Energiewende im Handwerk Die E-Auto-Experten: Ein Werkstattbesuch in Aschersleben
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16. September 2023, 17:50 Uhr
Auch, wenn hierzulande nur wenige E-Autos unterwegs sind – es braucht Handwerker, die mit Starkstrom umgehen können. Seit einigen Jahren können sich KfZ-Mechatroniker daher auf System- und Hochvolttechnik spezialisieren. Ein Autohaus in Aschersleben konzentriert sich genau darauf. Ein Blick in die Praxis einer Fachrichtung des Automobilhandwerks, die gerade an Bedeutung gewinnt.
- Der Beruf des KfZ-Mechatronikers hat sich durch Hybrid-, E-Autos und Wasserstoff stark verändert.
- Die Fachrichtung der System und Hochvolttechnik ist entstanden.
- Die Handwerkskammer wünscht sich Planungssicherheit für die Betriebe.
Teile der Karosserie sind verbogen, der Rahmen vorne hatte eine Delle. Das Fahrzeug hier auf der Hebebühne in der Werkstatt des Autohauses Schmidt und Söhne in Aschersleben hatte einen Auffahrunfall.
"Wie man sehen kann, ist das ein Frontschaden, der sich auch teilweise unters Auto drunterzieht", stellt KfZ-Mechatroniker Malte Kempe fest. Das Fahrzeug sei in eine Baustelle gefahren. Ein typischer Unfallschaden. Einer, wie er häufiger vorkommt im Werkstattalltag. Allerdings: Das Auto ist kein Verbrenner, sondern ein Elektroauto. Der Rahmen hat sich verzogen. Und auch die Batterie hat etwas abgekriegt. Malte Kempe muss sie öffnen, um das Auto zu reparieren.
"Alles, was in der Batterie ist, die ganze Elektronik und die Akkus, müssen dann quasi ein neues Gehäuse eingesetzt werden", sagt der Mechatroniker. Die Batterie muss er auseinander bauen, damit das Fahrzeug wieder fahrtüchtig wird.
Arbeitsschutz am E-Auto
400 Volt Gleichspannung hat die Autobatterie. Um damit zu hantieren, braucht es Spezialausrüstung und eine Spezialausbildung. Malte Kempe streift sich zwei paar Handschuhe über. Ein normales Paar Gummihandschuhe und ein paar verstärkte Arbeitshandschuhe. Derbes Material, wie auch Jacke und Hose. Er arbeitet hinter einer Absperrung, wenn er mit den Bauteilen der Batterie hantiert.
Klein und hässlich mache das, wenn man bei 400 Volt Gleichspannung eine gewischt kriege – das hätte sein Trainer seinerzeit in einer Schulung gesagt, stellt der Mechaniker fest. Schutzvorschriften sind wichtig.
System und Hochvolttechnik heißt die Fachrichtung, auf die sich Kfz-Mechatroniker seit zehn Jahren spezialisieren können. Malte Kempe war damals einer der ersten. Man hat einen gewissen Respekt davor, den sollte man auch immer haben, sagt der E-Auto-Spezialist.
Ausbildung verändert sich
Dirk Knauf ist Ausbilder im Autohaus Schmidt und Söhne. Seit Jahrzehnten arbeite er in seinem Beruf. "Eigentlich kann man wirklich sagen, es kommen immer wieder neue Sachen hinzu." Das Berufsbild des KfZ-Mechatronikers wandele sich ständig. Es gibt Spezialisierungen, auf Karosseriearbeiten, Glasreparaturen, System- und Hochvolttechnik. Systemtechnik, das sind Assistenzsysteme. Auch Bremsunterstützung und Spurassistenten müssen gewartet werden.
Jeder Hersteller hatte irgendwo ein Elektrofahrzeug in seinem Angebot, aber es war immer so ein Nischenprodukt. Das ändert sich gerade.
Das Thema Hochvolttechnik, also E-Mobilität, habe in den vergangenen zwei, drei, vier Jahren so richtig Fahrt aufgenommen, stellt der Ausbilder fest. "Jeder Hersteller hatte irgendwo ein Elektrofahrzeug in seinem Angebot, aber es war immer so ein Nischenprodukt." Das ändere sich gerade. "Ob es nachher das Nonplusultra ist, das wird sich zeigen."
Es gebe ja noch andere Techniken, wie zum Beispiel Wasserstoff. Den Großteil der Autos auf Sachsen-Anhalts Straßen machen aber weiterhin Benzin- oder Dieselfahrzeuge aus.
