Kurioser Sportplatz Timmenrode hat Sachsen-Anhalts wohl schiefsten Fußballplatz

08. November 2022, 18:21 Uhr

Zwei Tage war MDR SACHSEN-ANHALT in Timmenrode, um herauszufinden, was die Menschen in dem Harz-Dorf beschäftigt. Entstanden ist eine vierteilige Serie. Im dritten Teil geht es um den Fußballplatz im Ort, der wohl der schiefste in ganz Sachsen-Anhalt ist. Beim SV 56 Timmenrode sind sie stolz auf ihr Markenzeichen – und sorgen sich, ob auf dem Platz auch in Zukunft noch Spiele stattfinden können.

Lucas Riemer
Bildrechte: MDR/Tilo Weiskopf

Bei gutem Wetter ist der Parkplatz neben dem Timmenröder Sportplatz stets gut gefüllt. Aus ganz Deutschland kommen dann Touristen, um vom Rande des Fußballplatzes bis zum Hamburger Wappen zu wandern. Das markante Felsgebilde, das zur Teufelsmauer gehört, ist der wohl größte Touristenmagnet Timmenrodes. Eine andere, buchstäblich schräge Sehenswürdigkeit im Ort nehmen dagegen nur wenige Ausflügler wahr, obwohl viele von ihnen ihr Auto direkt davor parken: den Fußballplatz des SV 56 Timmenrode.

Warum MDR SACHSEN-ANHALT in Timmenrode war

Einmal im Jahr lädt der MDR bei der "Programmmachen-Aktion" interessierte Menschen ein, für einen Tag in einer Redaktion mitzuarbeiten. Im Rahmen dieser Aktion war der Timmenröder Ortschronist Lothar Wiegmann im September zu Gast in der Online-Redaktion von MDR SACHSEN-ANHALT. Dort berichtete er, was die Menschen in Timmenrode derzeit bewegt. Diesen Themen ist MDR SACHSEN-ANHALT vor Ort nachgegangen.

Nie haben auf dem rund 45 mal 90 Meter großen Grün Spiele von überregionaler Bedeutung stattgefunden, kein späterer Nationalspieler hat hier zum ersten Mal einen Ball im Tor versenkt. Und auch die Timmenröder Fans sind nicht über die Dorfgrenzen hinaus für spektakuläre Choreografien oder kreative Gesänge bekannt.

Herausforderung für die Spieler

Trotzdem behält jeder, der mindestens einmal auf diesem Platz gespielt hat, ihn in Erinnerung. Das sagt jedenfalls Andreas Rudolf, der stellvertretende Vereinsvorsitzende des SV 56 Timmenrode. Den Grund dafür erkennt schon mit bloßem Auge, wer sich nur an den Spielfeldrand stellt: Die Rasenfläche ist so schief, dass man als Betrachter automatisch das Gefühl hat, den Kopf ein wenig zu neigen. Mehr als drei Meter Höhenunterschied liegen zwischen der höchsten und der niedrigsten Stelle und machen den Fußballplatz zum wohl schiefsten in ganz Sachsen-Anhalt.

Seitdem die Fußballabteilung des SV 56 im Sommer 1956 gegründet wurde, haben Generationen von Spielerinnen und Spielern unterhalb des Hamburger Wappens gegen den Ball getreten. Manch einer, dessen Fußballkarriere auf dem schiefen Rasen begann, schaffte es später immerhin bis in die DDR-Liga, zu DDR-Zeiten die zweithöchste Spielklasse. Bald schon waren die Auswärtsfahrten nach Timmenrode bei den Mannschaften der Region allerdings nicht nur wegen der mehr oder weniger talentierten Timmenröder Spieler gefürchtet, sondern vor allem, weil mindestens eine Halbzeit bergauf gespielt werden musste.

Auch der stellvertretende Vereinschef Andreas Rudolf bestritt in den 1990er Jahren unzählige Spiele auf dem Platz. "Mit dem Bergaufspielen kommt man klar, wenn man sich daran gewöhnt hat", erinnert er sich. "Aber der Ball kommt schon mal ins Stocken, wenn er bergauf gepasst wird. Das ist natürlich ungewöhnlich."

