Ein älterer Mann steht auf einem Feld und blickt in die Ferne. Vor ihm steht ein kleiner Hund.
Jäger und pensionierter Landwirt Klaus Czychon übt den Job als Wildschädenschätzer als Ehrenamt aus. Bildrechte: MDR/Nadine Hampel

Schäden durch Wildtiere Wenn Landwirte und Jäger sich streiten, hilft nur der Wildschadenschätzer

von Nadine Hampel, MDR SACHSEN-ANHALT

14. November 2023, 18:59 Uhr

Wildtiere sind im Herbst besonders aktiv. Immer wieder sorgen sie vor allem auf Futtersuche für Schäden in Gärten, auf Wiesen und Feldern. Wer für die Schäden aufkommt, darüber wird immer wieder gestritten. Wildschadenschätzer Klaus Czychon ist dafür da, diese Streitigkeiten zu schlichten.

  • Wildtiere suchen im Herbst nach Futter, um den anstehenden Winter zu überstehen. Dabei pflügen sie manchmal durch Gärten, Felder und Wiesen und richten Schaden an.
  • Klaus Czychon ist ehrenamtlicher Wildschadenschätzer. Er ist zur Stelle, wenn es Streitigkeiten über die Haftung oder die Schadenshöhe gibt.
  • Viele Kommunen sind derzeit auf der Suche nach Wildschadenschätzern. Denn: Jede Jagdbehörde ist verpflichtet in ihrem Gebiet einen zu stellen.

Viele Wildtiere sind im Herbst aktiv. Es heißt, sich für den Winter zu wappnen. Nur allzu gern zerpflügt das Wild dabei Gärten, Felder und Wiesen, zumeist auf der Suche nach Essbarem. Doch wer zahlt eigentlich den Schaden, wenn eine Horde Wildschweine oder eine Rehfamilie die Setzlinge wegfrisst oder das Maisfeld umpflügt? Eigentlich der Revierjäger. Doch so einfach ist es vielfach nicht, oft kommt es zu Streitigkeiten.

Die zu schlichten ist die Aufgabe vom ehrenamtlichen Wildschadenschätzer Klaus Czychon. Er greift ein, wenn es im Landkreis Harz in Sachen Wildschäden keine Einigung zwischen dem Geschädigten und dem Jäger oder der Jagdgenossenschaft gibt.

Die Vorstellungen der Parteien gehen auseinander

"Wenn ich eingreife, sprechen die Leute meistens schon nicht mal mehr miteinander", sagt Klaus Czychon. Hat ein Landwirt oder eine Privatperson einen Schaden durch Wild angezeigt – wenn zum Beispiel Wildschweine in der Ernte getobt haben – müsste der von der Gemeinde eingesetzte Jäger Schadenersatz zahlen. Denn er ist der Einzige, der mit der Waffe eingreifen kann, erklärt Czychon. Damit ist es seine Aufgabe, die Tiere von Feld und Ernte wegzuhalten. Die Landwirte haben dabei keine Pflicht, ihr Land mit Windschutzzäunen oder Ähnlichem zu schützen.

"Lust hat der Jäger da natürlich nicht drauf, das zu zahlen, weshalb die Vorstellungen der Schadenersatzsumme oft sehr unterschiedlich aussieht", sagt er schmunzelnd.

Ein Stück Wild zur Schlichtung

Er selbst kennt alle Seiten der oft schwierigen Verhandlungen. Als er noch Landwirt war, hat auch er schon mal einen Wildschaden angezeigt. In seiner Rolle als Jäger war er auch schon der, der für einen Schaden gerade stehen musste.

Das Ehrenamt des Wildschadenschätzers im Harz hat er jetzt schon seit drei Perioden inne. Berufen wird man immer für drei Jahre. "Dieses Jahr musste ich noch nicht eingreifen, da wurde sich immer vorher geeinigt", erzählt er. "Ab und an klärt man das, indem der Landwirt ein schönes Stück Wild erhält, dass er dann mit seinen Liebsten essen kann."

Dieses Jahr musste ich noch nicht eingreifen, da wurde sich immer vorher geeinigt. Ab und an klärt man das, indem der Landwirt ein schönes Stück Wild erhält, dass er dann mit seinen Liebsten essen kann.

Klaus Czychon, Wildschadenschätzer

Bei fehlenden Angaben hilft nur: selbst dreschen

Es gibt aber durchaus auch schwierigere Fälle, erzählt Czychon vorab in seinem Büro. Dort hängen Geweihe und Bilder von der Jagd. Er selbst ist Jäger, sein Gebiet liegt fast direkt hinter seinem Haus. Sind die Parteien zerstritten, werden kleine Schäden manchmal aufgebauscht, das macht die Einigung noch schwieriger. "Manchmal kommt die Soße teurer als der Braten – da ist mein Eingreifen teurer als die Schadenssumme selbst", erklärt er. "Ich sage den Parteien das dann vorher und frage, ob sie trotzdem möchten, dass ich mit der Schätzung beginne.“

Aber wie schätzt man einen Wildschaden? "Ich schaue mir den Schaden an und die Größe der geschädigten Fläche", sagt Czychon. Auf dieser Basis errechnet er den möglichen Schaden. "Es gibt auch Tabellen, aber die hab ich nie benutzt, die sind mir zu pauschal."

zwei Sauen mit Jungtieren beim Durchqueren eines abgeernteten Rapsfeldes im Somme
Wildschweine fressen immer wieder Setzlinge oder zerpflügen Maisfelder. Bildrechte: IMAGO/imagebroker

Je nach Ertragserwartung des Landwirts ergibt sich der tatsächliche Schaden. Kann der Landwirt keine Angaben machen oder sind diese unrealistisch, hat Czychon auch schon mal ein bisschen aus dem Feld rausgeschnitten und diese zu Hause mit einer kleinen Maschine selbst gedroschen, um die Ernteerwartung zu berechnen. Sein größter Fall war ein Schaden über mehrere Hundert Hektar, bei dem die Schadenssumme am Ende bei rund 5.000 Euro lag.

In der eigenen Gemeinde schätzen geht nicht

Klaus Czychon lebt in Hessen bei Osterwieck. Dort ist auch sein Jagdrevier. Wildschadenschätzer ist er aber im Landkreis Harz. Denn schätzen in der eigenen Gemeinde – das geht nicht. "Da entsteht zu schnell der Eindruck, man könnte befangen sein", erklärt er.

Viele Landkreise und Kommunen sind derzeit auf der Suche nach neuen Wildschadenschätzern im Ehrenamt. Jede Jagdbehörde ist verpflichtet, für die eigenen Gebiete einen zu stellen. Der Landesjagdverband bietet Lehrgänge zum Wildschadenschätzer an. Zuletzt suchte beispielsweise die Stadt Magdeburg zwei neue Schätzer.

MDR (Nadine Hampel, Sebastian Gall)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 14. November 2023 | 17:30 Uhr

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