Alexander Kluge Ausstellung im Gleimhaus: Was Aufklärung heute leisten kann
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15. Februar 2024, 15:09 Uhr
Im Gleimhaus Halberstadt ist die von Alexander Kluge konzipierte Ausstellung "Enlightenment (= Aufklärung)" eröffnet worden – passenderweise am 92. Geburtstag des Autors, Filmemachers und Philosophen. Über mehrere Stationen untersucht Kluge in der Ausstellung das Phänomen der Aufklärung als eine bis in die Gegenwart reichende Denk- und Handlungsaufforderung.
- Alexander Kluge wurde in Halberstadt geboren und ist Autor, Filmemacher und Philosoph.
- In einer neuen Ausstellung von ihm im Halberstädter Gleimhaus beleuchtet er die verschiedenen Facetten der Aufklärung.
- Darüber hinaus steckt er die Aufgaben der Aufklärung heute ab.
Wann genau die Aufklärung als historische Etappe begonnen hat, ist auf Tag und Datum nicht einzugrenzen. Ihre große Zeit hatte sie jedenfalls im 18. Jahrhundert, mit den Texten und Denkgebäuden eines Voltaire, Diderot, Kant oder Lessing. Und auch der seinerzeit in Halberstadt ansässige Sammler und Dichter Johann Wilhelm Ludwig Gleim (1719-1803) gehört in diese Galerie. Das von ihm bewohnte Haus am Dom in Halberstadt gehört heute zu den eindrucksvollsten Museumsstätten zur deutschen Aufklärung.
Alexander Kluge: Ein Aufklärer aus Halberstadt
Gut 130 Jahre später wurde in Halberstadt ein Denker und Künstler geboren, der die Ideen der Aufklärung mit den Ideen des 20. bzw. 21. Jahrhunderts und ihrer künstlerischen Möglichkeiten zusammenführt und weiterentwickelt – in Literatur und Film, in philosophischen Gesprächen und bildlicher Darstellung: Alexander Kluge.
Alexander Kluge, Büchner-Preisträger und einer der wichtigsten Vertreter des neuen deutschen Films, ist Verfasser zahlreicher Bücher und hat mit seinen Kultur-TV-Formaten die deutsche Fernsehlandschaft geprägt und bereichert.
Ausstellung soll Aufklärung vorantreiben
Am 14. Februar 2024 hat Alexander Kluge seinen 92. Geburtstag gefeiert – in seiner Geburtsstadt Halberstadt. Gemeinsam mit der Direktorin des Gleimhauses, Ute Pott, hat Kluge hier eine Ausstellung mit dem Titel "Enlightenment (= Aufklärung)" entworfen. Bilder und Filme, Texte und Hörtexte bilden nicht etwa eine geradlinige Entwicklung ab, sondern schauen immer wieder auf einzelne Momente gesellschaftlicher Entwicklung.
Was die Philosophen des achtzehnten Jahrhunderts noch nicht wissen konnten: Aufklärung birgt auch eine gewisse Zerstörungskraft in sich. Spätestens seit der Emanzipation des bürgerlichen Individuums, das sich seiner Vernunft bedient, macht der Mensch sich die Natur zunutze. Er zähmt, überlistet, gestaltet die Natur.
Zugleich läuft er Gefahr, in seinem Herrschaftsanspruch sich selbst und seine Umwelt zu zerstören, z.B. durch technische Entwicklungen, Kriegsgerät etwa, oder im 21. Jahrhundert durch Algorithmen. Diesen zerstörerischen Aspekt hat schon Adorno in seiner Dialektik der Aufklärung benannt. An diesem Doppelcharakter setzt Kluge an. Er appelliert an die Fähigkeit des Menschen, dank der Gefühle und mit Hilfe des Schönheitsempfindens Aufklärung im positiven Sinne voranzutreiben.
Konjunktiv nennt man das, also die Möglichkeit neben der Wirklichkeit. Die menschliche, subjektive Seite, die Gefühle sind genauso wirklich wie die sogenannten Fakten.
Wenn etwa, nach dem Erdbeben in Lissabon 1755, über ein erdbebensicheres Bauen nachgedacht wird, so ist das Aufklärung und Naturverständnis im besten, weil menschenfreundlichen Sinn. Marschierende Militärtruppen werden eingesetzt, um die Wirkung der Erschütterungen auf die umstehenden Häuser zu testen. An anderer Stelle oder in anderer Epoche aber werden diese Militärs in den Krieg geschickt, werden sie eingesetzt zum Erobern und Töten.
Im 19. Jahrhundert werden in Großbritannien elegante Hunde gezüchtet, wird eine neue Form von natürlicher Schönheit geformt – unter anderen Bedingungen aber werden diese Hunde als Minenhunde in den Krieg geschickt oder als Versuchsobjekte in den Weltraum geschossen. So also funktioniert Aufklärung: mal als grausame Herrschaftsgeste, mal als Begegnung von Kultur und Natur.
Was Aufklärung heute bedeutet
Alexander Kluge, bei seiner faszinierenden Rede zur Eröffnung der Ausstellung, verwies auf diesen Doppelcharakter – und steckte damit die Aufgaben heutiger, immer wieder neu zu denkender Aufklärung ab. Er selbst, der 92-Jährige, ist jeden Tag mit diesen Fragen beschäftigt und sucht nach künstlerischen Wegen, diese Aufgabe anzunehmen.
Gleimhaus und Gleim-Nachfahre Alexander Kluge werden ihre Zusammenarbeit fortsetzen und den Gleim-Ort Halberstadt auch zu einem Kluge-Ort Halberstadt machen. Es ist ein guter Plan für die Zukunft. In der Gegenwart lockt zunächst einmal eine großartige Ausstellung, die mit einer bis auf den letzten Platz gefüllten Eröffnung furios gestartet ist.
Informationen zur Ausstellung
Ausstellung: Alexander Kluge - Enlightenment (=Aufklärung). Eine Ausstellung für meine Heimatstadt
Vom 15. Februar 2024 bis zum 20. Mai 2024
Gleimhaus. Museum der deutschen Aufklärung
Domplatz 31
38820 Halberstadt
Öffnungszeiten:
Dienstag bis Sonntag und Feiertag:
10 bis 16 Uhr (November bis April)
10 bis 17 Uhr (Mai bis Oktober)
Eintritt: 7 Euro, ermäßigt 5 Euro
Quelle: MDR KULTUR (Jörg Schieke)
Redaktionelle Bearbeitung: hro
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 15. Februar 2024 | 08:40 Uhr