Rundfunk-Kommission im Landtag Landespolitiker diskutieren Rolle von Textangeboten der Öffentlich-Rechtlichen
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30. November 2023, 18:55 Uhr
Der Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV) war zu Gast in der Enquete-Kommission zur Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Für den BDZV sind die Online-Angebote der Sender zu presseähnlich. Ebenfalls eingeladen war MDR-Intendant Ralf Ludwig.
- Der Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger beklagt zu viele Informationen in Textform im öffentlich-rechtlichen Rundfunk.
- Der Streit zwischen Verlagen und Sendern wird seit langem geführt.
- Für Politik und Land ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk eine wichtige Säule publizistischer Vielfalt.
Im Bemühen um eine Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks haben sich Sachsen-Anhalts Landespolitiker am Donnerstag unter anderem mit der Sicht der Presse-Medien auf die Sendeanstalten beschäftigt. Für den Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV) war Benedikt Lauer zu Gast in der Enquete-Kommission des Landtags, die Reformvorschläge für den Rundfunk erarbeiten soll.
Was eine Enquete-Kommission macht Eine parlamentarische Enquete-Kommission kann besonders wichtige Dinge beleuchten. Der Begriff Enquete leitet sich aus dem Französischen ab und bedeutet Untersuchung. Die Kommission zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk im Landtag von Sachsen-Anhalt soll für die Zukunft eine gemeinsame Position und konkrete Reformvorschläge erarbeiten.
BDZV: Zu viele Inhalte in Textform
Hauptkritikpunkt der Verleger: Die digitalen Angebote der öffentlich-rechtlichen Sender seien in der Summe zu presseähnlich, führte Lauer aus. Aus Sicht des BDZV werden also zu viele journalistische Inhalte in Textform veröffentlicht. So könne man sich etwa auf mdr.de "einen guten Überblick über aktuelle Themen verschaffen" und dabei auch lange Stücke lesen, die keinen Bezug zu Sendungen im Radio oder Fernsehen hätten.
Weil die Texte – da beitragsfinanziert – ohne weitere Kosten abrufbar seien, beeinträchtige das den Markt zulasten privatwirtschaftlicher Zeitungsverlage. "Die Printauflagen gehen zurück. Deshalb sind das jetzt entscheidende Jahre, um vor allem junge Leute davon zu überzeugen, dass gute News im Netz Geld wert sind", sagte Lauer. Die Textangebote der Rundfunkanstalten stünden dem entgegen.
Schlichtungsstelle 2022 erstmals angerufen
Der Streit zwischen Verlagen und Sendern wird bereits seit vielen Jahren geführt. Seit 2019 gibt es eine gemeinsame Schlichtungsstelle, die im Oktober 2022 erstmals angerufen wurde – unter anderem wegen einer Beschwerde der "Magdeburger Volksstimme" gegen den MDR. Die Streitparteien einigten sich unter anderem darauf, dass bei Übernahmen von Themen auf Zeitungsangebote verlinkt wird und dass Textangebote einen klaren Bezug zu Sendungen in Fernsehen und Radio haben müssen.
Was öffentlich-rechtlicher Rundfunk überhaupt darf und soll, ist im Medienstaatsvertrag geregelt. Demnach dürfen die Online-Angebote ("Telemedienangebote") von ARD, ZDF und Deutschlandradio nicht presseähnlich sein.
Journalistische Online-Texte sind damit aber nicht grundsätzlich verboten. Sie müssen allerdings laut Medienstaatsvertrag "der Aufbereitung von Inhalten aus einer konkreten Sendung einschließlich Hintergrundinformationen dienen". Sie sollen Hörfunk- und Fersehangebote "thematisch und inhaltlich unterstützen, begleiten und aktualisieren". Ferner sollen möglichst Videos ("Bewegtbild") und Ton in die Texte eingebunden werden.
Das steht im Medienstaatsvertrag
"Die Telemedienangebote dürfen nicht presseähnlich sein. Sie sind im Schwerpunkt mittels Bewegtbild oder Ton zu gestalten, wobei Text nicht im Vordergrund stehen darf. Angebotsübersichten, Schlagzeilen, Sendungstranskripte, Informationen über die jeweilige Rundfunkanstalt und Maßnahmen zum Zweck der Barrierefreiheit bleiben unberührt. Unberührt bleiben ferner Telemedien, die der Aufbereitung von Inhalten aus einer konkreten Sendung einschließlich Hintergrundinformationen dienen, soweit auf für die jeweilige Sendung genutzte Materialien und Quellen zurückgegriffen wird und diese Angebote thematisch und inhaltlich die Sendung unterstützen, begleiten und aktualisieren, wobei der zeitliche und inhaltliche Bezug zu einer bestimmten Sendung im jeweiligen Telemedienangebot ausgewiesen werden muss. Auch bei Telemedien nach Satz 4 soll nach Möglichkeit eine Einbindung von Bewegtbild oder Ton erfolgen. Zur Anwendung der Sätze 1 bis 5 soll von den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten und den Spitzenverbänden der Presse eine Schlichtungsstelle eingerichtet werden."
Quelle: Medienstaatsvertrag § 30, Abs. (7)
MDR setzt auf Presseampel
Um diese Vorgaben und die Einigung mit den Verlagen zu erfüllen, hat der MDR für den Onlinebereich eine sogenannte Presseampel eingeführt. Diese stehe im Falle von MDR SACHSEN-ANHALT weit überwiegend auf Grün.
