Ein Jahr vor den Kommunalwahlen "Ein anderer Blick": Bürgermeisterin aus Elbe-Parey will mehr Frauen in der Kommunalpolitik
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28. September 2023, 15:56 Uhr
Nur 36 der 236 Städte und Gemeinden in Sachsen-Anhalt werden von Bürgermeisterinnen regiert. Das soll sich ändern, finden die Amtsinhaberinnen aus Elbe-Parey und der Hohen Börde. Sie haben ihre Amtskolleginnen zu einem ersten Netzwerktreffen eingeladen und einen Aufruf gestartet: Er soll Frauen Lust auf Kommunalpolitik machen.
- Auf dem Schloss Zerben haben sich 20 Bürgermeisterinnen aus Sachsen-Anhalt getroffen, um für mehr Aufmerksamkeit für Frauen in der Kommunalpolitik zu werben.
- Eine der Organisatorinnen ist Bürgermeisterin Nicole Golz aus der Elbe-Parey.
- Die Bürgermeisterin ist seit 2015 im Amt und scheut auch keine unpopulären Entscheidungen.
Das Schloss Zerben ist ein guter Ort für das erste Treffen der Bürgermeisterinnen. Hier wuchs im 19. Jahrhundert Elisabeth von Plotho auf, jene Frau, der Theodor Fontane mit seinem wichtigsten Werk "Effi Briest" ein literarisches Denkmal setzte.
Ihr zu Ehren wurde das kleine Schloss in der Elbaue zum Frauenort, das an eine aufmüpfige Frau aus gutem Haus erinnert, die sich nicht den Konventionen ihrer Zeit beugte, sich nicht ihrem Schicksal ergab und die ihrem Leben nach der Scheidung einen neuen Sinn als Krankenpflegerin gab. Zu diesem Frauenort reisten über 20 Bürgermeisterinnen aus dem ganzen Land, hauptamtliche wie ehrenamtliche.
Kommunalpolitik soll weiblicher werden
Eingeladen zu diesem ersten Netzwerktreffen der Bürgermeisterinnen haben Nicole Golz und Steffi Trittel. Beide stehen an der Spitze ihrer Gemeinden – Nicole Golz in Elbe-Parey, Steffi Trittel in der Hohen Börde. Sie wünschen sich mehr Frauenpower in den Kommunen. "Frauen bringen einen anderen Blick mit", weiß Nicole Golz. "Vor allem im sozialen Bereich entscheiden sie anders. Aber auch bei Bildung oder Kultur." Die Bürgermeisterin weiß das aus eigener Erfahrung. Als sie vor knapp acht Jahren den Chefinnensessel im Rathaus eroberte, galt eine ihrer ersten Aktionen den Kindertagesstätten.
Frauen haben einen anderen Blick. Vor allem im sozialen Bereich.
"Wir hatten damals einen freien Träger. Aber ich habe vorgeschlagen, die Kindergärten wieder in kommunale Obhut zurückzuholen", erzählt die Mutter einer heute dreijährigen Tochter. Damals gab es für das Unterfangen viel Gegenwind. Sie überzeugte ihre Widersacher und Elbe-Parey hat nun wieder kommunale Kindertagesstätten. Der Elternbeitrag gehört zu den niedrigsten im Jerichower Land. Für einen Ganztagsplatz bezahlen die Eltern 155, 135 beziehungsweise 55 Euro pro Monat – je nach Alter des Kindes.
Keine Angst vor schweren Entscheidungen
Die Zweifler hat Nicole Golz längst überzeugt. Sie geben ihr inzwischen Recht. Vor allem die kurzen Wege zu den Kita-Mitarbeiterinnen, die Angestellte der Gemeinde sind, wiegen da schwer. Allerdings steht demnächst eine unpopuläre Entscheidung an: Die Elternbeiträge müssen erhöht werden. Aber auch das gehört zum Job einer Bürgermeisterin. "Ich bin ja groß und breit gewachsen", scherzt die 48-Jährige und wird wieder ernst. "Nein, nicht alles prallt an mir ab, aber ich stelle mich den Herausforderungen und habe keine Angst vor schweren Entscheidungen."
