Kommunalwahl 2024 Diskussionen um Ortschaftsräte: Wie Demokratie auf dem Dorf organisiert wird
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17. Dezember 2023, 14:06 Uhr
In Sachsen-Anhalt ist 2024 in vielen Orten Kommunalwahl. Auch im kleinsten Gremium zur Mitbestimmung in den Gemeinden werden neue Mitglieder gewählt: dem Ortschaftsrat. Entscheiden können Ortschafsräte wenig. Und in vielen Kommunen gibt es kaum Finanzen zu verteilen. Die Arbeit der Ortschaftsräte wird aber ganz unterschiedlich wahrgenommen, zeigt ein Blick in den Salzlandkreis.
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- In der Stadt Seeland sind die Ortschaftsräte Ansprechpartner in den Ortsteilen – zum Beispiel in Friedrichsaue. Der Bürgermeister weiß das zu schätzen.
- Noch vor der Kommunalwahl 2024 muss dort mit viel Aufwand ein neues Ratsmitglied gewählt werden.
- In Neugattersleben gab es den Vorschlag, den Ortschaftsrat aufzulösen, auch, weil die Arbeit oft schwierig ist. Ohne Erfolg – dennoch wünscht man sich vor Ort Änderungen.
Schwarzer Schimmel blüht an der Decke der Trauerhalle im kleinen Friedrichsaue im Salzlandkreis. Ortsbürgermeisterin Cornelia Mantel und Seelands Bürgermeister Robert Käsebier sehen sich den Schaden an. Das hat sich gerade so ergeben, beim Ortstermin.
"Das ist jetzt ein ganz neuer Kenntnisstand", stellt Robert Käsebier fest. Man müsse der Ursache auf den Grund gehen, schauen, ob die Schäden gravierend sind. Wenn der Schaden größer sein sollte und die Trauerhalle zum Sanierungsfall wird, dann würde darüber nicht vor Ort entschieden, sondern im Stadtrat der gesamten Stadt. Einfluss könne der Ortschaftsrat aber schon nehmen, sagt Friedrichsaues Ortsbürgermeisterin Cornelia Mantel.
Was der Ortschaftsrat bei seinen Sitzungen bespricht
In den Ortschaftsratssitzungen stehen viele Themen auf der Agenda, die auch der Stadtrat behandelt. Und ganz viele praktische Dinge des Alltags: Anfragen zu Schlaglöchern, Baumpflanzungen, Straßenbeleuchtung, Baumaßnahmen — kurz, alles, was auf dem Dorf wichtig ist, ist landauf, landab Sitzungsalltag in den Ortschaftsräten. "Als Stadt hat man ja gar nicht immer so den Einblick, gerade in die kleinsten Ecken", sagt Bürgermeister Robert Käsebier.
Als Stadt hat man ja gar nicht immer so den Einblick, gerade in die kleinsten Ecken.
Die Stadt Seeland besteht aus sechs Ortsteilen. Friedrichsaue ist der Kleinste. "Man hat zwar kein direktes, aber doch ein indirektes Stimmrecht", meint Ortsbürgermeisterin Cornelia Mantel. "Die Stadträte schauen natürlich schon: Wie haben die Ortschaften abgestimmt?" Die Ortschaftsräte könnten zwar im Vergleich wenig entscheiden, hätten je nach Stadt nur kleine Budgets, dennoch würde man sie hören.
Ortschaftsräte sind Ansprechpartner vor Ort
Sie sind eine Schnittstelle, Ansprechpartner für die Verwaltung und vor allem für die Anwohner auf den Dörfern. "Das ist eigentlich der Grundpfeiler der Demokratie", stellt Robert Käsebier fest. Aus den Ortschaften heraus werde die Politik gemacht – "leider wird sie nach oben hin nicht mehr angehört."
Den Ortschaftsräten solle mehr Beachtung geschenkt werden. Die Politik solle mehr dort hinhören, wo eigentlich das Leben ist, so der Bürgermeister. Dabei sind die Abläufe in der kleinsten Organisationseinheit der Mitbestimmung vor Ort klar geregelt.
