Grafik des Schriftzus AI in einem Datennetz 2 min
  • KI-Systeme könnten jungen Menschen bei der Suche nach einem geeigneten Studiengang helfen. Mehr dazu im Audio.
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100 Menschen haben in Magdeburg über die digitale Zukunft von Unis und Hochschulen diskutiert. Ein unvermeidliches Thema dort: Künstliche Intelligenz. Sie soll zur richtigen Studienwahl und beim Lernen helfen.

MDR SACHSEN-ANHALT So 16.03.2025 12:20Uhr 01:59 min

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KI und Unis Mit dem Tinder-Prinzip zum passenden Studium?

16. März 2025, 12:55 Uhr

Eine der erfolgreichsten Apps für deutsche Studierende kommt aus Magdeburg. Die Firma UniNow hat sie entwickelt und schon zum dritten Mal Expertinnen und Experten versammelt, um darüber zu diskutieren, wie digitale Technologien Hochschulen, Unis und Studentenleben verändern. Ein Schwerpunkt in diesem Jahr: KI, die dabei hilft, das richtige Fach zu wählen und erfolgreich zu lernen. Was bislang außen vor bleibt: Was sind klassische Prüfungen und Abschlussarbeiten im KI-Zeitalter noch wert?

Ein großer Mann mit Locken und Brille steht vor einer Betonwand.
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Die Antwort kommt bei Thomas Lipke wie aus der Pistole geschossen: "Jeder!" Lipke ist Dezernent für Digitale Transformation und Akademisches Controlling an der Uni Duisburg-Essen. Er ist nach Magdeburg zur Tagung "Digital Campus 2025" gekommen, die von UniNow veranstaltet wird – einem Startup, das zwei Magdeburger 2016 gegründet haben und das wohl eine der erfolgreichsten Apps für deutsche Studierende entwickelt hat.

Der Titel von Lipkes Vortrag: "Studienwahl im Tinder-Prinzip: Wie KI-basierte Empfehlungen die Deutungshoheit der Hochschulen beeinflussen". Für MDR SACHSEN-ANHALT sollte Lipke schätzen, wie viele Schüler vor dem Studium wohl ein KI-Tool gefragt haben, was sie am besten studieren sollen. "Jeder", war Lipkes schnelle Antwort. "Jeder wird im Laufe seiner Überlegung mit solchen KI-Systemen hantiert haben. Ob sie die für die Studienwahl bestimmten KI-Systeme genutzt haben, ist eine andere Frage. Aber jeder hat sicher schon mal ChatGPT gefragt."

KI Studieren Magdeburg
Nach links oder nach rechts wischen? Etwa 100 Begriffe bewerten: kommt man so zum passenden Studienfach? Bildrechte: MDR/Marcel Roth

KI kann Überblick verschaffen

Bei der riesigen Anzahl an Studiengängen ist das kein Wunder. Lipke sagt, es gebe in Deutschland 25.000 verschiedene Studiengänge. "Selbst im Fach Geschichte gibt es 500 verschiedene Studiengänge." Darüber kann wohl niemand einen Überblick haben oder sich zutrauen, einem jungen Menschen eine Studienempfehlung zu geben. "Aber ein KI-System kann schnell mit mir zusammen überlegen, was ich studieren könnte", sagt Lipke.

Es gibt bereits einige Beispiel für diese Art von Studienberatung. Problematisch sei mitunter, dass aus Statistiken der Vergangenheit empfohlen würde, was Menschen studieren sollen. Das führe dazu, dass Männern ein Ingenieurstudium und Frauen Veterinärmedizin oder ein Lehramtsstudium empfohlen würde, sagt Lipke. "Wenn man sich keine Mühe gibt, daran zu arbeiten, wird eine KI das in Zukunft weiter fortsetzen und empfehlen."