Lesen Sie hier die ersten beiden Teile der Reihe aus Timmenrode:

Stolz auf das Markenzeichen

Dass der Platz so ein starkes Gefälle hat, liegt am Untergrund. Dicht unter der Oberfläche der westlichen Seite liegen große Sandsteinfelsen vom Teufelsmauermassiv. Mehrmals hatte man in der Vergangenheit darüber nachgedacht, die Rasenfläche zu begradigen, doch aufgrund der hohen Kosten stets wieder Abstand von der Idee genommen.

Blick auf einen Fußballplatz
Der Blick vom höchsten Punkt des Fußballfeldes. Bildrechte: MDR/Lucas Riemer

Heute sind sie beim SV 56 Timmenrode stolz auf ihren schiefen Platz. "Das ist unser Markenzeichen", sagt Andreas Rudolf. Beschwerden vom Fußballlandesverband wegen möglicherweise irregulärer Platzverhältnisse habe es noch nie gegeben, sagt Rudolf. Tatsächlich wird der Rasen bis heute beinahe täglich für Training oder Punktspiele genutzt.

Zwei Jugendmannschaften hat der SV 56 Timmenrode, außerdem eine Herrenmannschaft. Die tritt seit dieser Saison als Spielgemeinschaft mit dem VfB 67 Blankenburg an, bestreitet deshalb nur noch jedes zweite Heimspiel in Timmenrode – und hat offenbar Anpassungsprobleme an das dortige, hügelige Terrain: Den einzigen Heimsieg der Saison holte sie auf dem topfebenen Rasen in Blankenburg.

Obwohl sie schon fast 70 Jahre auf dem Platz spielen, ermittelten die Timmenröder Fußballer vor ein paar Wochen zum ersten Mal, wie schief ihr Markenzeichen tatsächlich ist. Gemeinsam mit den beiden Ortschronisten und einem Vermessungsspezialisten maßen sie den Platz dafür zentimetergenau aus.

Bunte Fahnen auf einem Rasenplatz
So sah es aus, als die Timmenröder ihren Fußballplatz vermessen haben. Bildrechte: Lothar Wiegmann

Das Ergebnis: Blickt man von der an der Straße gelegenen Seite auf den Rasen, sind es von der Ecke hinten links bis zur Ecke vorne rechts, also über die gesamte Diagonale, 3,77 Meter Höhenunterschied. Von der Ecke hinten links zur Ecke vorne links sind es auf nur 45 Meter Länge 2,05 Meter Gefälle.

In Chemnitz gibt es einen noch schieferen Platz

Der Titel des schiefsten Fußballplatzes in Deutschland, der vielleicht ein paar zusätzliche Zuschauer und Touristen anlocken könnte, bleibt ihnen damit verwehrt. Denn nach Angaben des Deutschen Fußball-Bundes gibt es in Chemnitz einen Platz mit einem maximalen Höhenunterschied von 6,70 Meter.

Doch beim SV 56 haben sie ohnehin andere Sorgen. Durch die Corona-Pandemie hat der Verein rund ein Fünftel seiner Mitglieder verloren. Nun hoffen Andreas Rudolf und seine Vereinskameraden, dass sich die Situation entspannt und wieder mehr Kinder und Jugendliche aus dem Dorf selbst gegen den Ball treten wollen – damit auch in Zukunft noch Spiele auf dem schiefen Platz von Timmenrode stattfinden können.

Erfahren Sie am Mittwoch im vierten Teil der Serie, wie der Timmenröder Ortschronist Lothar Wiegmann die Geschichten und Geschichte des Dorfes für die Nachwelt erhalten will.

Lucas Riemer
Bildrechte: MDR/Tilo Weiskopf

Über den Autor Lucas Riemer arbeitet seit Juni 2021 bei MDR SACHSEN-ANHALT. Der gebürtige Wittenberger hat Medien- und Kommunikationswissenschaft in Ilmenau sowie Journalismus in Mainz studiert und anschließend mehrere Jahre als Redakteur in Hamburg gearbeitet, unter anderem für das Magazin GEOlino.

Bei MDR SACHSEN-ANHALT berichtet er vor allem über gesellschaftliche und politische Themen aus den Regionen des Landes.

MDR (Lucas Riemer)

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