Fehl- und Totgeburt Trauer um Sternenkinder: Projekt aus der Altmark schafft Erinnerungen
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26. April 2025, 17:30 Uhr
Wenn ein kleiner Karton zum großen Trost wird – "Sternchenzauber Altmark" steht Eltern von Sternenkindern bei. Anne Scholz aus Salzwedel wollte mit ihrem handwerklichen Geschick etwas Gutes in ihrer Region tun – heute hilft sie mit ihrer Organisation Hunderten in ganz Deutschland.
- In Salzwedel organisiert eine Krankenschwester emotionale Unterstützung für Eltern von sogenannten Sternenkindern.
- Eine betroffene Mutter spricht von einem Gefühl von "in den Arm genommen und gesehen fühlen."
- Die Initiatoren des Projektes wünscht sich mehr Offenheit der Gesellschaft rund um das Thema Totgeburt.
Eine Karte. Eine Kerze. Ein Engel aus Gips. Für die meisten Menschen sind das einfach nur liebevoll gestaltete Kleinigkeiten – für andere ist es alles, was bleibt, wenn ein Baby stirbt, bevor es richtig auf der Welt ist. Das Projekt "Sternchenzauber Altmark" stellt diese Kleinigkeiten ehrenamtlich her und verschenkt sie an Eltern von Sternenkindern.
Anne Scholz aus Salzwedel will genau da helfen, wo viele nicht mehr wissen, was sie sagen oder tun sollen. Vor fast drei Jahren hat die gelernte Gesundheits- und Krankenpflegerin daher das Projekt "Sternchenzauber Altmark" ins Leben gerufen. Aus einem Herzensanliegen wurde eine gemeinnützige Organisation: Heute stehen fast 30 Helferinnen an ihrer Seite. Sie häkeln, nähen, bemalen und basteln, was das Garn und der Pinsel hergeben und stecken all das in eine Box, die vielleicht klein aussieht, aber unendlich viel Trost spenden kann.
Etwa 100 dieser Päckchen verschickt das Team jedes Jahr in sämtliche Städte in Deutschland – Osnabrück, Stuttgart, Berlin, Gießen, Dortmund und andere Orte. Sie werden aber auch von Hebammen in den Krankenhäusern in Salzwedel, Dannenberg und Perleberg an betroffene Eltern ausgegeben.
In jeder Box stecken handgemachte Erinnerungsstücke: ein Holzrahmen für winzige Hand- oder Fußabdrücke, eine Karte mit dem Sternenzeichen des Kindes, ein Armband, kleine Figuren aus Epoxidharz und vieles mehr. Jede Box ist individuell zusammengestellt, liebevoll verpackt und auf Wunsch auch personalisiert – mit Namen oder Geburtsdatum des Kindes. Alles kostenlos und ehrenamtlich.
Sichtbarkeit von Sternenkindern: "Gesehen fühlen, von völlig fremden Menschen"
Diese Pakete, diese Geste des Mitgefühls, bedeuten für die Eltern so viel mehr. Sie geben ihnen Halt, Erinnerung und Wärme. "Beim Öffnen der Box war dann das größte Gefühl tatsächlich eigentlich Dankbarkeit. Und sich irgendwie in den Arm genommen und gesehen fühlen, von völlig fremden Menschen. Einfach diese Wärme, dieses Wohlwollen, dieses Mitgefühl – das ist ein ganz, ganz tolles Gefühl, vor allem in so einer Situation", erzählt Claudia aus Perleberg. Sie bekam ihre Box im März, im Januar war der Schicksalsschlag.
Es ist, als wäre unsere Tochter überall – überall ist ein kleiner Gruß von ihr.
Auch bei Daniela aus Osnabrück sitzt der Schmerz noch tief, doch die handgemachten Stücke von "Sternchenzauber Altmark" helfen ihr. Überall im Haus habe sie sie verteilt. "Die Bedeutung ist gar nicht in Worte zu fassen, da sie einfach in Verbindung mit unserem Sternenkind stehen. Es ist, als wäre unsere Tochter überall – überall ist ein kleiner Gruß von ihr", erzählt Claudia.
Dass diese kleinen Boxen vielen Eltern helfen, wird Scholz immer wieder gezeigt. "Ich bekomme oft im Nachhinein so herzliche Nachrichten und auch Fotos. In diesen Momenten weiß ich, warum ich das mache", sagte die 35-Jährige und muss lächeln. Sie selbst ist zweifache Mutter. Ihr Ehrenamt wirkt sich auch auf ihr Privatleben aus. "Ich weiß, dass ich wahnsinniges Glück habe, meine beiden Kinder sind gesund. Und das weiß ich durch unsere Arbeit noch mehr zu schätzen."
Verstorbene Babys: Ein Netzwerk, das Hoffnung schenkt
Das "Uns" ist ihr dabei besonders wichtig. Alleine würde sie es nicht schaffen, sagt sie, ohne ihr Team, die vielen Unterstützer und einiger Ideen von außen. "Ich hab nur den Anstoß gegeben", sagt sie bescheiden.
Angefangen hatte alles mit gehäkelten Mützen für Neugeborene und genähten Einschlagdecken für verstorbene Babys. Kurze Zeit später kamen die Trostboxen dazu. Inzwischen arbeitet die Organisation auch mit dem Bestatter Müller und dem Familienhof in Salzwedel zusammen. So wollen Scholz und ihr Team für Familien, deren Baby erst Monate nach der Geburt stirbt, ebenfalls Unterstützung anbieten – mit kleinen Himmelskleidern und Bettchen in verschiedenen Größen.
Tabuthema Tot- und Fehlgeburten: Mutter wünscht sich mehr Offenheit
Auf das Thema Sternenkinder und ihre Hilfe durch die Trostboxen machen die Akteure hinter "Sternchenzauber Altmark" in den sozialen Medien aufmerksam. Für die Zukunft wünscht sich Anne Scholz daher vor allem eins: Dass die Gesellschaft offener dem Thema gegenüber wird. Dass Eltern darüber reden können ohne Floskeln wie "du kannst ja wieder schwanger werden" oder "alles hat einen Grund" entgegnet zu bekommen.
Es sei ein noch zu großes Tabu, sagen auch die Familien. "Weil Trauer und Leid häufig nicht in den Alltag passen dürfen und weil von vielen diese Gefühle einfach nicht gehalten werden können", sagt Claudia. Sie wünscht sich einen offeneren Umgang mit Trauer und Fehl- sowie Totgeburten.
MDR (Lydia Zahn, Cynthia Seidel)
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 26. April 2025 | 13:20 Uhr
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