100 Mal wischen zum passenden Studium?

Ein Unternehmen bietet eine KI-gestützte Studienempfehlung sogar im Stil der Dating-App Tinder an: bei Interesse nach rechts wischen, ansonsten nach links. Etwa 100 Mal sollen Studieninteressierte wischen. Lipke hat allerdings festgestellt, dass dieses Tool den meisten Menschen ein Studium an einer Uni in Berlin empfiehlt. Warum, sei unklar.

Ein anderes KI-gestütztes Werkzeug zur Studienwahl sei deutlich ausführlicher. Interessierte müssten dort auch mehr Zeit investieren. "Das ist gut. Am Ende kommt ein Selbsteinschätzungstest mit einem Code, den man abgeben muss, wenn man sich an einer Uni einschreibt."

Allerdings empfiehlt das Tool nur Universitäten in Baden-Württemberg. "Das muss Unis in anderen Bundesländern gar nicht gefallen." Das Werkzeug ist vom Bildungsministerium in Baden-Württemberg entwickelt worden und zeigt ein Grundproblem jeder KI-Anwendung: Wer macht sie, wie zuverlässig ist sie und wer steuert Informationen bei? Kann man ihr vertrauen?

Studienwahl mit KI: Die Interessen von Unis, Unternehmen und Studierenden

Lipke sagt zum Beispiel, Unternehmen könnten solche Tools nutzen, um Daten über junge Menschen zu sammeln: "Und als Hochschule kann man sich bei solchen Unternehmen einkaufen und sich besser und prominenter darstellen." Dabei sei Studienberatung eine klassische Leistung von Universitäten und Hochschulen.

        

KI Studieren Magdeburg, Thomas Lipke
Thomas Lipke, Dezernent für Digitale Transformation und Akademisches Controlling an der Uni Duisburg-Essen: Kann man KI-Anwendungen vertrauen? Bildrechte: MDR/Marcel Roth

"Wir beraten ja nicht, damit du zu uns kommst, sondern damit du den besten Weg findest", sagt Lipke. Das könnte und sollte man heute auch mit KI-Unterstützung machen. Denn das Interesse von Hochschule und Studieninteressent sei das gleiche: Sie sollten zueinander passen. "Wenn eine KI empfiehlt, jemand soll an der Universität Duisburg-Essen Psychologie studieren, dann soll das auch derjenige sein, von dem wir auch erwartet hätten, dass wir es ihm oder ihr empfohlen hätten." Man dürfe aber nicht blind vertrauen, dass die KI es schon richtig mache.

Am besten sei es, wenn alle deutschen Hochschulen und Universitäten ein solches Tool gemeinsam entwickeln und betreiben könnten, meint Lipke. Der Hochschulkompass der Hochschulrektorenkonferenz könnte sich weiterentwickeln. "Denn wir wollen den jungen Menschen ja etwas an die Hand geben." Und das sollte in einem gemeinsamen Dialog entstehen. "Wir haben als Uni auch verstanden, dass wir nicht immer ganz oben stehen müssen, sondern dass auch mal Berlin, Bochum oder Magdeburg oben stehen darf. Aber wollen wir, dass wir mit den Studieninteressierten zusammen zu diesem Ergebnis kommen."

KI Studieren Magdeburg, Stefan Wegener
Stefan Wegener von UniNow aus Magdeburg hat die Tagung "Digital Campus 2025" organisiert. Auch seine Entwickler bei UniNow nutzen KI-Hilfe beim Programmieren. Bildrechte: MDR/Marcel Roth

Stefan Wegener von UniNow findet KI-Unterstützung bei der Studienwahl zeitgemäß. Bei seiner Studienwahl könne er sich noch an Beratungsgespräche und lustige Videos bei der Bundesagentur für Arbeit erinnern. "Ich weiß nicht, ob ich jemals gegründet hätte, wenn KI mich bei der Studienwahl beraten hätte. Aber grundsätzlich ist die Idee natürlich gut."

