Kommentar Das Chaos im Keller der Polizei aufräumen

06. Juni 2024, 15:23 Uhr

Der Umgang mit und die Lagerung von Waffen sowie deren Munition bei der Polizei in Sachsen-Anhalt ist schlampig. Das findet MDR-Mitarbeiter Lars Frohmüller. Es handele sich dabei allerdings um ein strukturelles Problem. Die Beamten und Reviere brauchen klare und einheitliche Regeln aus dem Innenministerium – und eine lückenlose Aufarbeitung der Vorfälle. Ein Kommentar.

MDR San Mitarbeiter Lars Frohmüller
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Wenn Sachsen-Anhalts Polizei ein einfacher Jäger oder Sportschütze wäre, wäre die WBK – die sogenannte Waffenbesitzkarte – mit Sicherheit in Gefahr. Sportschützen müssen ihre Zuverlässigkeit nachweisen. Wird festgestellt, dass diese Zuverlässigkeit nicht mehr gegeben ist, erlischt die Voraussetzung für eine Waffenbesitzkarte. Unter anderem werden hierbei auch der sachgemäße Umgang und die Lagerung der Waffen sowie deren Munition überprüft.

Sachsen-Anhalts Polizei geht jedoch schlampig mit beidem um. Das Landeskriminalamt hortet über Jahre fast 70.000 Schuss nutzlose Fundmunition aus Beschlagnahmungen und vernichtet sie, kurz bevor der Landesrechnungshof zur Prüfung einrückt. Gleiches passiert mit mehr als 100 Waffen aus der sogenannten Vergleichswaffensammlung – vernichtet, bevor es wieder Ärger mit den Prüfern gibt.

Doch was ist mit Waffen, die komplett verschwinden? Bleibt man im Bild des Sportschützen, dann drohte hier ein Ermittlungsverfahren durch die Staatsanwaltschaft. Waffen sind kein Spielzeug, deswegen gehören sie sicher aufbewahrt. Eigentlich müsste man denken, gerade die Polizei müsste dies wissen.

Polizei sägt an eigener Glaubwürdigkeit

Was sind die Konsequenzen aus dieser Schlamperei? Die Polizei und ihre Asservatenverwaltung machen sich angreifbar. Findige Rechtsanwälte werden, wenn sie schlau sind, zukünftig bei jedem Verfahren die Asservatenverwaltung der Polizei in Frage stellen. "Diese Waffe wollen Sie bei meinem Mandanten gefunden haben? Vielleicht lag sie nur im Lager in der falschen Kiste!" Und was passiert, wenn die verlorenen Waffen plötzlich in Verfahren auftauchen?

Beschlagnahmte Langwaffen auf einem Tisch
Unmittelbar vor einer Prüfung durch den Landesrechnungshof waren im Mai beim LKA unter anderem etwa 70.000 Stück Munition vernichtet worden. Dieses Vorgehen sei in keiner Weise zu beanstanden, sagt Ministerin Zieschang im Innenausschuss. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Vielleicht, weil sie wirklich falsch abgelegt wurden, oder auch, weil sie irgendwie den Weg aus der Polizeifachhochschule in den illegalen Markt gefunden haben? Und wer stellt bei den riesigen Mengen an Munition, die das Landeskriminalamt vernichtet hat, sicher, dass es nicht auch hier Verluste gab, die eben nicht protokolliert wurden? Mindestens ein Beamter wurde in der Vergangenheit im Kontext der letzten Erkenntnisse wegen Munitions-Diebstahls aus dem Dienst entfernt.

Nicht die Schuld der Beamten vor Ort

Natürlich wäre es einfach, die Schuld bei den einfachen Beamten zu suchen, die in den Asservatenkammern und den dazugehörigen Revieren ihren Dienst verrichten. Zur Wahrheit gehört aber: Es handelt sich um ein strukturelles Problem.

Die Beamten und die Reviere brauchen einheitliche Regeln, wie mit Asservaten und insbesondere mit Waffen und Fundmunition umgegangen wird. Hier darf nicht jedes Revier oder jede Polizeiinspektion selbst entscheiden, was sie für richtig oder falsch halten. Hier braucht es klare Richtlinien aus der Behörde, die dafür die Richtlinienkompetenz hat – dem Innenministerium.

Lückenlose Aufklärung

Zur Richtlinienkompetenz gehört es auch, sich klar vor die Polizisten zu stellen, aber es bedarf auch einer lückenlosen Aufarbeitung der Vorfälle, transparent und nicht erst auf Nachfrage von Abgeordneten und Medien. Die Salami muss endlich am Stück herausgegeben werden: Stabhandgranaten oder deren Attrappen in Kofferräumen, Kriegswaffen, oder deren Attrappen, die nicht vernichtet werden, 13.000 Euro verloren in Revieren, weil der Generalschlüssel frei zugänglich ist, Munition, sei es nur Übungsmunition, die schlecht gelagert wird, und Waffen, die einfach so aus der Obhut der Polizei verschwinden – das darf es nicht geben: Nicht einen dieser Fälle, und schon gar nicht eine Häufung dieser Fälle. Vorgänge, die zum Teil mehr als zehn Jahre laufen.

Die Opposition fordert schon länger einen Untersuchungsausschuss zu den Vorgängen. Gerade weil die jetzige Innenministerin bereits als Staatssekretärin Kenntnis über die Vorgänge rund um die Asservatenverwaltung hätte haben müssen. Auch der Koalition muss daran gelegen sein, den Ruf der Polizei durch diese, wie es mittlerweile auch Polizisten im Gespräch nennen, skandalösen Fälle nicht weiter zu beschädigen. Sonst nimmt vielleicht niemand der Polizei die Waffenbesitzkarte ab, aber unter Umständen werden die Stimmen laut, die an der Führungs-Fähigkeit der Innenministerin ihre Zweifel haben.

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MDR (Susanne Ahrens)

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