Friedhof Warum man auf dem Friedhof in Gernrode seine eigene Gruft pachten kann
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10. April 2025, 10:05 Uhr
Heute schon an den Tod denken? Zugegeben: Das ist nicht jedermanns Sache. Wer sich aber nach dem eigenen Ableben ein vernünftiges Dach über dem Kopf wünscht, findet vielleicht in Gernrode etwas ganz Besonderes. Auf dem dortigen Friedhof warten gleich drei kleine Mausoleen auf neue "Bewohner" – und wecken bereits Interesse.
In einem leichten Bogen bilden die Grüfte ein Dreierensemble am höchsten Punkt des Friedhofs. Auf Augenhöhe stehen sie Spalier in direkter Sichtachse zu den Türmen der berühmten Stiftskirche St. Cyriakus von Gernrode. Verwunschen und mystisch stehen sie da – als stumme Zeugen vergangener Zeiten.
Gruft gehörte Familie von Chemnitz
Starkes Wurzelgeflecht unzähliger Efeuranken ist ihrer habhaft geworden, es hat sich inzwischen tief ins Mauerwerk aus Sandstein gebohrt. Die mittlere Gruft gehörte einst der Familie von Chemnitz, erzählt Ortschronistin Sabine Schönbeck, als sie die wuchtige Holztür mit einem gespenstisch-schnarrenden Geräusch öffnet.
Das einfallende Licht der zarten Frühlingssonne bringt an den Wänden etwas schemenhaft Bibelsprüche in altdeutscher Schrift zum Vorschein – und ein Untergeschoss. "Einst führte eine kleine Wendeltreppe hinab in den Keller, wo bis zu fünf Särge aufgebahrt standen."
Und die Ortschronistin malt das anschauliche Bild weiter, denn Herr von Chemnitz soll "angeblich mit Anzug, Gehstock und Zylinder in einem Sarg mit Glasscheibe gelegen haben, sodass man ihn ähnlich wie Schneewittchen besichtigen konnte".
Bereits Interesse bekundet
"Durchs Kreuz zum Frieden" steht über dem Eingang der linken Gruft, in der sich Spinnweben im Winde wiegen. Die ist etwas kleiner als die mittlere – hat aber schon Interesse geweckt.
Ob es die beiden Herren aus dem Südharz dem Herrn von Chemnitz gleichmachen möchten und mit einem Sarg mit durchsichtigen Fenstern liebäugeln, ist nicht bekannt. Aber sie zeigten zumindest ernstzunehmendes Interesse mit nachvollziehbaren Argumenten, heißt es aus der Friedhofsverwaltung der Welterbestadt Quedlinburg.
Pacht für zunächst 40 Jahre
Hannelore Lorenz ist hier für die "Liegenschaft" in Gernrode zuständig und weiß, dass einer der beiden Herren "auf keinen Fall begraben oder verbrannt werden möchte". Deshalb käme für ihn eine oberirdische Bestattung – eben in einer solchen Gruft wie in Gernrode infrage. "Seine Motive sind sehr glaubhaft", gibt Hannelore Lorenz zu verstehen. Und aus diesem Grund "sind wir weiter in Verbindung, um eine Verpachtung voranzutreiben".
Das Pachtmodell ist zunächst auf 40 Jahre angelegt und schlägt mit einmalig 4.700 Euro zu Buche. Die Kosten für die Sanierung einer Gruft kämen aber auch auf die neuen "Bewohner" zu, die im Verhältnis zur Pacht deutlich höher ausfallen dürften. "Da braucht man schon einen kleinen Lottogewinn", meint die Friedhofsverwalterin mit einem Lächeln.
Viel Geld nötig
"Kaputte Scheiben, stark verwitterte Türen und Fenster, Fußboden und Dach instand setzen – da käme einiges zusammen. Und wer weiß, was uns hinter dem Efeubewuchs noch erwartet und zutage tritt", stellt Lorenz eine für sie berechtigte Frage in den Raum.
"Nein, nicht wegen des Geldes", für sie selbst komme grundsätzlich keine Gruft als letzte Ruhestätte in Betracht. Vielmehr liegt Hannelore Lorenz an der Friedhofskultur, die aus ihrer Sicht nicht zu Grabe getragen werden dürfe. Sie möchte die Menschen wieder mehr für den traditionellen Friedhof begeistern.
Denkmalfähigkeit wird geprüft
Und da sieht sie eine Chance in eben solch historischen Elementen wie den Grüften am idyllischen Nordhang des Gernröder Friedhofes. "Abriss ist für mich keine Option – wohl auch nicht für die Denkmalschutzbehörden", sagt Hannelore Lorenz. Die prüften gerade die Denkmalfähigkeit dieser Grüfte, die sie bereits zu 80 Prozent signalisiert hätten.
Wer zu Lebzeiten und auch danach einen traumhaften Blick auf die berühmte Stiftskirche St. Cyriakus haben möchte: Interessenten für eines der drei kleinen Mausoleen müssten nicht zwangsläufig aus Gernrode am Nordrand des Harzes kommen. Die bislang noch gespenstisch-schnarrenden wuchtigen Holztüren der Grüfte stehen allen offen.
MDR (Swen Wudtke, Felix Fahnert), zuerst veröffentlicht am 09.04.2025
Dieses Thema im Programm: MDR MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 08. April 2025 | 13:45 Uhr
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