Unpopuläre Entscheidung: die Fährstilllegung
Eine solche Entscheidung war die Stilllegung der Fähre Ferchland-Grieben im Sommer 2020. Die Fähre über die Elbe lag damals allein in kommunaler Hand. Die Gemeinde Elbe-Parey konnte diese Aufgabe nicht länger allein stemmen. Als die Fähre dann die Elbe nicht mehr queren sollten, protestierten die Anwohnerinnen und Anwohner, die ohne die Fähre lange Umwege in Kauf nehmen mussten.
Nicht alles prallt an mir ab. Aber ich stelle mich den Herausforderungen und habe keine Angst vor schweren Entscheidungen.
"Ich habe die Mehrheit im Gemeinderat damals nur bekommen, weil ich versprochen habe, dass die Stilllegung nur für eine kurze Zeit ist", erinnert sich Nicole Golz. Tatsächlich wurde ein neues Finanzierungsmodell gefunden, das auch die Kommune Tangerhütte auf der anderen Elbseite und die beiden Landkreise an den Kosten beteiligt.
Nicht lange nachgedacht
Dass Nicole Golz Bürgermeisterin wurde, war nicht geplant. Nach einer kaufmännischen Ausbildung und einem Jurastudium arbeitete sie eine Zeit lang in Niedersachsen, bevor sie in ihre Heimat im Jerichower Land zurückkehrte. "Ich habe mich viel ehrenamtlich engagiert und wurde 2014 gefragt, ob ich nicht für den Gemeinderat kandidieren will", blickt sie zurück. Gesagt, gewählt.
So viele Bürgermeisterinnen gibt es in Sachsen-Anhalt In Sachsen-Anhalt gibt es 36 Bürgermeisterinnen, davon 20 hauptamtliche und 16 ehrenamtliche. Weitere 200 Kommunen werden von 102 hauptamtlichen und 98 ehrenamtlichen männlichen Stadtoberhäuptern geleitet. Das teilte das Innenministerium MDR SACHSEN-ANHALT mit.
Als Rechtsanwältin konnte sie im Ort viel Hilfestellung geben. Als 2015 die nächste Bürgermeisterwahl anstand, waren es wieder andere, die die Parteilose drängten, ihren Hut in den Ring zu werfen. "Sie sagten: Wir müssen was tun! Für Elbe-Parey! Du muss was tun!" Aus dem Stand holte sie 65 Prozent und ist seit Ende 2015 Bürgermeisterin von Elbe-Parey, inzwischen auch wiedergewählt. Als sie damals den Chefinnensessel im Rathaus bezog, war sie die einzige Bürgermeisterin im Jerichower Land. Heute hat sie zwei weitere Kolleginnen.
Familiäres Hinterland
Dass sie die Arbeit mit ganzem Einsatz leisten kann, hat sie auch der Unterstützung durch die Familie zu verdanken. "Ich habe einen netten Mann, der mir viel abnimmt, aber auch zwei Omas und einen Opa in der Region", weiß die Mutter einer dreijährigen Tochter. "Ich bin natürlich viel auch abends unterwegs, aber es ist mir auch wichtig, dass ich Zeit mit meiner Tochter verbringe."
Die Zeit plant sie ein, geht auch mal am Tag für zwei Stunden nach Hause, um mit der Tochter zu spielen, bevor sie sich am Abend dann wieder verabschieden muss. Nicole Golz ist es wichtig, überall präsent zu sein und Netzwerke zu knüpfen. "Das war mir früher gar nicht so bewusst", gesteht sie.
Erstes Netzwerktreffen der Bürgermeisterinnen
Weil Netzwerke so wichtig sind, lud sie gemeinsam mit ihrer Amtskollegin Steffi Trittel aus der Hohen Börde alle haupt- und ehrenamtlichen Bürgermeisterinnen Sachsen-Anhalts nach Zerben ein. Über 20 folgten der Einladung, vor allem Ortsvorsteherinnen, die hauptamtlich Gemeinden leiten.
Gemeinsam haben sie einen Aufruf verabschiedet: Damit wollen sie mehr Frauen für die Kommunalpolitik begeistern. Damit die Kommunalpolitik weiblicher wird. Dort sind Männer nach wie vor viel stärker vertreten. Nur jeder siebte Bürgermeisterposten wird von einer Frau bekleidet. Im nächsten Jahr wird in Sachsen-Anhalts Kommunen gewählt. Dann soll sich das ändern.
MDR (Annette Schneider-Solis, Moritz Arand)
Dieses Thema im Programm: SACHSEN-ANHALT HEUTE | 27. September 2023 | 19:00 Uhr
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