Wie das Landesfunkhaus in Magdeburg mitteilte, hat MDR SACHSEN-ANHALT zwischen Juni und November dieses Jahres insgesamt 1.672 Artikel veröffentlicht. 88,1 Prozent dieser Texte seien News-Artikel mit Sendebezug und eingebundenem Audio oder Video gewesen (Kategorie Grün).
11,9 Prozent seien News-Artikel nur mit einem Sendebezug oder nur mit älterem eingebundenen Audio- oder Video-Inhalten gewesen (Kategorie Gelb). In die Kategorie fielen auch kurze News-Artikel ohne Sendebezug und Audio oder Video. Lange Autoren-Texte ohne jeden Bezug zum Radio- oder Fernsehprogramm (Kategorie Rot) habe es im genannten Zeitraum nicht gegeben.
BDZV fordert Straffung des Medienstaatsvertrags
Für die Verleger bleibt das Angebot dennoch zu presseähnlich. Der BDZV fordert daher eine Straffung des Medienstaatsvertrags, da beide Seiten das Gesetz zu unterschiedlich auslegen würden. Auch habe man Kontakt zur Europäischen Kommission aufgenommen. Es handle sich dabei aber noch nicht um ein formales Beschwerdeverfahren. Die Schlichtungsvereinbarung mit ARD und ZDF sei aufgekündigt worden – aus formalen Gründen, wie Lauer erklärte.
Gebhardt: Brauchen Textangebot für publizistische Vielfalt
MDR-Intendant Ralf Ludwig, der am Donnerstag ebenfalls Gast in der Enquete-Kommission war, sagte dazu, er bevorzuge es, wenn man miteinander rede. "Es ist auch nicht so, dass wir alles zurückweisen. Es ist schon was dran, dass wir zum Teil sehr presseähnlich sein könnten bei den Telemedien. Wir werden auch hier in Mitteldeutschland Gespräche führen mit den Verlagen", betonte Ludwig.
Mit Blick auf die Interessen der Verlage erinnerte der Landtagsabgeordnete Stefan Gebhardt (Linke) an die besondere Situation in Sachsen-Anhalt. "Wir haben zwei Zeitungen, die aus dem selben Verlagshaus kommen und sich einen Chefredakteur teilen." Ohne den MDR gebe es folglich überhaupt keinen Wettbewerber. Für publizistische Viefalt auch im Textbereich brauche es daher den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Das sei wichtig für die Information der Bürger. Denn Zeitungen könnten beispielsweise entscheiden, nicht über Landtagssitzungen zu berichten. Die öffentlich-rechtlichen Sender hätten dagegen einen klaren Auftrag, der sich mit Programmbeschwerden durchsetzen lasse, so Gebhardt.
Ein Vertreter der Staatskanzlei fügte hinzu, dass es aus Nutzer- und Marktsicht notwendig sei, dass die Sender Textangebote machten.
Rundfunkbeitrag auf Zeitungen ausweiten?
Marco Tullner (CDU) erklärte, Politik müsse sich immer mehr Gedanken darüber machen, wie man Meinungspluralismus aufrechterhalten könne, der staatsfern sei, aber funktioniere. Er stellte die Überlegung in den Raum, ob sich der Rundfunkbeitrag nicht auf Presse ausweiten ließe.
Benedikt Lauer lehnte das als BDZV-Vertreter ab. "Wir wollen keine Staatsgelder annehmen, um unsere Unabhängigkeit zu erhalten." Temporäre Förderungen könne man sich hingegen vorstellen.
Sparmaßnahmen beim MDR
Über die Zukunft des MDR berichtete Intendant Ralf Ludwig der Enquete-Kommission. Der Mitteldeutsche Rundfunk wird demnach in den kommenden Jahren deutliche Einsparmaßnahmen durchführen müssen. Der Jahresetat des MDR werde ab 2025 nach derzeitigem Kenntnisstand um mindestens 40 Millionen Euro gesenkt. Das werde auch personalstrategische Auswirkungen haben. Wie Ludwig mitteilte, werde versucht, sozialverträglich vorzugehen – etwa durch Abbau von Stellen bei Renteneintritt. Das könne aber aufgrund der hohen Einsparsumme nicht garantiert werden.
Der Direktor des MDR-Landesfunkhauses Sachsen-Anhalt, Tim Herden, kündigte an, dass trotz Spardrucks regionale Schwerpunkte gesetzt würden: "Regionalität ist unsere DNA. Wir sind ja schon sehr stark in der Fläche vertreten – mit Regionalstudios in Halle, Dessau, Stendal und Magdeburg und Außenstudios in Wittenberg, Naumburg." Die Regionalität solle mit einem Büro in Salzwedel erweitert werden. Außerdem seien im nächsten Jahr verstärkt On-Air-Angebote in den Regionen geplant. Zudem liege der Fokus auf jüngeren Digital-Formaten wie etwa dem Investigativ-Kanal.
Enquete-Kommission arbeitet seit Anfang des Jahres
Ende Januar 2023 hatte der Landtag von Sachsen-Anhalt die Einführung der Enquete-Kommission zur Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks beschlossen. Hintergrund sei auch das im vergangenen Jahr bekannt gewordene Fehlverhalten von Führungspersonen etwa beim RBB, NDR oder MDR, heißt es im Antrag.
Den Antrag hatten die Regierungsfraktionen CDU, SPD und FDP gemeinsam mit der Linksfraktion eingereicht. Die Abgeordneten hatten fraktionsübergreifend dafür gestimmt. Es ist bundesweit die erste Initiative dieser Art in einem Landtag.
MDR (Daniel Salpius, Marvin Kalies)
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE | 30. November 2023 | 19:00 Uhr
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