Eigentümerwechsel soll weitergehen Plattenbauten in Geisterstadt Stendal-Süd sollen versteigert werden
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25. März 2025, 10:13 Uhr
Einst galt Stendal-Süd als ein Vorzeige-Plattenbau-Viertel. Die Wohnungen waren Ende der 1980er-Jahre sehr begehrt. Nach der Wende kamen der massenhafte Wegzug und großer Leerstand. Irgendwann wurden erste Wohnblocks abgerissen und das gesamte Wohnviertel aufgegeben. Sechs leere Plattenbauten stehen aber heute immer noch. Sie sind im Privatbesitz und verfallen zusehends. Vier der Blöcke sollen am Donnerstag versteigert werden.
- Seit zehn Jahren wohnt niemand mehr in Stendal-Süd und die verbliebenen sechs Plattenbauten verkommen immer mehr.
- Vier dieser Plattenbauten werden am Donnerstag auf einer Auktion in Berlin versteigert.
- Stendals Stadtpolitik hat eigene Pläne für die Geisterstadt.
Stendal-Süd gleicht heute einer Geisterstadt. Eingeschlagene Fenster, verrammelte Türen und Müll an allen Orten. Vor zehn Jahren sind die letzten Bewohner weggezogen. Die Stadtwerke hatten seinerzeit den Strom und auch das Wasser abgeklemmt. Die privaten Eigentümer der Blocks hatten ihre Rechnungen nicht beglichen.
Mittlerweile gibt es gar keine Leitungen mehr zu den Blocks. "Die Wärmeversorgung wurde vollständig zurückgebaut. Die anderen Medien sind abgeklemmt und auch nicht einfach zu reaktivieren", sagt der Stendaler Oberbürgermeister Bastian Sieler (parteilos).
Die Chronologie von Stendal-Süd
1985: Grundsteinlegung für den Bau von Stendal-Süd.
1991: Es wird festgelegt, das Kraftwerk bei Arneburg nicht weiterzubauen. Viele Arbeiter, die in Süd wohnen, werden arbeitslos.
1995: Stendal hat seit der Wende rund 6.000 Einwohner verloren. Es wohnen noch 45.719 Menschen in der Stadt.
2002: Grundsatzbeschluss zum Abriss des gesamten Stadtteils Süd.
2002: Beginn des Programms "Stadtumbau Ost". 2.300 von einstmals 2.800 Wohnungen in Süd werden abgerissen.
2011: Veräußerung der verbliebenen Blöcke in einer Zwangsversteigerung.
2014: Die letzten Einwohner aus den verbliebenen Blöcken ziehen aus. Die Vermieter hatten ihre Rechnungen bei den Stadtwerken nicht beglichen.
2017: Ein Investor erwirbt bei einer Zwangsversteigerung die verbliebenen Wohnblocks für rund eine Million Euro.
2020: Der Stendaler Stadtrat beschließt mehrheitlich, dass Stendal-Süd künftig ein Baugebiet für Eigenheime werden soll.
Es sei ein gewaltiger Investitionsstau entstanden, da Leitungen nicht mehr genutzt werden und dann irgendwann auch nicht mehr nutzbar seien, sagt der Verwaltungschef. Er könne nur jedem davon abraten, dort noch einmal zu investieren und zu versuchen, dort wieder Leben in die Häuser zu bekommen.
Gebäude mit 434 Wohnungen
Vier der verbliebenen sechs Plattenbauten sollen an diesem Donnerstag versteigert werden. Angeboten werden die heruntergekommenen Wohnblocks bei einer Auktion der Deutschen Grundstücksauktionen AG. Dabei könnte der Versteigerungsort im vornehmen Sheraton Berlin Grand Hotel Esplanade in keinem krasseren Gegensatz stehen zum Zustand der Versteigerungsobjekte.
Wenngleich die Gebäude mit zusammen 434 Wohnungen im Hochglanzkatalog des Auktionshauses so wirken, als seien sie unmittelbar bezugsfertig, so sieht die Realität anders aus. Nach zehn Jahren Leerstand und jeder Menge Vandalismus ist das gesamte Areal von Stendal-Süd zu einem Schandfleck geworden.
