Bund-Länder-Gipfel Maßnahmen zur Migration: Skepsis und Lob aus Sachsen-Anhalt

08. November 2023, 15:57 Uhr

Nachdem sich Bund und Länder auf neue Beschlüsse zur Asylpolitik geeinigt haben, kommen aus Sachsen-Anhalt gemischte Reaktionen. Die Linke fordert mehr Geld für die Kommunen, die FDP begrüßt die Beschlüsse, der CDU gehen sie nicht weit genug. Auch bei den Landräten gehen die Meinungen auseinander.

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Die Fraktion "Die Linke" im Landtag von Sachsen-Anhalt kritisiert die Beschlüsse zur Asylpolitik von Bund und Ländern. Die migrationspolitische Sprecherin, Henriette Quade, sagte, man habe in Deutschland kein Flüchtlings-, sondern ein Verteilungsproblem. Seit Jahren würden die Kommunen kaputtgespart. Städte und Gemeinden brauchten mehr Geld, um handlungsfähig zu bleiben.

Deutliche Kritik äußerte Quade auch an den Beschlüssen zu weiteren sicheren Herkunftsländern, Grenzverfahren oder zum EU-Türkei-Deal. "Sie bedeuten Entrechtung der Menschen, Geschäfte mit Diktatoren und Verstöße gegen rechtsstaatliche Standards." Quade fügte aber hinzu, die am Montag beschlossenen Maßnahmen in Bezug auf die Finanzierung der Aufnahme Geflüchteter seien überfällig. "Auch Maßnahmen, die die Arbeitsaufnahme erleichtern und Verfahren beschleunigen, sind richtig."

Kritik von Lamsa: "Viele Vorhaben dienen der Repression"

Das Landesnetzwerk Migrantenorganisationen Sachsen-Anhalt (LAMSA) kritisierte, erneut nicht an den Beschlüssen beteiligt worden zu sein. Das Netzwerk könne zur Versachlichung der Debatten um die Belange der Geflüchteten beitragen. Der Migrationsgipfel habe diese Chance nicht genutzt.

Weiter sagte Lamsa, viele Vorhaben dienten der Repression. Menschen, die auf der Flucht seien, interessierten sich nicht dafür, ob hier eine Bezahlkarte oder Bargeld auf sie warte. Es gehe um menschenwürdige Lebensbedingungen. Ständig zu hören, man sei eine Bedrohung und Belastung, sei Gift für die Seele.

FDP: Wichtiger Schritt für dringende Asylwende

Die FDP im Landtag von Sachsen-Anhalt begrüßt die Beschlüsse. Fraktionschef Andreas Silbersack sprach am Dienstag von einem wichtigen Schritt für die dringende Asylwende. Die FDP habe sich mit mehreren Forderungen durchgesetzt, um irreguläre Migration zurückzudrängen und Anreize zu nehmen. Mit Bezahlkarten würden Bargeldzahlungen beendet. Sie seien bisher ein Pull-Faktor zur Einwanderung in die Sozialsysteme. Die Umstellung müsse schnellstmöglich auch in Sachsen-Anhalt erfolgen. Hier gelte es, gemeinsam mit den Kommunen ein einfaches System zu schaffen: "Wir wollen Bürokratie und Kosten vor Ort senken."

Silbersack zufolge wird die Kürzung von Sozialleistungen für Asylsuchende auch die Kosten für Sachsen-Anhalt und seine Gemeinden reduzieren. Das senke die Anziehungskraft des deutschen Sozialstaats. Die angestrebte Durchführung von Asylverfahren in Drittstaaten spreche ebenfalls für eine neue Realpolitik bei der Migration. Die rechtlichen Voraussetzungen für konsequente Abschiebungen seien bereits durch den Bund gestärkt worden. Sachsen-Anhalt sei gefordert, Abschiebungen entschlossen durchzuführen. Das gelte ganz besonders für Straftäter. "Wer kein Recht hat, in Deutschland zu bleiben, muss unser Land verlassen."

Skepsis auch bei CDU-Landrat

Der Landrat des Landkreises Mansfeld-Südharz, André Schröder (CDU), sieht die Beschlüsse skeptisch. Die besprochenen Maßnahmen, einschließlich der zugesagten Pauschale, könnten nur ein erster Schritt sein, die Migrationsprobleme im Land zu lösen. Eine wirksame Bekämpfung illegaler Migration sei auch nach den nächtlichen Gesprächen immer noch nicht erkennbar. Weitergehende Forderungen der kommunalen Familie seien größtenteils nicht umgesetzt worden.