Gerade mal 13,7 Prozent aller in Sachsen-Anhalt zwischen Januar und August neu zugelassenen PKW sind E-Autos. Aber auch all diese Fahrzeuge bedürfen einer Wartung. Für die Autohäuser ist es eine Herausforderung, Fachkräfte vorzuhalten, die sich mit der komplexen Technik in ihrer Bandbreite auskennen.
Handwerk im Wandel
Handwerksberufe wandeln sich ständig. Schon immer. Berufsbilder werden immer wieder angepasst – an neue Technologien. "Daher ist ein komplett neuer Beruf wenig zielführend", schreibt die Handwerkskammer Halle. Der Beruf des KfZ-Mechatronikers hat sich durch Hybrid-, E-Autos und Wasserstoff tiefgreifend verändert. Spezialisierungen und Zusatzausbildungen sind zwingend notwendig, so die Handwerkskammer.
"Die Bandbreite wird größer", sagt Burghard Grupe, Geschäftsführer der Handwerkskammer Magdeburg. Man werde aber die klassischen Dinge auch noch machen müssen. "Also, da wird mal eine Bremsscheibe gewechselt werden, müssen die Reifen gewechselt werden, wie es klassisch schon vor vielen, vielen Jahrzehnten war. Aber es wird auch ganz andere Techniken geben. Darauf muss man sich einstellen", so Grupe.
Er wünscht sich als erstes: Planungssicherheit für die Betriebe. Die müssten ihre Werkstätten umbauen. "Zweitens bitte als Politik erst gackern, wenn das Ei gelegt ist und nicht vorher schon irgendwelche Ballons starten lassen." Er appelliert weiter an die Politik: "Bitte mal mit den Praktikern reden. Reden Sie mit den Verbänden, reden Sie mit den Handwerkerinnen und Handwerkern. Die können den Politikern genau sagen, wie sich was in der Praxis auswirkt, sodass man das auch entsprechend mitdenken kann."
Viele Kunden bleiben bei der alten Technik
Ein riesiger Veränderungsprozess sei im Gange im Autohaus, sagt Anke Schmidt, die Geschäftsführerin des Autohauses in Aschersleben. Die Lieferschwierigkeiten wegen der Halbleiter-Krise seien vorbei: "Es ist wieder in Gang gekommen." Elektro-Autos bräuchten aber einen anderen Service. Software-Updates zum Beispiel. Oder Unfallschäden, für deren Reparatur es Spezialisten braucht.
Aber es gebe viele Kunden, die bei der alten Technik bleiben wollen: "Ich denke, man kann nicht alles gleich ersetzen. So weit sind wir auch noch nicht", sagt sie. Die Entwicklung von E-Mobilität brauche ihre Zeit.
Man kann nicht alles gleichzeitig ersetzen. So weit sind wir auch noch nicht
Reparatur an der Batterie
Eine Schraube nach der anderen löst Malte Kempe am Batteriegehäuse. Weit über 300 Kilo wiegt so ein Akku – das Herzstück des Autos. Die Mobilitätswende braucht Handwerker. Die Automobilbranche ist im Wandel. Das merkt auch der Mechatroniker in der Werkstatt.
"Der Reiz ist, man hat immer wieder was Neues, die Technologie, die geht immer weiter." Trotzdem blieben aber auch viele Dinge wie gewohnt. Räder, Lenkrad, Bremse. Das bedürfe ja auch immer einer Wartung. Vor zehn Jahren, als Malte Kempe angefangen hat, in seinem Beruf zu arbeiten, war Hochvolttechnik noch vergleichsweise exotisch. Als er seine Berufsausbildung begonnen habe, sei Elektromobilität am Horizont sichtbar gewesen, stellt er fest. "Jetzt nicht das, wo man sagt, das ist jetzt die Zukunft." Das habe sich in den vergangenen Jahren dann doch sehr rasant in diese Richtung entwickelt, sagt er.
Hier in der Werkstatt im Autohaus hätten Mechatroniker ihre Spezialgebiete. Er repariere die Elektrofahrzeuge. "Ein anderer Kollege macht dann hauptsächlich Dieselmotoren oder Benzinmotoren". Die Mobilitätswende jedenfalls wird ohne Handwerker nicht funktionieren.
MDR (Tom Gräbe, Alisa Sonntag)
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE | 15. September 2023 | 19:00 Uhr
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