Rückblick: 1985 bis 2014
Ab 1985 wurde im Süden von Stendal ein ganzer Stadtteil aus dem Boden gestampft. Viele Arbeiter des im Bau befindlichen Kernkraftwerkes (KKW) in Arneburg zogen nach Stendal. Der Wohnraum war begrenzt. In Süd entstand eine Siedlung für 6.500 Menschen, mit Schulen, Ärzten, Kitas und Einkaufsmöglichkeiten. Noch nach der Wende wurde an der Plattenbausiedlung – der zweiten neben Stendal-Stadtsee – weitergebaut.
Als 1991 der Kraftwerksbau eingestellt wurde, entstand in Stendal-Süd schnell großer Leerstand. Mit einem mutigen Stadtratsbeschluss wurde 2002 das gesamte Areal aufgegeben. Es sollte komplett abgerissen werden. Einige Blocks gingen jedoch in privaten Besitz über und die Wohnungen wurden bis 2014 auch vermietet. Seither verwahrlosen sie.
"Wir haben den Eigentümern klargemacht, dass für uns nur ein Abriss in Frage kommt", sagt Oberbürgermeister Bastian Sieler. Man habe auch angeboten, Fördergeld für einen Abriss zu akquirieren, sagt er. Das Stadtentwicklungskonzept sehe den Komplettabriss vor.
Wir haben den Eigentümern klargemacht, dass für uns nur ein Abriss in Frage kommt.
Im Stendaler Stadtrat wurde immer wieder ins Spiel gebracht, das Areal zu einem Baugebiet für Eigenheime zu machen. Auch die Stendaler Wohnungsbaugesellschaft (SWG) hatte – noch unter dem ehemaligen Geschäftsführer Daniel Jircik – Pläne für die Investition in Mehrfamilienhäuser. "Der Erwerb der leerstehenden Wohnblöcke ist derzeit nicht geplant", sagt der neue Geschäftsführer Klaus Jaenecke. Ohnehin werde derzeit die strategische Ausrichtung des Hauses überarbeitet.
Stadt plant in Stendal-Süd den Neubau einer Kita
Die Stadt selbst plant in Stendal-Süd den Neubau der Kita "Regenbogenland" für rund acht Millionen Euro. Die derzeitige Kita befindet sich in einem alten DDR-Plattenbau und ist das letzte intakte Relikt aus Stendal-Süd, wo es einst "alles gab, was man brauchte", wie ehemalige Südler wie Steffen Roske immer wieder betonen. "Die Menschen haben sehr gerne dort gelebt", sagt Roske, der sich im Stendaler Stadtrat in den Bürgerfragestunden immer wieder nach neuesten Entwicklungen erkundigt.
Zuletzt hatte ein bayerischer Investor die Blocks vor acht Jahren bei einer Zwangsversteigerung für gut eine Millionen Euro die nun zur Versteigerung stehenden vier Blocks erworben. Er kündigte günstigen Wohnraum für die Stadt an. Passiert ist indes nichts, außer, dass es irgendwann einen neuen Eigentümer gab.
Stendals Stadtverwaltung sind die Hände gebunden
"Ich kenne die Motivation für diese Käufe und Weiterverkäufe nicht", sagt Oberbürgermeister Bastian Sieler. Der Verwaltung seien die Hände gebunden, man könne niemanden zum Abriss der Gebäude zwingen. "Das Recht schützt die Eigentümer", sagt der Rathauschef. Ob die Stadt selber bei der Aktion am Donnerstag aktiv wird, ist indes unklar. In der Stadtpolitik wird hinter verschlossenen Türen heftig darüber diskutiert. Die klamme Stadtkasse gibt einen Kauf jedoch nicht her. Weder für den Kauf noch für den Abriss.
Ein Problem gibt es dann noch: Mit der Auktion stehen nur vier der sechs verbliebenen Wohnblocks zum Verkauf. "Zwei Blocks in Privatbesitz sind dann immer noch da", sagt Sieler.
MDR (Bernd-Volker Brahms, Mario Köhne) | Erstmals veröffentlicht am 24.03.2025
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 24. März 2025 | 12:00 Uhr
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