Gewerbegebiete abgelehnt Deindustrialisierung und Bürger-Wille: Scheitert der Strukturwandel?
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11. April 2025, 10:08 Uhr
Lange Zeit war der Osten Deutschlands beliebt bei Investoren – nicht nur wegen der Fördermittel und günstigeren Lohn-Struktur, sondern auch wegen der hohen Akzeptanz in der Bevölkerung. Das aber scheint sich geändert zu haben. Die Einwohner im Kabelsketal bei Halle stimmten ebenso gegen die Einrichtung eines Gewerbegebiets wie unlängst der Gemeinderat von Teuchern im Burgenlandkreis. Der Strukturwandel hat so deutliche Dämpfer bekommen, analysiert Uli Wittstock.
Ministerpräsident Haseloff (CDU) spricht von einer schmerzhaften Entwicklung: "Wir haben eine ganze Reihe von Absagen erhalten, wo es um richtig gute und nachhaltige Investitionen gegangen ist." Nachdem der Gemeinderat im Kabelsketal sich gegen das Gewerbegebiet Starpark 2 entschieden hatte, konnten einige der potentiellen Interessenten nicht für andere Flächen geworben werden. Um wen es sich dabei handelt, werde er aber aus Gründen der Vertraulichkeit nicht sagen, so Haseloff.
Teuchern steigt aus
Auch der Gemeinderat von Teuchern hat vor vier Wochen entschieden, nicht dem Interkommunalen Industrie- und Gewerbegebiet (IKIG) beizutreten. Anders als die übrigen Gemeinden Weißenfels, Hohenmölsen und Lützen, wird Teuchern nun keine Flächen zur Verfügung stellen.
Das IKIG ist das größtes Strukturwandel-Vorhaben im Burgenlandkreis, mit dem Ziel, "der Deindustrialisierung entgegenzuwirken, neue Arbeitsplätze zu schaffen und den Burgenlandkreis als Wirtschaftsstandort zu stärken", wie es in einer Presse-Mitteilung des Landkreises heißt. Allerdings wird das Projekt nun deutlich kleiner ausfallen, statt der 400 Hektar stehen nun nur noch 265 Hektar Fläche zur Verfügung.
Flächenversiegelung oder Zukunftssicherung
Dass der Bund für Umwelt und Naturschutz BUND die Entscheidung in Teuchern begrüßt, liegt vor allem daran, dass so eine weitere Flächenversiegelung verhindert werde, ein Argument das Ministerpräsident Haseloff nachvollziehen kann: "Wir haben alle Ressourcen nur einmal und wir müssen das auch entlang der Autobahnen steuern."
Aber dafür gebe es einen Landesentwicklungsplan, der das berücksichtige. Anders jedoch als in den Neunzigerjahren gebe es nun die Meinung, es müsse nicht mehr groß investiert werden, angesichts der aktuellen Situation am Arbeitsmarkt. Für Haseloff ist das allerdings ein Trugschluss. Er verweist auf die Herausforderungen des Strukturwandels.
Die Menschen im Mansfelder Revier wurden vor dreißig Jahren von dieser Entwicklung kalt überrascht. Damit sich dies nicht wiederholt, soll nun der Kohleausstieg mit Milliarden abgefedert werden.
Wirtschaftswachstum als Grundlage des Sozialstaates
Reiner Haseloff (CDU) ist kein Schwarzmaler, aber für ihn ist klar, wohin sich die Wirtschaft entwickelt "Die klassische Industrie geht zur Neige. Entweder sucht sie andere Standorte auf oder sie wird nicht mehr praktiziert. Die Menschen im Mansfelder Revier wurden vor dreißig Jahren von dieser Entwicklung kalt überrascht. Damit sich dies nicht wiederholt, soll nun der Kohleausstieg mit Milliarden abgefedert werden.
Diesen Ausstieg zu managen, sei ein zentrales politisches Anliegen, so Haseloff: "Die Sozialleistungen in Deutschland sind mit einem hohen Wirtschaftswachstum verbunden. Und wir merken, dass wir nur noch ein gedämpftes Wachstum haben und es nicht mehr schaffen, die Ausgaben mit den Einnahmen in Verbindung zu bringen." Umso wichtiger wäre es, auf neue Firmen und Technologien zu setzen.
Industrie ja, aber bitte nicht hier
Es sind neben der Flächenversiegelung nicht selten weitere Gründe, die zur Ablehnung von Neuansiedlungen führen, ein befürchteter Wertverlust von Immobilien, Verkehrsprobleme oder Belästigung durch Lärm und Gerüche. All das führt dann zu einer Reaktion, die Haseloff so zusammenfasst: "Was habe ich davon?"
Die Antwort fällt leider oftmals dürftig aus, so dass viele gegen eine Ansiedlung vor ihrer Haustür mobil machen. Denn der Profit, der da in den neuen Firmen erwirtschaftet wird, bleibt kaum in der Region.
Reform der Gewerbesteuer
Wenn in Sachsen-Anhalts Chemiedreieck die Schornsteine rauchen, dann freuen sich die Aktionäre sowie die Steuerbehörden an den Unternehmenszentralen, denn dort wird der größte Teil der Gewinne versteuert.
Haseloff fordert nun ein Umdenken: "Die Gewerbesteuer muss so verteilt werden, dass sie da fällig wird, wo die Wertschöpfung erfolgt." Für Städte wie Bitterfeld-Wolfen wäre das ein Segen.
Initiative im Bundesrat
Dazu hat Sachsen-Anhalt gemeinsam mit dem Landkreistag eine Initiative in den Bundesrat eingebracht. Allerdings dürften die Widerstände erheblich sein. Wenn es sich allerdings finanziell auch für die Gemeinden stärker lohnen würde, wäre es auch mit neuen Gewerbegebieten einfacher, so Haseloff.
Das zeige sich am Beispiel der Windräder. Seitdem vom Gewinn mehr in die Gemeinden fließe, sei die Akzeptanz vor Ort gestiegen. Sollte es nicht gelingen, den Strukturwandel vor Ort zu gestalten, dann werde der Staat an seine Grenzen stoßen, was dann problematisch für alle werden könne.
MDR (Uli Wittstock, Felix Fahnert), zuerst veröffentlicht am 09.04.2025
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 09. April 2025 | 12:00 Uhr