Die verabredeten Maßnahmen – beispielsweise die Einführung einer Bezahlkarte – müssen Schröder zufolge nun umgesetzt werden. Dann werde sich zeigen, ob sie in der Praxis funktionierten. Die verabredete Pauschale von 7.500 Euro pro Asylbewerber stelle zwar eine Verbesserung des Status quo dar. Die eigentlichen Kosten in den Kommunen blieben aber deutlich höher. Eine erfolgreiche Integration setze die Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung voraus: "Die Lösung für das eigentliche Problem bleibt der gestrige Gipfel schuldig!"

Der stellvertretende Landrat des Landkreises Börde, Marcus Waselewski (parteilos), sieht die Bund-Länder-Beschlüsse zur Migrationspolitik als Hoffnungsschimmer. Er fordert eine schnelle und unbürokratische Umsetzung. Die Entlastung müsse bei den Kommunen ankommen, sagt er.

Steffen Burchhardt (SPD), Landrat im Jerichower Land, begrüßt die Entscheidung. Laut ihm habe man jetzt eine Berechnungsgrundlage, was Klarheit schaffe. Die Bezahlkarte sieht er krititsch, es gebe dazu offene Fragen.

Landart Bauer bei Bezahlkarte zuversichtlich

Der Landrat des Salzlandkreises, Markus Bauer (SPD), begrüßt die Ergebnisse des Migrationsgipfels. Er sagte MDR SACHSEN-ANHALT: "Alle haben sich damit beschäftigt, alle mussten sich damit beschäftigen. Jetzt gibt es natürlich ein positives Signal." Er spricht sich dafür aus, die vereinbarten Vorhaben schnellstmöglich als Gesetz umzusetzen. "Die Kommunen, Landkreise, Städte und Gemeinden brauchen das Geld", so Bauer.

Man könne nicht immer nur in Vorkasse gehen. Mit einer digitalen Bezahlkarte, die bereits im Salzlandkreis existiere, könne auch die digitale Bezahlkarte für Geflüchtete realisiert werden. Er betonte, dass die dafür benötigten Techniker bereits in der Region vorhanden seien.

Landeskreistag: Beschlüsse sind Fortschritt

Der Geschäftsführer des Landkreistages von Sachsen-Anhalt, Heinz-Lothar Theel, sieht in den Bund-Länder-Beschlüssen zur Migration Fortschritte. MDR SACHSEN-ANHALT sagte er am Dienstag, der Leitgedanke könne aus kommunaler Sicht durchaus mitgetragen und sogar begrüßt werden. "Der Bund hat wohl offensichtlich verstanden, dass es in der Flüchtlingspolitik kein 'Weiter so wie bisher' geben kann."

Mit Blick auf die Kostenpausschale von 7.500 Euro pro Flüchtling und Jahr erklärte Theel, hier müsse man abwarten, was von dem Geld tatsächlich bei Kommunen und Kreisen ankomme. "Das ist wirklich ein sehr ärgerliches Thema." Denn alle Verabredungen, die für die finanzielle Beteiligung des Bundes für 2023 getroffen wurden, seien jetzt gerade auf den Weg gebracht worden. "Wir haben die Hoffnung, dass das Geld vielleicht noch im Dezember für diese Jahr fließt. Das können wir für 2024 wirklich nicht wiederholen."

Integrationsbeauftragte begrüßt Beschlüsse

Die Integrationsbeauftrage von Sachsen-Anhalt, Susi Möbbeck (SPD), hat die Beschlüsse von Bund und Ländern zur Migration begrüßt. MDR SACHSEN-ANHALT sagte sie am Dienstag, die Kommunen hätten mit der vereinbarten Kosten-Pauschale von 7.500 Euro pro Flüchtling und Jahr eine finanzielle Planungsgrundlage. Das werde die zum Teil aufgeheizte Debatte hoffentlich etwas beruhigen. "Wünschenswert wäre, dass man jetzt wieder mehr über die Vorteile von Migration für eine Gesellschaft spricht." Ziel müsse doch sein, wie die Integration von Migranten im Land gelinge. Dann sei Zuwanderung auch eine Bereicherung für das Land, so Möbbeck weiter.

Bei dem Treffen am Montag in Berlin hatten die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten mit Kanzler Scholz (SPD) vereinbart, dass sich der Bund künftig pro Asylbewerber mit einer jährlichen Summe von 7.500 Euro an den Kosten von Ländern und Kommunen beteiligt. Die Länder hatten allerdings mindestens 10.500 Euro pro Jahr und Asylantrag gefordert.

Beschlossen wurde auch, dass der Zeitraum, in dem Asylbewerber Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz bekommen, von 18 auf 36 Monate verlängert wird. Erst danach liegen die Sätze in etwa so hoch wie das reguläre Bürgergeld. Durch die Verlängerung sollen rund eine Millarde Euro frei werden. Das Geld sollen die Länder bekommen.

MDR (Jörg Wunram, Marcel Knop-Schieback, Mario Köhne, Sebastian Gall)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 07. November 2023 | 12:00 Uhr

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