"FAKT IST!" Schärferes Asyl- und Waffenrecht allein kann Sicherheitslage nicht verbessern
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10. September 2024, 10:23 Uhr
Verbrechen wie der tödliche Messerangriff in Wolmirstedt verändern das Sicherheitsgefühl der Menschen. Ob ein schärferes Asyl- und Waffenrecht wieder für mehr Sicherheit sorgen kann, darüber haben Zuschauer mit Vertretern aus Politik, Sicherheitsbehörden und Beratungsstellen in der "Fakt ist!"-Sendung aus Magdeburg diskutiert.
- In Magdeburg haben Vertreter aus Politik, Sicherheitsbehörden und Beratungsstellen mit Bürgern über Migration und Sicherheit diskutiert.
- Sachsen-Anhalts Innenministerin Zieschang sagte, in einer offenen Gesellschaft werde es hundertprozentige Sicherheit nicht geben können.
- Warnungen wurden laut, bei den Themen Terrorismus, Messergewalt und Migration zu viel zusammenzurühren.
Ein schärferes Asyl- und Waffenrecht kann die Sicherheitslage in Deutschland nur bedingt verbessern – es braucht auch strukturelle Veränderungen. Das ist das Fazit der MDR-Sendung "FAKT IST" am Montagabend im Landesfunkhaus in Magdeburg. Dabei hatten Zuschauer mit Vertretern aus Politik, Sicherheitsbehörden und Beratungsstellen diskutiert.
Bürger wollen Taten statt Worte
Einige Zuschauer warfen dem Staat vor, die Kontrolle verloren zu haben. Wenn keiner mehr wisse, was zu tun sei, würden alle sagen, es müsse was getan werden. Es gebe viele Worte, man wolle aber Taten sehen. Wie im Straßenverkehr brauche es klare Regeln, Kontrollen und Sanktionen bei Verstößen. Andere warnten davor, Migranten unter Generalverdacht zu stellen und verwiesen darauf, dass Deutschland auf Migranten angewiesen sei.
Innenministerin fordert erneut verdachtsunabhängige Kontrollen
Die Innenministerin von Sachsen-Anhalt, Tamara Zieschang (CDU), sagte, Verbrechen wie der tödliche Messerangriff in Wolmirstedt machten etwas mit dem Sicherheitsgefühl der Menschen. Man habe unmittelbar danach die Polizeipräsenz erhöht – in einer offenen Gesellschaft werde es hundertprozentige Sicherheit aber nicht geben können.
Zieschang erneuerte ihre Forderung nach mehr verdachtsunabhängigen Kontrollen durch die Sicherheitsbehörden. Einem entschlossenen Terroristen seien Waffenverbotszonen und die Länge einer Messerklinge egal – verdachtsunabhängige Kontrollen aber nicht. In den beiden Waffenverbotszonen in Magdeburg und Halle würden bei solchen Kontrollen auch Messer aus dem Verkehr gezogen. "Die Kontrollmöglichkeit ist für mich das Entscheidende."
Zieschang: Integration fordert Einhaltung der Spielregeln
Im Kampf gegen Ausländerkriminalität mahnte Zieschang auch an, mögliche Ursachen zu hinterfragen, etwa die Herkunft aus einem Land ohne staatliche Ordnung oder die Fluchtgeschichte. Zur Integration müsse aber gehören, dass man sich an die Spielregeln in Deutschland halte und Konflikte eben nicht auf der Straße mit dem Messer austrage. Bei Jugendlichen brauche es Fallkonferenzen mit Eltern, Schulen und Jugendamt.
Bund Deutscher Kriminalbeamter: Justiz und Strafverfolgung stärken
Der Vorsitzende des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK), Dirk Peglow, sagte, in der derzeitigen Debatte werde mit den Themen Terrorismus, Messergewalt und Migration zu viel zusammengerührt. Messerverbotszonen könnten helfen, die Zahl der Messer im Umlauf zu reduzieren. Neben dem Ahnden müsse es aber auch um Prävention gehen. Hinzu komme, dass die Integrationsressourcen wie Unterbringung von Geflüchteten oder auch Schulen erschöpft seien. Kitas und Schulen bräuchten eine Verschnaufpause.
Gleichzeitig müssten Justiz und Strafverfolgung gestärkt werden, so Peglow. Derzeit gebe es in Deutschland rund 920.000 offene Ermittlungsverfahren, nicht mal jedes 15. Verfahren werde angeklagt. "Die Zeit für Empörungsdebatten ist vorbei." Zum Vorschlag eines Aufnahmestopps von Asylsuchenden sagte Peglow: "Polizeilich sprechen wir dann von einer Lageberuhigung, aber nicht von einer Lösung."
Grüne: Prävention und Ausstattung der Sicherheitsbehörden verbessern
Lamya Kaddor, Islamwissenschaftlerin sowie Bundestagsabgeordnete und innenpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, sagte, die Einzelverbrechen erschütterten, man komme kaum zur Ruhe, das dürfe einen ohnmächtig machen. Nahezu stündlich gebe es Vorschläge, aber seien die auch alle rechtskonform? Man spreche Regeln aus, könne sie aber nicht immer kontrollieren.
Auch Kaddor plädierte für mehr Prävention sowie eine bessere Ausstattung der Sicherheitsbehörden bei Ressourcen, Personal und Kompetenzen. Außerdem dürfe man gerade bei Jugendlichen den digitalen Raum als Ort für die Radikalisierung nicht unterschätzen. Kaddor gab auch zu bedenken, dass Deutschland die Migranten brauche. Deshalb müsse man Einzelfälle kritisch betrachten, aber nicht die Gesamtheit.
Sozialwissenschaftler Goldenbaum: Differenzierung nötig
Auch Hans Goldenbaum, Sozialwissenschaftler und Bereichsleiter Gewalt- und Radikalisierungsprävention der Halleschen Jugendwerkstatt, forderte mehr Differenzierung. Die Debatte um die Migrationspolitik müsse losgelöst von den Themen Terrorismus und Jugendkriminalität betrachtet werden.
Goldenbaum sprach ebenfalls von Ressourcen- und Strukturproblemen. Alles werde zusammengespart, der Rechtsstaat werde seinem Anspruch nicht mehr gerecht. Das sei ein selbst gemachtes Problem und könne durch Investitionen an den richtigen Stellen geändert werden. So sei Jugendkriminalität ein städtisches Phänomen. Hier ballten sich Probleme: Viele Jugendliche stammten aus kaputten Elternhäusern, lebten in Armut, scheiterten in der Schule. Schulen und Jugendarbeit seien überlastet. Hier müsse man ran.
MDR (Marcel Knop-Schieback, Cornelia Winkler)
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | FAKT IST! | 09. September 2024 | 22:10 Uhr
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