Tagung "Digital Campus 2025" Die Tagung "Digital Campus" hat bereits zum dritten Mal stattgefunden. Ins Leben gerufen hat sie die Magdeburger Firma UniNow. Die App von UniNow benutzen eine Million deutschen Studierenden. Das Unternehmen aus Magdeburg hat 35 Mitarbeiter, wurde 2016 gegründet und kooperiert mit mehr als 100 Hochschulen und Unis. Für 54 Unis hat UniNow eine eigene Campus-App gebaut. Neben Stundenplan, Noten und Mensaplan können in der UniNow-App zum Beispiel auch der Studierendenausweis, die Zugangsberechtigungen zu Unigebäuden, die Bezahlmöglichkeit in der Mensa oder das digitale Deutschlandticket hinterlegt werden.

KI im Studium: Hilfe beim Lernen

KI könne Studierenden auch helfen, erfolgreich ein Studium zu absolvieren, glaubt Lipke. Wenn sich verstehen lasse, wie erfolgreiche Lernpfade aussehen, dann ließen sich daraus Empfehlungen für Studierende ableiten, deren Studium vielleicht zu scheitern drohe. "Vielleicht müssten wir dann sogar empfehlen, das Studium abzubrechen und etwas Neues zu machen oder einen Weg zeigen, wie man erfolgreich sein kann."

Aber gerade große Universitäten könnten nicht jeden individuell beraten. Das könnte eine technische Lösung ausgleichen. "Wir können derzeit nicht einmal erkennen, ob jemand auf einem kritischen Lernpfad ist. Aber da sehen wir sehr großes Potenzial." Eigentlich seien dafür auch genug Daten vorhanden, aber man sei noch nicht soweit, eine solche Idee umzusetzen.

Ums erfolgreiche Lernen geht es auch Philipp Höllermann. Er arbeitet bei der Deutsche Weiterbildungsgesellschaft (DWG), einem Tochterunternehmen der Klett-Gruppe, zu der auch einer der größten deutsche Bildungsverlage gehört. Die DWG habe einen KI-Tutor entwickelt, der die menschlichen Lehrkräfte unterstützt und jederzeit erreichbar ist.

KI Studieren Magdeburg, Philipp Höllermann
Philipp Höllermann von der Deutschen Weiterbildungsgesellschaft: KI-Tutor hilft schon 25.000 Menschen bei ihrem Fernstudium. Bildrechte: MDR/Marcel Roth

"Vor allem bei unseren Fernstudierenden ist das ein Riesenvorteil. Sie haben sowieso meist keinen direkten Kontakt außer in Online-Vorlesungen." In Zeiten, in denen Lehrkräfte nicht verfügbar seien, könne der KI-Tutor eine schnelle Antwort geben. Insofern sei der KI-Tutor eine Ergänzung. "Es ist kein Ersetzen der menschlichen Tutorinnen und Tutoren, sondern eine Entlastung, gerade um dieses Grundrauschen an Fragen zu beantworten."

KI-Tutor nur mit eigenen Daten gefüttert

Der KI-Tutor greife nur auf die Daten zu, die die DWG ihm gegeben habe. "Zum Beispiel bei der Einführung in die Betriebswirtschaftslehre ergeben Lernmaterialien und wissenschaftliche Papiere einen Sinnzusammenhang. Und genau darauf wird die KI trainiert, um valide Antworten zu geben." Derzeit sei der KI-Tutor in mehr als 100 Studiengängen der DWG integriert und könne knapp 25.000 Studierende betreuen. Im nächsten Jahr sollen es 120.000 werden, sagt Höllermann.

KI Studieren Magdeburg, Lydia Hüskens (FDP)
Lydia Hüskens (FDP), Digitalministerin Sachsen-Anhalt: Sie findet KI-Tutoren hervorragend. Sie sollten aber nicht das direkte Gespräch zwischen Studierenden und Lehrkräften ersetzen. Bildrechte: MDR/Marcel Roth

Aktuell arbeite man mit dem KI-Modell von OpenAI. Aber man könne jederzeit eine andere sprachgenerierende KI nutzen, sagt Höllermann. "Unser Ziel ist es, dass die KI immer nur dann eine Antwort gibt, wenn sie tatsächlich etwas weiß und auch zugibt, wenn sie nichts gefunden hat."

