Oberharz Wie Wildtierfraß den Wald der Zukunft gefährdet
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27. Juni 2023, 16:52 Uhr
Borkenkäfer, Trockenheit und verheerende Brände haben dem Wald im Harz in den vergangenen Jahren extrem zugesetzt. Nun soll aufgeforstet werden und ein Wald der Zukunft entstehen. Die vielen Wildtiere im Harz gefährden diesen Plan – und sorgen deshalb für Diskussionen.
- Die große Zahl an Rotwild gefährdet die Aufforstung des Oberharzes.
- Der Forstbetriebsleiter fordert Bewegungsjagden. Der Landesjagdverband hält davon nichts.
- Der Naturschutzbund BUND sieht keine Gefährdung der Wildbestände.
Im Oberharz soll in den kommenden Jahren der Wald der Zukunft entstehen – mit dürreresistenten Baumarten, die dem Klimawandel standhalten. In die Aufforstung der vielen kahlen Flächen mithilfe solcher Bäume steckt Eberhard Reckleben große Hoffnung. Er ist Forstbetriebsleiter im Oberharz.
Wo noch vor ein paar Jahren dichte Fichtenwälder standen, sind heute – im Zuge von Dürreperioden und der Ausbreitung des Borkenkäfers – 12.000 Hektar der Fläche kahl. Die Neubewaldung ist hier dringend erforderlich.
Rotwild gefährdet Aufforstung
Doch zu viel Wild im Wald könnte dieses Projekt laut Reckleben in den nächsten Jahren gefährden. Das Rotwild frisst die jungen Pflanzen, erklärt er. Rehböcke würden den Bast ihrer Gehörne an der Rinde abreiben und die Bäume damit nachhaltig schädigen. Zäune und Plastikumhüllung zum Schutz vor Wildtierschäden sind für Reckleben nur in Einzelfällen eine Option.
Stattdessen fordert der Forstbetriebsleiter eine intensivere Bejagung mittels Bewegungsjagden. Reckleben sagt: "Bei der Einzeljagd von Rotwild kommt eine erhebliche Unruhe in den Wald, weil hundert Jäger jeden Abend irgendwo sitzen und nichts schießen. Dagegen wird bei diesen Stöberjagden, also Jagden mit langsam jagenden Hunden, das Wild in Bewegung gehalten." Dabei werde das Wild häufiger sichtbar und mit einem stärkeren Eingriff könne man "mehr Strecke machen", so Reckleben. "Dadurch hat das Wild insgesamt mehr Ruhe."
Jagdverband lehnt Bewegungsjagd ab
Für den Landesjagdverband sind die geforderten Bewegungsjagden hingegen keine Option. Zu groß sei der Stress für die Tiere im Wald. Zu heftig der Eingriff in die Population, sagt Wolf Last, Geschäftsführer des Landesjagdverbandes: "Diese Bewegungsjagden sind problematisch. Untersuchungen in anderen Bundesländern haben gezeigt, dass wir bei unserem Rotwild aufpassen müssen, weil es hier bereits zu genetischen Verarmungen in einigen Populationen kommt. Das ist nicht pauschal auf Sachsen-Anhalt anwendbar, aber es ist ein Hinweis."
Naturverjüngung als Königsweg
Eine mögliche Gefährdung der Rot- und Rehwildbestände hält der Naturschutzbund BUND für ausgeschlossen. Viele Naturschutzorganisationen seien sich einig, dass Wildtiere zumindest in einigen Gebieten effektiver bejagt werden müssen.
Ralf Meyer, Landesvorsitzender des BUND in Sachsen-Anhalt, sagt: "Wir müssen von diesen hohen Dichten, die es beim Schalenwild gibt, dringend runter. Sonst werden wir, auch unter den Folgen des Klimawandels, einen gesunden Wald – egal ob angesät, angepflanzt oder durch Naturverjüngung niemals erreichen."
Die Naturverjüngung wäre aus Sicht Meyers der Königsweg. Das sieht auch Forstbetriebsleiter Eberhard Reckleben so. Für ihn soll der Wald eine bunte Mischung resistenter und heimischer Baumarten sein, die den Anforderungen des Klimawandels gewachsen sind. Denn der ist noch immer größte Gefahr für den Wald.
Reckleben: "Müssen hoffen, dass es nicht noch wärmer wird"
"Der Unterschied zu den reinen Fichtenwäldern ist: Wenn eine Baumart ausfällt, bleibt das Waldklima bestehen. Wir haben also noch Schatten und Halbschatten, in dem sich eine Verjüngung etablieren kann", sagt Reckleben. Solche Bestände brauche man häufiger. In der Hoffnung, dass es nicht noch wärmer werde. "Ansonsten hätten die auch keine Chance mehr", betont der Forstbetriebsleiter.
Vor dem Hintergrund des Klimawandels scheinen sich alle Parteien einig zu sein, dass etwas passieren muss. Das Umweltministerium arbeitet derzeit an einem Konzept, um klare Regelungen für die Neu-Bewaldung und das Wildtiermanagement festzulegen. Damit in 30,40 Jahren auf den kahlen Flächen im Oberharz ein Wald der Zukunft wächst.
MDR (Tobias Standar, Oliver Leiste)
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE | 26. Juni 2023 | 19:00 Uhr
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