie in der Börde.

Absperrung der Giftschlammgrube Brüchau
In Brüchau bei Kalbe (Milde) im Altmarkkreis Salzwedel lagern zum Teil hochgiftige Altlasten der Erdgasförderung. Bildrechte: Bernd-Volker Brahms

Auf die Frage, wo konkret gefördert werden soll, sagte Pressesprecher Stefan Brieske von Neptune Energy: "Mögliche Standorte für die Pilotanlagen wären bestehende Betriebsplätze in der Altmark oder die Zentralstation in Salzwedel, Ortsteil Steinitz." Aus 55 Jahren andauernder Erdgasförderung lägen Erkenntnisse über die Lithium-Vorkommen vor. Bei erfolgter Genehmigung könne sofort losgelegt werden, sagte Stefan Brieske.

Kräfte in Schutzanzügen untersuchen die Giftschlammgrube in Brüchau.
Zwischenzeitliche Untersuchungen hatten ergeben, dass die Giftgrube in Brüchau undicht ist. (Archivbild) Bildrechte: MDR/ Isabell Hartung

Für die Mitstreiter der Bürgerinitiative "Saubere Umwelt" ist das Vorgehen von Neptune Energy äußerst strategisch, wie Sprecher Christfried Lenz sagt: "Das Unternehmen will hier zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Sie will einerseits eine neue Profitquelle in der Altmark eröffnen und gleichzeitig erreichen, dass die Gifte des Silbersees bis zum Tag St. Nimmerlein in das Grundwasser übergehen."

Kontaminierte Substanzen bleiben zunächst im "Silbersee"

"Neptune Energy Distrikt Ost Betrieb Altmark" steht auf einem Schild.
Das Unternehmen "Neptune Energy" betreibt in der Altmark das Erdgasfeld. Nach Unternehmensangaben wurden seit Beginn der Produktion im Jahr 1969 in der Region rund 212 Milliarden Kubikmeter altmarkspezifisches Erdgas aus dem Feld gefördert. (Stand: März 2022, Archivbild) Bildrechte: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Klaus-Dietmar Gabbert

Neptune Energy ist unter Druck. Es gibt einen einstimmigen Landtagsbeschluss zur sogenannten Auskofferung der Schlammgrube Brüchau aus dem Jahre 2020. Auch durch Gerichtsentscheid musste das Unternehmen einen Betriebsplan vorlegen. Derzeit werden die Entsorgungswege für die einzelnen Substanzen aus der Grube ermittelt. Obwohl das Unternehmen hierfür eine Frist bis Mitte Mai hat, wurde laut Landesbergamt schon mal vorsorglich mitgeteilt, dass dies für die höchst kontaminierten Substanzen noch nicht erfolgen könne.

Dies beträfen etwa 15 Prozent der 100.000 Kubikmeter. Anbieter, die sich auf europaweite Ausschreibungen gemeldet hätten, sei noch Zeit bis Ende des Jahres für die Einholung verschiedener Genehmigungen erteilt worden. Man werde "die gegebenen Problemstellungen" bis Mitte Mai in dem geforderten Durchführungskonzept darlegen, sagte Sprecher Stefan Brieske.

"Das Unternehmen ist hier zu seiner alten Verzögerungstaktik zurückkehrt und es werden hier Schwierigkeiten an die Wand gemalt, die in Wirklichkeit nicht bestehen", sagt Christfried Lenz.

Neptune Energy wollte Kostenerstattung für stillgelegte Grube

Immerhin stehen bis zu 160 Millionen Euro an Kosten für die Auskofferung zur Diskussion. Diese Zahl hatte die damalige Landesumweltministerin Claudia Dalbert (Grüne, Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft und Energie im Kabinett von Reiner Haseloff, CDU, von 2016 bis 2021) für das Vorgehen genannt. Neptune Energy hatte das Land und die Landesanstalt für Altlastenfreistellung (LAF) verklagt und wollte eine Kostenerstattung für die Deponiestillegung haben.

Claudia Dalbert (l, Bündnis 90/Die Grünen) steht im Plenarsaal des Landtages vor dem Sitzplatz von Hendrik Lange (r, Die Linke).
Im Jahr 2020 ging es im Landtag um einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss und der Frage, ob dieser klären kann, in welchen Umfang Abfälle und Bohrschlämme in der Obertagedeponie Brüchau und im Bergwerk Teutschental umgeschlagen, gelagert oder behandelt wurden. Claudia Dalbert war damals Ministerin im Kabinett Haseloff (Archivbild). Bildrechte: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Klaus-Dietmar Gabbert

Das Kammergericht Berlin hat diese Klage 2023 abschließend abgewiesen. Allerdings bereite man nunmehr eine Klage gegen die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben in Bonn vor, wie Neptune Energy auf Anfrage von MDR SACHSEN-ANHALT mitteilt. "Wir erinnern stetig an die Einhaltung der vertraglichen Verpflichtungen", so Unternehmenssprecher Stefan Brieske.     

Informationsveranstaltung für Bürgerinnen und Bürger

Unterdessen wurde die Fraktion der Grünen im Landtag von Sachsen-Anhalt aktiv. Sie fordert die Landesregierung auf, eine Informationsveranstaltung für Bürgerinnen und Bürger zu veranlassen, um über den Stand der Lithium-Genehmigungen und um über die technischen Verfahren zur Gewinnung zu informieren.

Die zuständige Behörden und auch Firma Neptune Energy sollen dabei sein, sagte die Fraktionsvorsitzende Cornelia Lüddemann. Im Antrag zur Landtagssitzung am Donnerstag (25.4.) heißt es, es gebe "eine große Skepsis, dass das Unternehmen Neptune Energy mit ungelösten, gefährlichen Hinterlassenschaften wie der Giftschlammgrube Brüchau in eine neue bergbauliche Tätigkeit" einsteige.

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MDR (Berns-Volker Brahms, Susanne Ahrens)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 25. April 2024 | 18:00 Uhr

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