Höllermann sorgt sich nicht, dass die Studierenden von einem KI-Tutor nicht motiviert werden könnten. Menschen müssten sich immer selbst zum Lernen motivieren, sagt er. "Und wie bei menschlichen Lehrkräften auch kann ein guter KI-Tutor gute Ergebnisse erzielen und ein schlechter kann grässliche erzielen."

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Sie waren von 2015 bis 2021 Geschäftsführerin des Studentenwerks Halle und haben auf der Tagung eine Rede gehalten. Wie finden Sie KI-Tools, denen Studierenden rund um die Uhr Fragen zum Lernstoff stellen können?

Ich finde das als zusätzliches Angebot gut. Es sollte nicht ersetzen, dass man als Studentin auch die Möglichkeit hat, mit einem Professor zu reden, von Mensch zu Mensch. Das ist vor allem in problematischen Situationen besser. Aber darüber hinaus finde ich solche Tools hervorragend.

Glauben Sie, ein solcher Chatbot, der beim Lernen hilft, ist motivierend ist für Studenten?

Das kommt darauf an. Es geht um die Frage, was möchte ich wissen. Wir haben inzwischen doch alle gelernt, dass man mit Chatbots einfache Sachen relativ gut klären kann. Wenn es komplexer wird, dann ist es besser, mit einem Menschen zu reden.

Können und sollten Hochschulen und Universitäten solche Tools selbst entwickeln? Oder sollten sie sich dabei auf Konzerne verlassen, von denen sie sich dann abhängig machen?

Ich finde es gut, wenn man immer ein bisschen Wettbewerb hat. So entwickeln sich die Anwendungen weiter. Und auch wenn ich es keinem Unternehmen wünsche: Aber man muss die Möglichkeit ins Auge fassen, dass ein Firmengründer gehen oder ein Unternehmen in Schwierigkeiten geraten kann und deshalb die Anwendungen nicht mehr ordentlich gepflegt oder weiterentwickelt werden und man plötzlich gezwungenermaßen zu anderen Anbietern muss.

Müssten Universitäten solche Anwendungen selbst betreiben können?

Das halte ich tatsächlich nicht für sinnvoll, weil es kommerzielle Angebote auf einem hervorragenden Stand gibt. Das sollten Universitäten auch nutzen. Es gibt auch immer Ausgründungen aus den Universitäten. Aber es ist sinnvoll, auf kommerzielle Angebote zurückzugreifen; souverän und mit den entsprechenden Datensicherheits- und Datenschutzaspekten.

Lernen mit KI, aber KI-Verbot bei Prüfung

Geht es um KI und Bildung, egal ob an Unis oder Schulen, ist der Elefant im Raum ein anderer als die Frage nach der Lernmotivation, dem Vertrauen in oder der Abhängigkeit von KI-Tools: Wozu sind herkömmliche Prüfungen gut, wenn beim Lernen und beim Arbeiten KI-Hilfe genutzt wird? Wie viel ist eine Abschlussarbeit wert, wenn sie mit KI-Hilfe erstellt werden kann? UniNow-Geschäftsführer Wegener sagt zum Beispiel, dass seine Entwickler sich selbstverständlich von KI unterstützen ließen.

Und für Philipp Höllermann von der Deutschen Weiterbildungsgesellschaft ist die Frage nach den Prüfungen eine ganz grundsätzliche: "Haben Institutionen wie Hochschulen überhaupt noch eine Berechtigung? In Zeiten von KI haben sie die nur noch sehr schwer." Hochschulen sollten zu Orten der Begegnung und des gemeinsamen Lernens werden. Sie sollten die Motivation zum Lernen wecken. "Prüfungen sind noch ein temporäres Phänomen und hoffentlich kommen wir irgendwann davon weg."

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Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 15. März 2025 | 17:00 Uhr

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