Eine ganze Wahl für einen einzelnen Ortschaftsrat
In Friedrichsaue wird es im Januar sogar eine Nachwahl geben – für einen einzelnen Ortschaftrat im 180-Seelen-Dorf. Weil ein Platz in dem Gremium frei geworden ist, muss die Stadt Seeland fünf Monate vor der nächsten turnusmäßigen Wahl noch eine Nachwahl organisieren.
"Wir brauchen Personal dafür, Wahlhelfer. Die Wahlscheine sind jetzt schon gedruckt. Die ganzen Kosten, die entstehen", moniert Stadtbürgermeister Käsebier. Das hätten sie hier gern anders gelöst. Aber Vorschrift ist Vorschrift.
Kein Ortschaftsrat für Neugattersleben mehr?
Auch im Nienburger Ortsteil Neugattersleben ist die Zukunft des Ortschaftsrates ein Thema – aber ganz anders. Ortsbürgermeister Rolf Heinemann hat vorgeschlagen, den Ortschaftsrat aufzulösen und durch einen einzelnen Ortsvorsteher zu ersetzen. Das würde unter anderem die Kommunikation vereinfachen. Die Verteilung der Gelder sei ungerecht.
Man ist unzufrieden, dass man das, was man umsetzen möchte, nicht umsetzen kann. Einfach, weil die finanziellen Mittel fehlen.
"Ganz einfach gesagt: Man verliert die Lust, dort mitzuarbeiten", meint Heinemann, "Man ist unzufrieden, dass man das, was man umsetzen möchte, nicht umsetzen kann. Einfach, weil die finanziellen Mittel fehlen." Der Ortschaftsrat war dem Vorschlag des Ortsbürgermeisters gefolgt. Es gab Diskussionen.
Mitbestimmung ist ein Thema bei den Kommunalwahlen
Mitunter sind die Ortschaftsräte auch nicht beschlussfähig, weil zu wenige Vertreter Sitzungen besuchen. Dann müssen die Sitzungen wiederholt werden. Auch darüber solle diskutiert werden, meint Heinemann. "Es ist schwierig zu vermitteln, was man alles nicht machen kann und was man auf der anderen Seite alles machen muss", sagt er. Und es werde schwieriger.
Viele Themen unterliegen nur einem Anhörungsrecht, also, der Ortschaftsrat darf sich eine Meinung bilden.
Bürgermeisterin Susan Falke würde sich mehr Mitbestimmungsrechte für die Ortschaftsräte wünschen. "Viele Themen unterliegen nur einem Anhörungsrecht, also, der Ortschaftsrat darf sich eine Meinung bilden. Die wird dann in die Ausschüsse und in den Stadtrat getragen", sagt sie. Das heiße aber nicht, dass der Stadtrat dann auch so entscheiden müsse.
Ortschaftsrat in Neugattersleben wünscht sich weniger Bürokratie
Patrick Hölscher ist Ortschaftsrat in Neugattersleben. "Für mich ist der Ortschaftsrat nicht bloß ein Gremium, wo man die Hand hebt", sagt er. Er sehe sich als Ansprechpartner für Probleme, aber auch für Ideen. Dazu komme, dass zu den Aufgaben des Ortschaftsrates auch Brauchtsumspflege, Feste, Veranstaltungen zählten. Er wünscht sich weniger Bürokratie.
Für mich ist der Ortschaftsrat nicht bloß ein Gremium, wo man die Hand hebt.
Zur Stadtratssitzung nach Nienburg sind auch Anwohner aus Neugattersleben gekommen. Der Stadtrat entscheidet: Der Ortschaftsrat Neugattersleben bleibt. Die Ortschaftsräte können zwar wenig entscheiden, aber sie sind so etwas wie Schnittstellen, Vermittler zwischen Stadtverwaltung und Dorf. Und im nächsten Jahr werden viele von ihnen neu gewählt.
MDR (Tom Gräbe)
Dieses Thema im Programm: MDR S-ANHALT | MDR SACHSEN-ANHALT | 16. Dezember 2023 | 19:00 Uhr
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